Frage an Gabriele Hiller-Ohm von Heiner K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Hiller-Ohm,
leider habe ich den Eindruck, dass Sie Fragen von mir nicht beantworten. Ich erlaube mir dennoch, meine Fragen zur Frauenquote erneut zu stellen, da m. W. am Freitag der Bundestag über diesen Gesetzentwurf abstimmt und die Stellungnahmen der beauftragten Ausschüsse vorliegen sollten.
Gerne will ich meine auch meine Fragen präzisieren:
Der Gesetzentwurf für eine feste Frauenquote wird begründet wird mit dem Gleichheitsgrundsatz nach GG Art. 3 Abs. 2 Satz 1, der Anzahl der Hochschulabsolventinnen und der Handlungsaufforderung zu gleichberechtigter Teilhabe nach GG Art. 3 Abs. 2 Satz 2.
Die Fragen:
Was bedeutet die aktuelle Anzahl von Studienabsolventinnen für die Besetzung von Aufsichtsräten, für die m. E. mind. 25-30 Jahre Berufserfahrung erforderlich sind?
In GG Art. 3 Abs. 2 Satz 2 ist von gleichberechtigter Teilhabe keine Rede. Wie kommt man zu dieser Interpretation?
Warum wird angenommen, dass die geringe Frauenquote in Aufsichtsräten auf Diskriminierung wegen des Geschlechts beruht?
Verstößt der Gesetzentwurf gegen das AGG, da männliche Bewerber bei der Bewerbung wegen des Geschlechts benachteiligt werden?
Halten Sie den geschlechtlichen Proporz für einen Ausdruck von gesellschaftlicher Gerechtigkeit?
Die Veränderung der Gesetzentwurfes besagt, das eine Förderung für Männer im ÖD nur bei struktureller Benachteiligung erfolgt. Halten Sie es für gerecht, dass bei Frauen eine statistische Unterrepräsentation für eine Förderung ausreicht?
Mit ausdrücklicher Bitte um Antwort:
In Drucksache 12/6000 (Bericht der Verfassungskommission) zur Einfügung des Satzes 2 in GG Art. 3 Abs. 2 steht auf S. 50 links/mitte "Es bestand Übereinstimmung darüber, daß diese Bestimmung eine Frauenförderung in Gestalt sog. starrer Quoten nicht gestattet."
Damit ist der o.g. Gesetzentwurf nach meinem Verständnis nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Wird dies Ihre Abstimmung beeinflussen?
Dank für eine Antwort
Sehr geehrter Herr Köhne,
Ihre Fragen zum Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst beantworte ich gerne:
Ihre Frage: Was bedeutet die aktuelle Anzahl von Studienabsolventinnen für die Besetzung von Aufsichtsräten, für die m. E. mind. 25-30 Jahre Berufserfahrung erforderlich sind?
Antwort: Laut Angaben des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) betrug der Anteil von Frauen in den Aufsichtsräten der 200 größten Unternehmen in Deutschland Ende 2014 18,4 Prozent. In den Vorständen dieser Unternehmen sind nur 5,4 Prozent Frauen. Der Anteil von Frauen an Führungspositionen im Bundesdienst lag bei 30 Prozent.
Die Zahl qualifizierter Frauen in Deutschland hat in den vergangenen Jahren stetig zugenommen - noch nie waren so viele Frauen so gut ausgebildet wie heute. Die Mehrheit der Hochschulabsolventen und -absolventinnen ist heute weiblich. Es ist daher gesellschaftspolitisch nicht zu erklären, dass Frauen, die über 50 Prozent der Bevölkerung in Deutschland ausmachen, nach einer gut abgeschlossenen Ausbildung nur zu einem sehr geringen Teil in den Führungspositionen der deutschen Wirtschaft vertreten sind. Vor diesem Hintergrund besteht dringender politischer Handlungsbedarf, um den verfassungsrechtlichen Auftrag gemäß Artikel 3, Absatz 2 des Grundgesetzes zu erfüllen, der besagt, dass der Staat die Aufgabe hat, die Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken.
Was die 25-30 jährige Berufserfahrung anbelangt, die Sie in Ihrer Frage anführen: Da Frauen auch vor 25-30 Jahren, also 1985-1990, schon studiert haben und die Universitäten mit qualifizierten Abschlüssen verlassen haben, gibt es auch Frauen, die über die von Ihnen geforderte Berufserfahrung verfügen.
Ihre Frage: „In GG Art. 3 Abs. 2 Satz 2 ist von gleichberechtigter Teilhabe keine Rede. Wie kommt man zu dieser Interpretation?“
Antwort: Art. 3 Abs. 2, Grundgesetz lautet: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“
Mit diesem Satz ist der Bund in der Verpflichtung, dasjenige Geschlecht zu fördern, das „benachteiligt“ ist. Zudem erlaubt die Charta der Grundrechte der Europäischen Union in Artikel 23 Absatz 2 ausdrücklich begünstigende Maßnahmen für das „unterrepräsentierte Geschlecht“.
Mehrere Gutachten haben die Verfassungsmäßigkeit des GG Art. 3 Abs. 2 Satz 2 bestätigt.
Ihre Frage: „Warum wird angenommen, dass die geringe Frauenquote in Aufsichtsräten auf Diskriminierung wegen des Geschlechts beruht?“
Antwort: Es gibt keine Untersuchung, die belegt, dass Frauen nicht in Aufsichtsräten arbeiten wollen oder dass Frauen keine Führungspositionen übernehmen wollen. Selbstverständlich wollen auch Frauen in Führungspositionen Verantwortung übernehmen und dafür sollten sie auch die Chance erhalten.
Ihre Frage: „Verstößt der Gesetzentwurf gegen das AGG, da männliche Bewerber bei der Bewerbung wegen des Geschlechts benachteiligt werden?“
Antwort: Nein, männliche Bewerber werden nicht benachteiligt. Es gibt keinen gesetzlichen Anspruch auf eine Mitgliedschaft in einem Aufsichtsrat, insofern kann niemand sagen, dass er oder sie durch eine Quotierung in seinem Recht Mitglied eines Aufsichtsrates zu sein, eingeschränkt sei, denn dieses Recht existiert nicht! Ich verweise hier auch auf die Äußerungen von Herrn Prof. Dr. Joachim Wieland L.L.M. von der Deutschen Universität für Verwaltungswirtschaft Speyer, in der Anhörung zum Gesetzesentwurf zur Frauenquote am 23.02.2015 im Deutschen Bundestag, die unter folgendem Link einsehbar ist: http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse18/a13/anhoerungen/anhoerung_inhalt_20150223/359776
Ihre Frage: „Halten Sie den geschlechtlichen Proporz für einen Ausdruck von gesellschaftlicher Gerechtigkeit?“
Antwort: Ich halte geschlechtlichen Proporz derzeit für das geeignete Mittel, Frauen die gleichen Chancen wie Männern einzuräumen.
Ihre Frage: „Die Veränderung der Gesetzentwurfes besagt, dass eine Förderung für Männer im ÖD nur bei struktureller Benachteiligung erfolgt. Halten Sie es für gerecht, dass bei Frauen eine statistische Unterrepräsentation für eine Förderung ausreicht?“
Antwort: Männerförderung soll es nur geben, wenn eine strukturelle Benachteiligung von Männern vorliegt, das ist richtig. Gleiches gilt für Frauen. Wenn Frauen strukturell benachteiligt sind, was sich durch statistische Erhebungen belegen lässt, müssen sie die ihnen zustehende Förderung erhalten.
Ihre Frage: „In Drucksache 12/6000 (Bericht der Verfassungskommission) zur Einfügung des Satzes 2 in GG Art. 3 Abs. 2 steht auf S. 50 links/mitte ‚Es bestand Übereinstimmung darüber, daß diese Bestimmung eine Frauenförderung in Gestalt sog. starrer Quoten nicht gestattet.‘ Damit ist der o.g. Gesetzentwurf nach meinem Verständnis nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.
Antwort: Das von Ihnen genannte Zitat befasst sich mit Frauenförderung im Bereich des Staates, also auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene. Es geht nicht um die Privatwirtschaft. Das genannte Zitat sagt aus: Es kann keine Regelung geben, wonach Frauen in Behörden und Gerichten befördert werden, damit eine starre Quote erfüllt wird, auch wenn Männer besser qualifiziert sind. Das macht der Gesetzentwurf auch nicht.
Der Entwurf des uns jetzt vorliegenden Bundesgleichstellungsgesetzes befasst sich mit der Gleichstellung von Frauen und Männern in Bundesgerichten, Bundesbehörden und Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts des Bundes - nicht mit Frauenförderung in Gestalt starrer Quoten.
Mit freundlichen Grüßen
Gabriele Hiller-Ohm