Frage an Garrelt Duin von Dr. Martin T. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Diun,
als Mitglied des Europäischen Parlaments müssen Ihnen die nun von mir angesprochenen Themen bekannt sein:
1) Ihre Partei steht zu einem Beitritt der Türkei, wie sieht es mit den Bestrebungen von Kroatien und der Ukraine aus?
2) Ist es ihrer Meinung nach realisierbar, dass Rumänien und Bulgarien 2008 beitreten?
3) Hätte die EU-Verfassung mehr Transparenz in dem undurchsichtigen großen Apparat der Eu-Institutionen gebracht?
Vielen Dank und weiter viel Erfolg!
Sehr geehrter Herr Tantonewski,
1)
Die SPD steht für die Eröffnung von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei mit dem Ziel, dass diese der EU in etwa 15 Jahren beitreten kann, wenn die Bedingungen dafür erfüllt sind. Darüber hinaus stehen, wie Sie in Ihrer zweiten Frage ansprechen, die Beitritte von Bulgarien und Rumänien bevor. Alle drei Länder haben feste, einstimmige Zusagen aller 25 Mitgliedsländer der EU. Diese sind einzuhalten.
Es ist jedoch unstreitig, dass die Europäische Union mit der geplanten Erweiterung auf dann insgesamt 28 Mitgliedsstaaten eine enorme Herausforderung angenommen hat. Es besteht die Gefahr, dass weitere Erweiterungen die EU schlicht überfordern würden. Deshalb sind wir für eine Phase der Konsolidierung und Vertiefung der EU, bevor an weitere Erweiterungsrunden gedacht werden kann.
Das heißt jedoch nicht, dass wir unsere die von Ihnen erwähnten Nachbarn Kroatien und Ukraine sich selbst überlassen. Die SPD ist sehr wohl an einer politischen und wirtschaftlichen Stabilisierung dieser und anderer europäischer Länder interessiert. Deshalb begrüßen wir die Europäische Nachbarschaftspolitik, die die deutliche Verbesserung der Handelsbeziehungen, der sozialen und die kulturellen Austauschbeziehungen und der regionalen Zusammenarbeit mit der Ukraine, aber auch den anderen osteuropäischen Nichtmitgliedern der EU zum Ziel hat. Diese Politik ist keine Erweiterungspolitik. Sie schließt einen Beitritt weder aus, noch arbeitet sie darauf hin.
2)
Die Beitrittsverträge mit Bulgarien und Rumänien sind unterschrieben. Damit steht der Beitritt Bulgariens im Jahr 2007 fest. Im Fall Rumäniens hat sich das Europäische Parlament ausbedungen, bei schwerwiegenden Bedenken hinsichtlich der Umsetzung der vereinbarten Reformen die Verschiebung der Aufnahme um ein Jahr zu verlangen. Doch spätestens 2008 wird auch Rumänien der EU beitreten. Dies sind gültige Verträge. Die von manchen aufgestellte Behauptung, man könne sich den Beitritt dieser Länder "noch mal überlegen" oder neu verhandeln, ist schlichtweg falsch. Um es klar zu sagen: wer Verträge in Frage stellt, denen alle 25 Mitglieder der EU zugestimmt haben, stellt eine Gefahr für die Stabilität und den Frieden in Europa dar.
3)
Der Apparat der Europäischen Union ist entgegen dem gern und häufig gezeichenten Bild nicht übermäßig groß. Für die Europäische Kommission arbeiten etwas mehr als 20 000 Beamte - das sind weniger als in einer durchschnittlichen mittelgroßen deutschen Stadt. Die häufig mangelnde Transparenz liegt an der Undurchsichtigkeit der Entscheidungsprozesse. Und hier hätte die Verfassung erhebliche Abhilfe geschaffen:
- Verringerung der Zahl der Entscheidungsverfahren von 15 auf vier sowie erhebliche Straffung des Ablaufs
- Die Rechtsinstrumente wären systematisiert und verständlicher bezeichnet worden (Gesetz/Rahmengesetz/Verordnung/Entscheidung).
- Klare Ordnung der Kompetenzen von EU und Mitgliedstaaten in "ausschließliche", "geteilte" und "ergänzende" Kompetenzen, sowie eine eindeutigere Abgrenzung zwischen ihnen.
- Die Fachministerräte müssen in ihrer Rolle als Teil des Gesetzgebers öffentlich tagen.
- Verpflichtung aller Organe der Union zu größtmöglicher Transparenz (Zugang zu Dokumenten, Anhörungen etc.).
Wir müssen uns im klaren sein, dass unsere EU mit derzeit 25 Mitgliedsstaaten immer noch mit einem Regelwerk arbeitet, das für sechs Gründerstaaten entworfen und seitdem immer nur unzureichend nachgegessert wurde. Die Verfassung wäre ein großer Schritt in Richtung verbesserte Transparenz und damit Bürgernähe geworden. Die Straffung der Abläufe hätte darüber hinaus für eine Beschleunigung der Verfahren gesorgt.
Ich bin nach wie vor von der Notwendigkeit und Richtigkeit der Verfassung überzeugt, doch ohne die Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger Europas geht es nicht.
Mit freundlichen Grüßen,
Garrelt Duin