Frage an Gabriele Hiller-Ohm von Reinhard O. bezüglich Soziale Sicherung
Hallo Frau Hiller-Ohm,
Das Ergebnis kurz vorweg:
Findet ein (zwischen 20 und 26 Jahren) nach Beendigung der Schulausbildung keine Lehrstelle und meldet sich bei der Agentur für Arbeit als „ausbildungsplatzsuchend“ , erhalten die Eltern weiterhin Kindergeld ( § 32 Abs. 4 Nr. 2c EstG ). So weit so gut.
Will dieses nicht zuhause „herumhängen“, sondern entscheidet sich für ein berufsvorbereitendes soziales Jahr (BSJ), entfällt der Kindergeldanspruch.
Nach § 32 Abs. 4 Nr. 2d wird Kindergeld nur für das freiwillige soziale Jahr oder das freiwillige ökologische Jahr gewährt. Neuerdings auch für Aupairdienst im Ausland.
Meine Tochter, die ihren Dienst in der Behinderbetreuung der Marli -Werkstätten versieht, erhält somit kein Kindergeld. Jemand der am Dummersdorfer Ufer die Fauna und Flora beobachtet bekommt Kindergeld.
Man sollte doch die jungen Menschen, die sich hier engagieren, nicht noch dadurch bestrafen und ihnen das Kindergeld streichen. Dann doch lieber zuhause sitzen, Kindergeld kassieren und vielleicht einen 400 € - Job annehmen? Ich weiß nicht so recht.
Es gibt zwar die Ausnahme, dass im BSJ Kindergeld gezahlt wird, wenn der junge Mensch sich schriftlich bereiterklärt, einen sozialen Beruf anstreben zu wollen. Dieses ist dann durch Bewerbungen u.a. nachzuweisen. Man kommt sich dabei als Mensch 2. Klasse vor und hat ein schlechtes Gewissen, wenn man sich auf Ausbildungsplätze außerhalb des sozialen Bereiches bewirbt. Außerdem ist bei Verlängerung des Jahres dann auch Schluss.
Jemand der ein freiwilliges soziales (oder ökologische Jahr) ableistet, muss sich auch nicht rechtfertigen und schriftlich verpflichten eine bestimmte Berufsrichtung einschlagen zu wollen.
Da dieses Problem gerade in Ihrem Wahlkreis häufiger auftritt – hier gibt es ja mit den Marli -Werkstätten und den Vorwerker Heimen zwei große Behinderteneinrichtungen die BSJler beschäftigen – bitte ich Sie, sich hier einmal zu kümmern.
Vielen Dank, dass Sie diese Mail gelesen haben
Sehr geehrter Herr Otte,
wie Sie richtig schreiben, ist das berufsvorbereitende soziale Jahr (BSJ) steuerrechtlich nicht mit dem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) und dem Freiwilligen Ökologischen Jahr (FÖJ) gleichgestellt. Laut Einkommensteuergesetz (§ 32 Abs. 4 Nr. 2c EstG) und Bundeskindergeldgesetz (§ 2 BKGG) besteht bei der Absolvierung eines FSJ oder FÖJ ein Anspruch auf Kindergeld und Kinderfreibeträge. Das BSJ ist darin nicht enthalten. Tatsächlich wirkt diese Ungleichbehandlung auf den ersten Blick inkonsequent.
Allerdings ist die unterschiedliche steuerrechtliche Behandlung begründet. FSJ und FÖJ sind rechtlich ähnlich gestellt wie Zeiten der Berufsausbildung, da innerhalb des Freiwilligendienstes eine pädagogische Ausbildung erfolgt, in der Regel durch 25 zu absolvierende Seminartage. Das BSJ ist zwar wie das FSJ ein sozialer Dienst, verfügt aber nicht über ein schulisches Ausbildungsangebot und kann nur als ungeregelter Freiwilligendienst bei der Lebenshilfe geleistet werden, die bundesweit Niederlassungen hat. Dies ist auch bei den Marli-Werkstätten und den Vorwerker Heimen in Lübeck der Fall. Das BSJ wird aus diesem Grund keiner Ausbildung gleichgestellt.
Die Bezahlung des BSJ bei der Trägerschaft Lebenshilfe liegt bei 400 Euro, beim FSJ gibt es ein Taschengeld in Höhe von 180 Euro (FÖJ: 150 Euro) sowie einen Zuschuss für Unterkunft und Verpflegung in Höhe von 170 Euro (FÖJ: 190 Euro). Insofern ist zumindest teilweise der Verlust des Kindergeldes kompensiert.
Ich stimme Ihnen aber zu, dass soziales Engagement gefördert statt gebremst werden sollte. Es ist erfreulich und ungemein wichtig, dass viele Jugendliche wie Ihre Tochter den Freiwilligendienst der Lebenshilfe in der Behindertenhilfe leisten. Deshalb halte ich wie Sie eine steuerrechtliche Schlechterstellung des BSJ politisch für diskussionswürdig. Ich werde Ihr Anliegen deshalb auch an meine Fachkollegen in der SPD-Fraktion richten und prüfen lassen, unter welchen Voraussetzungen eine gleichwertige Anerkennung des BSJ gegenüber FSJ und FÖJ möglich wäre.
Mit freundlichen Grüßen
Gabriele Hiller-Ohm