Frage an Gabriele Hiller-Ohm von Thomas S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Guten Tag Frau Hiller-Ohm,
ich danke Ihnen für Ihre Antwort, mit der Sie auf meine Fragestellung betreffs evtl. Neuauflage einer großen Koalition reagieren. Leider gehen Sie nicht auf meine Fragen 1.-3. ein, sondern berichten über den Werdegang der Sondierung. Danach hatte ich nicht gefragt und die von Ihnen diesbezüglich gelieferten Informationen waren mir zum Zeitpunkt Ihrer Antwort bekannt. Ich bitte Sie nachträglich die benannten Fragen beantworten.
Ich zitiere aus Ihrer Antwort:
"Der SPD-Parteivorsitzende Martin Schulz hatte mehrfach betont, dass es viele Möglichkeiten zwischen einer erneuten Großen Koalition und Neuwahlen gibt, zum Beispiel mit der Variante einer sogenannten "Kooperierenden Koalition". (...) Bislang hat sich die Union allerdings einem solchen Modell verschlossen. Auch für die Idee einer Minderheitsregierung fehlt es CDU/CSU offenbar an gestalterischer Kraft und dem Willen "mehr Demokratie zu wagen". Leider liegt es nicht in der Hand der SPD, eine dieser Möglichkeiten gegen den Willen der Union durchzusetzen."
https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/gabriele-hiller-ohm/question/2017-12-19/295567
Wenn es viele Möglichkeiten zwischen einer neuen Großen Koalition und Neuwahlen gibt, die Union aber diese bis auf die großen Koalition ablehnt, warum lässt sich die SPD diese Kompromisslosigkeit der Union gefallen?
Warum lässt es die SPD nicht auf Neuwahlen ankommen?
Warum schließt die SPD eine Neuauflage der GroKo nicht aus, wo es CDU/CSU offenbar an gestalterischer Kraft und dem Willen fehlt "mehr Demokratie zu wagen"?
Feht der SPD nicht selber die gestalterische Kraft und der Willen zu mehr Demokratie, wenn sie eine GroKo unter solchen Vorraussetzungen nicht ablehnt, auch im Hinblick, dass ihre Vorstellungen zur Erhöhung des Spitzensteuersatzes, Bürgerversicherung und dem Familienzuzug anerkannter Flüchtlinge mit der Union nicht durchsetzbar erscheinen?
Viele Grüße, T. S.
Sehr geehrter Herr S.,
vielen Dank für Ihre Nachfragen, auf die ich Ihnen gerne antworte und dabei um Verständnis bitte, dass ich erst jetzt dazu gekommen bin.
Sie fragen mich, warum es die SPD nicht auf Neuwahlen ankommen lässt? Ich bin wie meine Partei der grundsätzlichen Auffassung, Wahlergebnisse in höchstem Maß zu respektieren und es damit eben nicht vorsätzlich auf Neuwahlen ankommen zu lassen. Bei der Bundestagswahl 2017 hat sich im Wahlergebnis der Wille von rund 46,5 Millionen Wählerinnen und Wählern wiedergespiegelt. Diesen haben wir sehr ernst genommen und aufgrund von deutlichen Stimmenverlusten für die SPD den Gang in die Opposition als Konsequenz daraus gesehen. Diese Entscheidung musste die SPD angesichts des Scheiterns der Sondierungen von CDU, CSU, FDP und Grünen im November 2017 und der Intervention des Bundespräsidenten für eine Regierungsbildung gründlich überdenken, eben auch aus Respekt vor den Wählerinnen und Wählern.
Ich hatte Ihnen geschrieben, dass es aus meiner Sicht CDU und CSU an gestalterischer Kraft für eine Minderheitsregierung fehlen würde. Das hat sich in den ergebnisoffenen Sondierungsgesprächen bestätigt, bei denen die SPD-Führung der CDU und CSU mit Nachdruck „auf den Zahn gefühlt“ hat, sich anderen Regierungsoptionen zu öffnen. Mögliche politische Optionen wie eine tolerierte Minderheitsregierung von CDU/CSU oder eine Kooperations-Koalition von SPD und Union mit festen Absprachen in einigen Politikfeldern und der Suche nach Mehrheiten im Parlament bei anderen strittigen Themen, haben CDU und CSU vehement ausgeschlossen. Als SPD haben wir daraufhin auf unserem letzten Bundesparteitag beschlossen, in Koalitionsverhandlungen einzutreten, um unsere gestalterische Kraft dafür einzubringen, das Leben vieler Mitbürgerinnen und Mitbürger an vielen Stellen konkret zu verbessern.
Dabei ist es der SPD aus meiner Sicht gelungen, dem nun vorliegenden Koalitionsvertrag eine deutliche sozialdemokratische Handschrift zu geben. Gerade im Bereich der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik haben wir mit der Einschränkung der sachgrundlosen Befristung, einer Grundrente über Hartz-IV-Niveau und einem sozialen Arbeitsmarkt für Langzeitarbeitslose eine Menge Verbesserungen erreichen können. Das gilt auch für die von uns im Koalitionsvertrag durchgesetzte deutschlandweite Bildungsoffensive durch besser ausgestattete Schulen, die auch Schritt halten können mit der Digitalisierung. Aber auch in der Gesundheitspolitik haben wir Fortschritte durchgesetzt, wie die Angleichung der Beitragshöhe von Arbeitgebern und Arbeitnehmern bei der gesetzlichen Krankenversicherung.
Ich finde es gut, dass wir als Partei gemeinsam unseren weiteren Weg in allen Gliederungen – sicher auch in Ihrer Region – intensiv diskutieren und am Ende unsere Mitglieder nach Abwägung aller Argumente die Entscheidung treffen, ob wir uns an einer Regierung beteiligen.
Mit freundlichen Grüßen
Gabriele Hiller-Ohm