Gabriele Hiller-Ohm
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Frage von Barbara Q. •

Frage an Gabriele Hiller-Ohm von Barbara Q. bezüglich Familie

Liebe Gabi,

aus aktuellem Anlass hinsichtlich der Rentenerhöhung möchte ich einiges anbringen:
Warum scheitert jedes Mal die Forderung, dass kinderlose Paare mehr bezahlen sollen, sei es über Steuern oder Sozialabgaben? Bisher sind solche Forderungen abgeschmettert worden mit dem Argument, dass Kinderlose nicht bestraft werden dürften.
Ich finde jedoch, dass so, wie es jetzt praktiziert wird, die bestraft werden, die Kinder in die Welt setzen, trotz Erhöhung des Kindergeldes. Denn für einige Jahre kann in einer Beziehung mit Kindern nur einer arbeiten, oder es muss für Krippe oder Kindergarten eine Menge Geld ausgegeben werden. Dies bringt schon einen Rentenausfall.
Demgegenüber haben kinderlose Paare von Anfang an zwei Einkommen, also auch mehr Rente im Alter. Nach dem jetzigen Rentenmodell bezahlen aber die Nachkommen für die Rentner. Das ist im höchsten Maße ungerecht. Deshalb ist es jetzt so weit gekommen, dass zukünftige Generationen so hoch belastet sind. Und deshalb wird es dazu kommen, dass das Rentenalter weiter steigen wird, weil es anders einfach nicht mehr geht.
Ich meine, es muss grundsätzlich so sein, dass kinderlose Paare auf jeden Fall mehr Rentenversicherungsbeiträge bezahlen müssen, damit die Last, alte Menschen zu versorgen, nicht allein an denen liegt, die Kinder in die Welt setzen, sie versorgen, für ihre Ausbildung sorgen usw.
Warum also scheitern alle Versuche, daran etwas zu ändern, und warum verfolgt man nicht hartnäckiger, überzeugter und überzeugender diese Linie?
Ich verstehe es nicht. Bitte erkläre es mir.

Mit freundlichen Grüßen

Barbara Quirder

Gabriele Hiller-Ohm
Antwort von
SPD

Liebe Barbara,

wie Du sicherlich weißt, gibt es bereits eine Komponente in der Rentenversicherung, die auch die Erziehung von Kindern würdigt: Die Anrechnung von Erziehungszeiten bei der Rentenberechnung, die in den letzten Jahren weiter ausgebaut worden ist. Hier könnte man noch mehr tun.

Die von Dir geforderte Einführung unterschiedlicher Einzahlungspflichten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit und ohne Kinder in die Rentenkasse wirft hingegen viele Fragen auf und ist in unserem Rentensystem auch systematisch schwer unterzubringen.

Unser solidarisches Rentensystem ist so aufgebaut, dass die derzeitigen Beitragszahler die gegenwärtigen Rentenbezieher finanzieren. Das heißt, ein Senken des Beitragssatzes für aktuell Kinder erziehende Menschen würde den heutigen Rentnern fehlen, unabhängig davon, ob sie selbst Kinder groß gezogen haben oder nicht.

Würden wir die gegenwärtigen Rentenbeiträge (19,9%) für Kinderlose erhöhen, so würde sich das negativ auf die Lohnnebenkosten und die Schaffung von Arbeitsplätzen auswirken. Ziel unserer Politik ist es, die so genannten Lohnnebenkosten, zu denen auch die Rentenversicherungsbeiträge zählen, zu senken, um einen Anreiz zur Schaffung von mehr Beschäftigungsplätzen zu geben.

Hinzu kommt, dass das „Äquivalenzprinzip“ in der gesetzlichen Rentenversicherung bedeutet, dass jemand, der mehr in die Rentenkasse einzahlt auch mehr herausbekommt. Aus dieser Perspektive müssten höhere Beitragszahlungen kinderloser Beschäftigter auch höhere Renten nach sich ziehen, wollte man dieses Prinzip nicht durchbrechen.

Zu bedenken ist auch, dass kinderlose Arbeitnehmer bereits heute mehr Pflegeversicherungsbeiträge (0,25% mehr) zahlen - was allerdings ebenfalls systematisch schwierig ist - , sie finanzieren in der gesetzlichen Krankenversicherung die Beitragsbefreiung von Kindern mit und finanzieren über ihre Steuern weitere Leistungen für Kinder mit (Kindergeld, Kinderzuschlag, Kosten von Kinderbetreuung etc.)

Der finanzielle Aufwand für die soziale Infrastruktur von Familien, der von allen Bürgerinnen und Bürgern aufgebracht wird, ist nicht gering. Im gerade erschienenen Bericht zur „Zukunft der Familie“ des Familienministeriums heißt es:

„Die Bestandsaufnahme umfasst für 2006 insgesamt 153 Leistungen im Umfang von etwa 189 Mrd. Euro. Davon sind mit einem Volumen von 77 Mrd. Euro acht ehebezogene Maßnahmen, die empirisch eine hohe Relevanz für Familien haben oder bei deren Einführung stark familienpolitisch argumentiert wurde.

Es bleiben 112 Mrd. Euro familienbezogene Leistungen und Maßnahmen, die wie folgt zu unterteilen sind: Rund 49 Mrd. Euro waren 2006 dem Familienlastenausgleich, also dem Ausgleich der besonderen Belastungen von Eltern wegen ihrer Kinder, zugeordnet. Darunter fallen Kinderfreibeträge vom Einkommen und Steuerfreistellung des Existenzminimums von Kindern oder die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern in der Sozialversicherung. Rund 18 Mrd. Euro dienten in 2006 der Grundsicherung, dem Alimentationsprinzip und der Jugendhilfe als Wächteramt. Weitere 45 Mrd. Euro standen der Familienförderung im engeren Sinne zur Verfügung; (der Förderanteil des Kindergeldes, Kinderzuschlag). Ausmaß und Ausgestaltung dieser Familienförderung stehen weitgehend im Ermessensspielraum des Gesetzgebers.“

Es bleibt natürlich die Frage, ob das Geld immer zielgerichtet eingesetzt wird und an welchen Stellen vielleicht auch umgesteuert werden muss. So bin ich persönlich auch dafür statt eines „Ehegattensplittings“ eine höhere steuerliche Förderung von Kindern einzuführen. Auch im Hinblick auf die viel zu hohe Kinderarmut in Deutschland müssen finanzielle Mittel besser bei den Kindern ankommen.

Insofern gibt es sicherlich eine Menge zu tun im familien- und kinderpolitischen Bereich, für eine Ausgestaltung der Rentenversicherung in dem von Dir vorgeschlagenen Sinne sehe ich hingegen keine Realisierungsmöglichkeit.