Gabriele Hiller-Ohm
Gabriele Hiller-Ohm
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Gabriele Hiller-Ohm zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Jürgen B. •

Frage an Gabriele Hiller-Ohm von Jürgen B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Hiller-Ohm,

laut Medienberichten greift der BND (Operation Eikonal) ohne entsprechende rechtliche Grundlagen weit mehr Daten von Bürgerinnen und Bürgern ab, als bisher bekannt (s. http://www.heise.de/newsticker/meldung/NSA-Skandal-BND-greift-taeglich-220-Millionen-Verbindungsdaten-ab-2533630.html).

Dabei wird seitens des BND auch das Parlamentarische Kontrollgremium massiv behindert. Zu allem Überfluss und Ärger haben die Telekommunikationsunternehmen Zugänge für den BND zulassen müssen - auf Geheiß der Bundesregierung.

Beide Vorgänge - die massenhafte, anlasslose Überwachung der Bevölkerung und die Veranlassung der Zugänge für den BND durch die Bundesregierung - sind verfassungswidrig.

Als Bundestagsabgeordnete sind Sie in jedem Fall daran gehalten, die Verfassung zu respektieren und in ihrem Sinn zu handeln.

Ziehen Sie es in Erwägung, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen?
Ziehen Sie es in Erwägung, zuerst für eine Auflösung der jetzigen bundesdeutschen Geheimdienste und in der Folge für eine komplette Neuordnung einzutreten?
Welchen Druck üben Sie auf die Mitglieder der Bundesregierung aus, um die verfassungswidrige Überwachung sofort einzustellen?

Mit freundlichen Grüßen

J.Georg Brandt

Gabriele Hiller-Ohm
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Brandt,

einmal mehr wenden Sie sich über Abgeordnetenwatch mit einer Frage an mich, die ich Ihnen gerne beantworten möchte. Allerdings habe ich unter dem von Ihnen angegebenen Link keinen Artikel zum Thema finden können.
Die von Ihnen benannte „Operation Eikonal“ ist gegenwärtig Gegenstand des Untersuchungsausschusses zur NSA-Affäre. Untersuchungsausschüsse sind in der Regel sehr wirksame, effiziente und aufklärende Instrumente und für die gegenwärtige Situation das beste Mittel. Zuerst müssen wir im parlamentarischen Rahmen versuchen, Aufklärung zu Eikonal und die verschiedenen Rollen der Akteure zu erhalten. Allein deswegen ist es nicht sinnvoll, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen.

Bei Eikonal handelte es sich um ein Projekt zwischen dem Bundesnachrichtendienst (BND) und der US-amerikanischen National Security Agency (NSA). Hierbei wurden Daten der Telefon- und Internetkommunikation abgeleitet, die via Deutschland vom Ausland ins Ausland führten. Auf Grund der äußerst mageren Erkenntnisse wurde das Projekt im Jahr 2008 von Seiten der USA eingestellt. Allerdings wird die Arbeit des BND in diesem Bereich nach Berichten des ehemaligen Bundesdatenschutzbeauftragten Schaar als in einer rechtlichen Grauzone befindlich angesehen. Der Untersuchungsausschuss wird dies nun versuchen zu klären.
Zwischen einem deutschen Telekommunikationsanbieter und dem BND soll es nach Zeugenaussagen zu einem privatrechtlichen Vertrag gekommen sein, um Kommunikationsdaten zu übermitteln. Auch hier wird der Untersuchungsausschuss den Vorgang prüfen.

Darüber hinaus soll es nach verschiedenen Berichten auch ein weiteres Projekt mit dem Namen „GLOTAIC“ gegeben haben. Zur Klärung hat der Untersuchungsausschuss weiteres Aktenmaterial bei der Bundesregierung angefordert. Zeugenbefragungen dazu könnten noch im Februar stattfinden. Für den gesamten Themenkomplex macht das Parlament entsprechend Druck, um die Sachverhalte aufzuklären!

Zur allgemeinen Debatte um die Speicherung und Weitergabe von Daten möchte ich generell vor Aktionismus warnen. Im Zusammenhang mit den Terroranschlägen von Paris wird von vielen Seiten nach schärferen Gesetzen gerufen. Auch die Vorratsdatenspeicherung wird wieder diskutiert.

Für die Arbeit der Großen Koalition gilt der Koalitionsvertrag. Darin haben wir die Umsetzung der europäischen Richtlinie über den Abruf und die Nutzung von Telekommunikationsverbindungsdaten angekündigt. Diese wurde vom Europäischen Gerichtshof jedoch umfassend für nichtig erklärt. Der Koalitionsvertrag sieht ausdrücklich keine nationalen deutschen Alleingänge vor. Ich warne davor nunmehr, so einen deutschen Alleingang reflexartig wieder ins Spiel zu bringen. Der Rahmen für eine solche neue Regelung ist nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes und des Europäischen Gerichtshofes sehr eng.
Unser SPD-Justizminister Heiko Maas hat dem Vorschlag der CSU, die Vorratsdatenspeicherung einzuführen, erneut eine klare Absage erteilt. Ganz abgesehen davon: Die Vorratsdatenspeicherung gibt es in Frankreich, verhindert hat sie die Anschläge nicht.

Ebenso haben wir im Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass wir die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste verbessern wollen. Die Nachrichtendienste dürfen selbstverständlich auch nur auf gesetzlichen Grundlagen ihre Arbeit machen. Nebenbei bemerkt bin ich als Bundestagsabgeordnete genauso wie Sie daran gehalten, unser Grundgesetz zu respektieren.

Handlungsbedarf sehen wir aber dennoch und handeln dahingehend: Mit mehreren Gesetzesvorhaben verstärken wir den Schutz vor Terror. Es geht dabei vor allem darum, im Zusammenspiel mit der Staatengemeinschaft der Unterstützung für islamistische Gewalt den Nährboden zu entziehen. Wir haben deshalb bereits in der vorigen Woche im Bundestag ein Gesetz auf den Weg gebracht, das die Ausreise gewaltbereiter Islamisten in Krisen- und Kriegsregionen besser verhindert. Unter restriktiven Voraussetzungen kann ihnen künftig für bis zu drei Jahre der Personalausweis entzogen werden.
Diese Woche legt Justizminister Heiko Maas nun ein weiteres Maßnahmenpaket vor. Strafbar soll künftig nicht nur der tatsächliche Aufenthalt in einem Terrorcamp sein, sondern strafbar macht sich bereits, wer bei der Ausreise die Absicht hat, terroristisch tätig zu werden. Zudem werden wir einen eigenen Strafbestand Terrorfinanzierung schaffen.

Die Neuordnung der Nachrichtendienste in Deutschland wird in der SPD-Fraktion von den zuständigen Fachpolitikerinnen und Fachpolitikern diskutiert. Hierbei müssen wir allerdings auch das Gespräch und den Kompromiss mit unserem Koalitionspartner suchen, der für diese Fragen auch Schlüsselressorts innehat.

Mit freundlichen Grüßen
Gabriele Hiller-Ohm, MdB