Frage an Gabriele Hiller-Ohm von Sabrina G. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Hiller-Ohm,
am Donnerstag will die Bundesregierung ein Gesetz beschließen, wonach ´auch bestimmte sexuelle Annäherungen zwischen Jugendlichen verboten werden´
Nach meinem Kenntnisstand hieße das, das aufgrund einer sehr unpräzisen Formulierung zukünftig jegliche sexuelle Handlungen zwischen Jugendlichen potenziell strafbar sind, sobald sich jemand findet, der ´es´ zur Anzeige bringt.
Ich finde, dass dieser Gesetzentwurf, ähnlich dem berüchtigten ´Hackerparagraphen´ wieder einmal eine - dieses mal sehr große Bevölkerungsgruppe - in ein juristisches Minenfeld stößt, in dem eigentlich völlig normale Handlungen plötzlich möglicherweise strafbar sind.
Auch die Argumentation der Frau Zypries, dass dieses Gesetz primär zum Schutz vor Kinderprostitution diene, ist mir bekannt, aber aufgrund der weit gefassten Formulierung - unter anderen, dass es für den ´Täter´ keine Altersbeschränkung mehr gibt - nicht nachvollziehbar.
Auch das Argument ´Vorgabe der EU´ wurde in letzter Zeit so oft vorgebracht, dass ich mich, wie viele andere auch, frage, wozu wir überhaupt einen Bundestag zur Umsetzung dieser Beschlüsse brauchen, wenn dieser doch nur mehr oder weniger alles durchwinkt, was den Stempel ´EU-Vorgabe´ trägt.
Mich würde interessieren, was Sie von diesem Entwurf und der zunehmenden Degradierung der Parlamentarier halten.
Mit freundlichen Grüßen
G.
Sehr geehrte Frau Gerhard,
die für diese Woche geplante Verabschiedung der diesbezüglichen Gesetzesnovelle ist von der Tagesordnung genommen wurden und wird nun erst nach einer Überprüfung auf missverständliche Formulierungen erneut vorgelegt und beraten werden.
Jedoch wurden auch in der bisherigen Form des Gesetzesentwurfes nicht, wie irrtümlich häufig in der Presse verbreitet, jegliche sexuellen Handlungen zwischen Jugendlichen unter Strafe gestellt. Dies hat auch Bundesjustizministerin Brigitte Zypries in einer Presseerklärung vom 10. Dezember 2007 noch einmal klar gestellt, dass einvernehmliche sexuelle Kontakte zwischen Jugendlichen nicht kriminalisiert werden – auch wenn dem möglicherweise der in Presse häufig genannte geschenkte Kinobesuch vorausgeht.
Hintergrund der Überarbeitung des Sexualstrafrechts ist tatsächlich die Umsetzung eines EU-Rahmenbeschluss aus dem Jahr 2003, der zum Ziel hat, Kinder und Jugendliche vor Prostitution zu schützen. Daher soll die Vornahme sexueller Handlungen mit einem Kind, also mit einer Person unter 18 Jahren, unter Strafe gestellt werden, wenn dafür Geld oder sonstige Gegenleistungen geboten werden. Bislang wurde eine Person über 18 Jahren bestraft, wenn sie an einer Person unter 16 Jahren sexuelle Handlungen vorgenommen und dafür bezahlt hat. Künftig wird das Schutzalter für Opfer von 16 auf 18 Jahre angehoben. Gleichzeitig soll der Täterkreis auch auf Personen unter 18 Jahren ausgedehnt werden.
Weitere diesbezügliche Informationen und Inhalte des Gesetzesentwurfes können Sie der Presseerklärung des Bundesjustizministeriums ( http://www.bmj.bund.de/enid/0,0/Pressestelle/Pressemitteilungen_58.html?druck=1&pmc_id=4851 ) entnehmen.
Richtlinien der Europäischen Union „degradieren“ den Deutschen Bundestag keineswegs, da diese einerseits unter Beteiligung der deutschen Bundesregierung – die ihrerseits erst durch den Bundestag legitimiert wird – beschlossen werden und der Bundestag andererseits bei der Umsetzung der Richtlinien in nationales Recht einen gewissen Spielraum besitzt.
Darüber hinaus dienen EU-Richtlinien der, für den Bürger grundsätzlich positiven, Rechtsharmonisierung sowie der Mindeststandardschaffung innerhalb der Mitgliedsstaaten.
Mit freundlichen Grüßen
Gabriele Hiller-Ohm