Frage an Gabriele Hiller-Ohm von Mark L. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Fr. Hiller Ohm
Es geht um die Pläne der Diakonie zur Absenkung der Löhne in der Altenpflege. Dies ist ein Schlag ins Gesicht sämtlicher Pflegekräfte. Ausserdem scheint es Pläne zu geben gerade in Schleswig Holstein die Löhne noch weiter zu senken als im Rest der Republik. Haben Sie davon schon gehört? Was gedenken Sie in der Sache zu tun?
Mit freundlichen Grüßen
Sabine und Mark Laveatz
Sehr geehrte Frau Laveatz,
sehr geehrter Herr Laveatz,
vielen Dank für ihre Anfrage zur Diakonie, die ich Ihnen gerne beantworte. Hierfür möchte ich zunächst auf das besondere Arbeitsrecht der Kirchen, den sogenannten „Dritten Weg“ eingehen, da die Diakonie Deutschland diesem Arbeitsrecht unterliegt.
Beim „Dritten Weg“ sind staatliche Eingriffe in das Arbeitsrecht nicht vorgesehen, auch gibt es weder Tarifverhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern, noch das Recht auf Streik. Damit ist es ähnlich dem Beamtentum, mit dem der „Erste Weg“ bezeichnet wird, und das ebenso weder Streikrecht noch Mitbestimmung kennt. Als "Zweiten Weg" dagegen, bezeichnet man die klassischen Tarifverhandlungen in der freien Wirtschaft.
Historisch beruht das Recht des „Dritten Weges“ auf den Erfahrungen der Kirche im Nationalsozialismus und der DDR. In beiden Systemen wurde massiv in kirchliche Belange eingegriffen und Druck ausgeübt. Die Kirchen haben daher schon in der Gründungsphase der Bundesrepublik darauf bestanden, das ihnen ein grundsätzliches Recht auf Selbstorganisation in Abgrenzung zum Staat eingeräumt wird ̶ dieses Recht umfasst auch den Bereich des Arbeitsrechts.
Und es gibt noch einen weiteren Grund für den „Dritten Weg“, nämlich die Auffassung, dass Arbeit im kirchlichen und karitativen Dienst eine religiöse Dimension hat. Hier haben sowohl die Kirche als auch die für die Kirche tätigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen religiösen Auftrag, dem sie sich als Dienstgemeinschaft gemeinsam verpflichtet fühlen sollen. Ein Interessenausgleich sollte somit auf christlicher Basis möglich sein.
Nichtsdestotrotz werden die Kirchen von den Gewerkschaften für ihr besonderes Arbeitsrecht kritisiert und haben im Falle von Verdi bereits vor dem Bundesarbeitsgericht 2012 und dem Bundesverfassungsgericht 2015 geklagt. Beide Klagen wurden abgewiesen. Jedoch hat das Bundesarbeitsgericht den Kirchen die Auflage erteilt, dass sie sich an ausgehandelte Verträge auch wirklich halten müssen und keine Umgehungsmöglichkeiten suchen dürfen. Darüber hinaus müssen sie die Gewerkschaften beteiligen und eine unabhängige Schlichtung einrichten.
So haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in kirchlichen Einrichtungen durchaus Mitbestimmungsrechte, die sich auch auf Tarife beziehen. Tarifverhandlungen werden dort von paritätisch besetzten unabhängigen Kommissionen aus Dienstgebern und Dienstnehmern ausgehandelt, die sich Arbeitsrechtliche Kommissionen nennen.
Dies ist derzeit auch bei den von Ihnen aufgeführten Löhnen in der Altenpflege in Schleswig-Holstein der Fall. Nach Auskunft der Diakonie Deutschland und der Diakonie Schleswig-Holstein sind keine Lohnkürzungen für Altenpflegerinnen und Altenpfleger vorgesehen. Stattdessen befinden sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Arbeitsrechtlichen Kommission gerade (Juni 2016) in tariflichen Verhandlungen, wobei das Gremium der Dienstnehmerseite aus Vertretern von Gewerkschaften, Mitarbeiterverbänden sowie den Gesamtausschüssen der Mitarbeitervertretungen zusammengesetzt ist. Anträge der Dienstgeberseite haben erst eine Chance, wenn zwei Drittel der Dienstnehmerseite zustimmen. Das ist eine sehr hohe Hürde, die sicherstellt, dass die Interessen der Dienstnehmenden auch gut vertreten werden.
Mit freundlichen Grüßen
Gabriele Hiller-Ohm