Frage an Gabriele Hiller von Gabriele D. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Dr. Hiller,
Seit 2013 kämpfen Mitarbeiter der Jugendämter um bessere Bedingungen und Mindest-Personalausstattungen insbesondere in den Regionalen Sozialen Diensten.
Auf den massiven Druck hin, haben sich Verantwortungsträger in Bewegung gesetzt und Anfang 2015 einen Maßnahmeplan zu Bewältigung der Probleme (die durch den massiven Stellenabbau ab 2011 geschaffen wurden!) erstellt.
Es muss leider feststellt werden, dass wesentliche Maßnahmen (die beschlossene Fallzahlbegrenzung, mehr Gehalt, mehr Personal für Mindestqualität) immer noch nicht umgesetzt sind und die Arbeitssituation weiterhin hoch prekär ist.
Stellenzuwächse die jetzt für die Zunahme der Bevölkerung (wachsende Stadt) erfolgen, lösen keineswegs die o.g. Probleme! Es kommen stattdessen neue Probleme hinzu:
- neue Stellen können inzwischen, wegen Fachkräftemangel nicht besetzt werden
- neue Kollegen_innen bleiben nicht.
Die Sozialarbeiter haben Verantwortung für das Leben vieler Kinder. Die Arbeit im Jugendamt erfordert sehr viel Fachwissen, persönliche Stärke, professionelle Distanz und psychische Belastbarkeit. Sozialarbeiter*innen und Erzieher*innen in der Kinder- und Jugendhilfe erleben täglich die Schicksale von Menschen, die hinter den „offiziellen Statistiken“ stehen; sehen die Folgen von Vernachlässigungen, Gewalt,Traumatisierungen, Obdachlosigkeit und Flucht, und erleben die seelischen Probleme dieser Kinder und Jugendlichen, die mit mit Arbeitslosigkeit, Sucht, psychischen Erkrankungen, finanzieller Not und anderen Problemen ihrer Eltern zu tun haben.
Ein Kernsatz des Kinderschutzes lautet: „Die staatliche Gemeinschaft wacht über das Wohl der Kinder.“ Dieser Auftrag – also das Wächteramt, den die Jugendämter zu gewähren haben – kann unter den gegebenen Bedingungen nicht mehr erfüllt werden!
Werden Sie und Ihre Partei etwas tun um diesen Zustand zu ändern und wenn ja, was genau wird das sein?
Vielen Dank für Ihre Antwort
Sehr geehrte Frau G. D.,
vielen Dank für Ihre Frage, sie zeugt von Ihrem hohen Engagement in in der Jugendarbeit.Danke auch dafür! - Auch wenn es schon eine Weile her ist, dass ich Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses in Hellersdorf und später Marzahn war, so kann ich mich doch erinnern, dass der Kampf um die Personalausstattung uns bereits Ende der 90er Jahre in unseren beiden Bezirken bewegt hat und ich meine, dass die Lücken in der Ausstattung eher größer geworden sind.
Die Probleme der Regionalen Sozialen Dienste in den Berliner Bezirken sind mir auch in der Gegenwart gut bekannt. Die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die dauerhaft in staatliche Fürsorge kommen, steigt weiter an. In den letzten Jahren stieg der Anteil der Kinder bundesweit um 43 Prozent. Die Kosten der Hilfen zur Erziehung steigen auch in den Berliner Bezirken aufgrund steigender Fallzahlen weiter an. So ist in Lichtenberg die Zahl der Fälle auf über 1700 Vorgänge gestiegen. In Marzahn-Hellersdorf wurde z.B. im Jahr 2014 das eingeplante Budget für die Hilfen zur Erziehung um 7,7 Mio. Euro überschritten. Diese Tendenz setzte sich bis ins jetzige Haushaltsjahr 2016 fort. Die steigenden Fallzahlen haben nun im Konzept des Senates Berlin zur „wachsenden Stadt“ zu neuen Stellen in den Regionalen Sozialen Diensten geführt. Allerdings wurde mit dem geplanten „VzÄ-Konzept“ des SPD-CDU Senates eine Personalkürzung von über 1.547 Vollzeitstellen in den Berliner Bezirken bis zum Jahre 2016 abverlangt. Die Hauptlast trugen dabei die Bezirke Treptow-Köpenick, Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Friedrichshain-Kreuzberg mit 1.120 Stellen. Es sind genau die Bezirke, in denen die Hilfen zur Erziehung akut steigen, und in denen ein hoher Bedarf an Personal in den bezirklichen Jugendämtern und im RSD vorhanden ist. In Berlin ist der Kinderschutz nur noch bedingt gewährleistet.
Die Linke hat daher im Berliner Abgeordnetenhaus – "Wo bleibt der Kinderschutz?"- eine Reihe von Anfragen und Anträgen und zusätzlich im Rat der Bürgermeister Anträge dazu gestellt. In der Bezirksverordnetenversammlung Marzahn-Hellersdorf hat sich die Linksfraktion immer gegen das geplante „VzÄ-Konzept“ gestellt. In allen Antworten zu der Frage wie die Berliner Bezirke und die „Regionalen Sozialpädagogischen Dienste“ mit der unterbesetzten Personalausstattung umgehen sollen, verweist der Senat auf das Projekt „Personalausstattung eines sozialräumliches organisierte Berliner Jugendamt“ aus dem Jahre 2009, ein Projekt welches vor der Umsetzung des „VzÄ-Konzeptes“ entwickelt wurde.
Die Linke setzt sich im Land Berlin dafür ein dass der Jugendschutz wieder mit dem angemessenen Personal und einer neu zu entwickelnden Kostenerstattung für die Ausgaben der Hilfe zur Erziehung ausgestattet wird. Ein solches Haushaltsmodell muss durch die Einbeziehung der bezirklichen Jugendämter, der Haushalts- und Personalämter sowie der Personalräte und Gewerkschaften erfolgen.
Sehr geehrte Frau D., ich weiß, dass dieser Kampf um eine bessere Personalausstattung nicht im Selbstlauf gewonnen wird. Aber die Linke wird, aus welcher Position heraus auch immer, an diesem Thema dran bleiben. Die Erwartungen an jede neue Regierung bezogen auf die Personalausstattung im Bildungs-und Jugendbereich sowie bei der Polizei sind enorm. Wir werden klug und überzeugend agieren müssen, um die Jugendarbeit in den Bezirken zu stärken. Sie haben mich dabei an Ihrer Seite.
Bleiben Sie engagiert und zuversichtlich,
mit vielen Grüßen
Dr. Gabriele Hiller