Frage an Gabriele Müller von Thomas S. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Guten Tag Frau Müller,
bezogen auf die soziale Frage erklären Sie Ihre politische Zielsetzung so:
"Für mich als Kandidatin der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft ist natürlich der Ausbau der Sozialen Säule Europas von besonderer Bedeutung: Wir brauchen einen gemeinsamen Mindeststandard im Arbeitsschutz, die Durchsetzung des Prinzips von gleichen Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort und wollen jedem Versuch des Lohndumpings und des Sozialmissbrauchs in Europa einen Riegel vorschieben."
https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/gabriele-mueller
Ich kann nicht erkennen, dass die CDU in den letzten 20 Jahren die von Ihnen benannten Ziele vertreten und wirksam durchgesetzt hätte. Als Beleg für meine kritische Betrachtung möchte ich diese beiden Zitate anführen:
"4,2 Millionen Menschen arbeiten in Deutschland in Vollzeit zu einem Niedriglohn. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Demnach lagen fast 20 Prozent der sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten im vergangenen Jahr unter der bundesweiten Schwelle für den Niedriglohn von monatlich 2139 Euro brutto. Im Osten waren das im vergangenen Jahr 33,6 Prozent, im Westen 16,7 Prozent. "
"Ein Mann in Deutschland verdiente 2017 durchschnittlich 21 Euro brutto die Stunde. Eine Frau kam im Mittel dagegen immer noch auf einen Bruttostundenlohn von nur 16,59 Euro – 21 Prozent weniger."
Wie werten Sie Frau Müller die Aussagen dieser Zitate?
Hat die CDU bezogen auf Equal-Play und ausreichenden Lohn für alle Arbeitnehmer nicht versagt?
Was wollen Sie machen um einen auskömmlichen Lohn für alle zu erzielen?
Wie definieren Sie einen auskömmlichen Lohn für alle?
Viele Grüße, Thomas Schüller
Sehr geehrter Herr Schüller,
die Soziale Säule der Europäischen Union ist vom Europäischen Parlament vor eineinhalb Jahren auf Betreiben von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker (EVP = Europäische Christdemokraten) am 13. September 2017 proklamiert worden. Sie trägt der Tatsache Rechnung, dass sich die Europäische Union über viele Jahrzehnte vor allem auf die wirtschaftliche Harmonisierung zur Gestaltung des Binnenmarktes konzentriert hat, ein vollendeter Binnenmarkt aber nur funktionieren kann, wenn die Menschen in diesem einheitlichen Wirtschaftsgebiet auch mobil sind. Deswegen bedarf es auch der Harmonisierung der Arbeitnehmerrechte und der sozialen Sicherung.
Zu den ersten Ergebnissen des Aufbaus dieser Sozialen Säule gehört die erneuerte Arbeitnehmer-Entsenderichtlinie, die verhindern soll, dass die unterschiedlichen Lohnniveaus in den verschiedenen Mitgliedsstaaten dazu ausgenutzt werden können, Arbeitnehmer aus den verschiedenen Ländern gegeneinander auszuspielen. Hinzu tritt die Mindestarbeitsbedingungsrichtlinie, die sich noch in der Abstimmung zwischen den Organen der EU befindet. Sie sichert analog der Entsenderichtlinie die Vergleichbarkeit der Arbeitsbedingungen ab. Als dritte im Bunde gibt es (schon länger) die Arbeitszeitrichtlinie, die vergleichbare Höchstarbeitszeiten regelt.
Was nun die Lohnhöhe angeht, bin ich der festen Überzeugung, dass die Festlegung von Löhnen nicht Aufgabe der Politik, sondern die der Tarifpartner ist. Die Lohnhöhe muss an der Produktivität des Arbeitsplatzes bemessen sein und nicht an den Bedürfnissen des Arbeitnehmers, denn wenn Löhne über der Produktivität liegen, werden solche für den Arbeitgeber unrentablen Arbeitsplätze einfach wegfallen. Deswegen wird der deutsche Mindestlohn auch nicht von der Bundesregierung vorgegeben sondern zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern ausgehandelt. Dass Löhne im Einzelfall – je nach Lebensumständen des Arbeitnehmers – nicht auskömmlich sein können, ist unbestreitbar. Hier kommt nun der Staat ins Spiel, der dafür den Ausgleich aus Steuermitteln schaffen muss. Genau das ist gemeint, wenn es in Abschnitt III.4 der Proklamation der sozialen Säule der EU heißt: „Jede Person, die nicht über ausreichende Mittel verfügt, hat in jedem Lebensabschnitt Recht auf angemessene Mindesteinkommensleistungen…“
Mit freundlichen Grüßen
Gabriele Müller