Frage an Garrelt Duin von Helga J. bezüglich Soziale Sicherung
Hallo Herr Duin,
warum ist die bisherige Sozialpolitik auf so wenig Nachhaltigkeit angelegt?
1. Es fallen mehrere Milliarden Euro jährlich als Folgekosten für Schulabbrecher an.
2. Fünf Millionen Deutsche gehören zum so genannten Präkariat. Sie sind zum Teil in der dritten Generation arbeitslos und meist auch ohne Schulabschluß. Der Großteil hat resigniert und sich mit der Situation abgefunden.
Wäre es nicht wirksamer für die nächsten Generationen, die jetzt schon weniger verdienen als ihre Väter /Mütter, endlich für Entlastung zu sorgen, in dem die gezahlten Steuern nicht in Folgekosten sondern Prävention investiert werden?
Mit freundlichen Grüßen
Helga Janssen-Ollermann
Sehr geehrte Frau Janssen-Ollermann,
vielen Dank für Ihre Anfrage zur Sozialpolitik und ihrer Nachhaltigkeit vom 07. August 2007.
Natürlich setzt die Bundesregierung in der Sozialpolitik auf Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeit heißt: Jede Generation muss ihre Aufgaben lösen. Sie darf sie nicht nachkommenden Generationen aufbürden. Wirtschaft, Umwelt und soziale Entwicklung sind aufeinander abzustimmen. Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft sind dabei wichtige Akteure der Nachhaltigkeit und Partner eines Dialogs mit der Politik. Die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung ist für die Bundesregierung Ziel und Maßstab ihres Handelns.
Sicherlich haben Sie Recht, wenn Sie auf die hohen finanziellen Aufwendungen für Langzeitarbeitslose und junge Menschen ohne Schulabschluss und Ausbildungsplatz verweisen. Die Bundesrepublik Deutschland steht für das sozialstaatliche Prinzip und hat es deshalb gesetzlich verankert. In keinem anderen Land ist die soziale Sicherung so ausgebaut wie in der Bundesrepublik Deutschland. Dies funktioniert, wenn finanziell und sozial besser gestellte Bürger für ihre am Existenzminimum lebenden, kranken und erwerbslosen Mitmenschen eintreten.
Die SPD versucht Langzeitarbeitslose und junge Menschen mit Vermittlungshemmnissen bzw. bildungsschwache Jugendliche durch gezielte Programme wieder zurück in die Erwerbstätigkeit oder in Ausbildungsstellen zu vermitteln. Denn Bildungschancen entscheiden in unserer heutigen Zeit über arm und reich. Es geht vor allem darum, besonders den Kindern Bildungschancen zu eröffnen. Dies muss unabhängig vom sozialen Umfeld der Kinder geschehen. Die SPD-Bundestagsfraktion fördert dies mit den Initiativen zum Ausbau der Ganztagsschulen sowie der Betreuungsplätze für die unter Dreijährigen ergänzt durch die sozialdemokratische Familienpolitik mit der Erhöhung des Kindergeldes oder dem Ausbau weiterer familienpolitischer Leistungen.
Derzeit verlassen jährlich ca. neun Prozent der Schülerinnen und Schüler eines Jahrgangs die Schule ohne Schulabschluss. Das sind bundesweit etwa 85.000 junge Menschen. Vor allem Kinder und Jugendlich zwischen 11 und 14 Jahren aus sozial benachteiligten Familien oder Familien mit Migrationshintergrund zählen zur Risikogruppe. Mit dem ESF-Modellprogramm „Schulverweigerer – die 2. Chance“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bekommen 1.431 so genannte „harte“ Schulverweigerer seit September 2006 eine zweite Chance auf einen Schulabschluss. An bundesweit 74 Standorten gibt es lokale Projekte mit festen Ansprechpartnern in Schulen, für Schülerinnen und Schüler, die wiederholt und für längere Zeit der Schule ferngeblieben sind. Hier kümmern sich feste Begleiter vor Ort darum, dass Jugendliche wieder regelmäßig die Schule besuchen. Für das Programm stellt das BMFSFJ Fördermittel aus dem Europäischen Sozialfonds zur Verfügung.
Zudem gibt es den Ausbildungspakt zwischen Politik und Wirtschaft. Mit diesem Pakt verpflichten sich die Partner in enger Zusammenarbeit mit den Ländern jedem ausbildungswilligen und ausbildungsfähigen Menschen ein Ausbildungsangebot zu machen. Zudem hat die Wirtschaft zugesagt, zusätzliche Plätze für betriebliche Einstiegsqualifizierungen zur Verfügung zu stellen. Damit erhalten Jugendliche mit eingeschränkten Vermittlungschancen eine Chance zum Einstieg in Ausbildung. Es hat sich gezeigt, dass diese betrieblichen Einstiegsqualifizierungen positiv von Betrieben und Jugendlichen angenommen werden.
Zusätzlich hat die SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag einen Gesetzentwurf zur Verbesserung der Qualifizierung und Beschäftigungschancen von jüngeren Menschen mit Vermittlungshemmnissen auf den Weg gebracht. Er soll bildungsschwachen Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, die Chance ermöglichen, sich am Arbeitsplatz zu bewähren und ihre Qualifikation zu verbessern. Der Gesetzentwurf sieht daher die Einführung eines Eingliederungszuschusses und eines Qualifizierungszuschusses zum 1. Oktober 2007 vor. Zudem wird es ein weiteres Programm für Langzeitarbeitslose geben. Hier sollen Arbeitgeber durch einen Lohnkostenzuschuss von bis zu 75% den Anreiz erhalten, langzeitarbeitslose Menschen mit Vermittlungshemmnissen zu beschäftigen.
Mit diesen zweimilliardenschweren Programmen für Beschäftigung und Ausbildung soll 100.000 ansonsten Chancenlosen Erwerbslosen und 50.000 jugendlichen Arbeitslosen geholfen werden.
Die Sozialdemokratische Partei Deutschland steht, wie Sie sehen, durchaus für präventive Maßnahmen. Wir wollen die Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen unabhängig von ihrem sozialen Umfeld zu verbessern, um eine spätere Erwerbslosigkeit der Kinder und Jugendlichen möglichst zu verhindern. Dennoch müssen diejenigen Jugendlichen, die aus verschiedensten Gründen keine Möglichkeit auf eine Ausbildungsstelle oder eine Erwerbstätigkeit haben, durch die Solidargemeinschaft unterstützt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Garrelt Duin, MdB