Gabriele Hiller-Ohm
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SPD
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Frage von Jürgen B. •

Frage an Gabriele Hiller-Ohm von Jürgen B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Hiller-Ohm,

Herr Arseni Jazenjuk - Ministerpräsident der Ukraine - hatte in einem öffentlichen Interview in der ARD behauptet, dass die "Sowjetrussen" im Zweiten Weltkrieg über die Ukraine Deutschland angriffen.
Diese geschichtsklitternde Sicht ist bisher sowohl von den meisten Mainstream-Medien als auch von Regierungsseite nicht zurückgewiesen worden.
Ich gehe davon aus, dass Sie die Fakten kennen?

Ich erwarte von einer demokratisch gewählten Bundesregierung, die sich eindeutig zum Grundgesetz durch Eid bekannt hat, klare Aussagen zu solchen Äußerungen. Wollen Sie einem Ministerpräsidenten, der faschistisch orientierte Politiker in seine Partei (und in Führungspositionen) aufgenommen hat, und der die Kriegsverbrechen der Nazi-Deutschen leugnet, einen Persilschein erstellen und sich mit ihm gemein machen?
Die Bundesregierung, der auch die SPD angehört, hat der Ukraine beim Besuch von Herrn Arseni Jazenjuk einen weiteren Kredit eingeräumt. Wie ist das mit einer solchen Einstellung des Ministerpräsidenten der Ukraine vereinbar?

Wie sind überhaupt Unterstützungen von Regimen vereinbar, die ganz offensichtlich gegen Menschenrechte verstoßen?
Hier nur das Beispiel Saudi-Arabien: Herr Raif Badaw wird wegen der Erstellung einer Website, auf der Kritik an extremen religiösen Positionen geübt wird, zu 10 Jahren Haft und 1.000 Peitschenhieben - 50 pro Woche - verurteilt. Die ersten Peitschenhiebe erlitt er in aller Öffentlichkeit vor einer Moschee. Herr Raif Badaw ist Journalist.
Sind Sie nicht Charlie (Terrorakt gegen die Redaktion des Satiremagazins "Charlie Hebdo" in Paris und gegen Freiheit insgesamt)?
Vonseiten der Bundesregierung, der Sie angehören, habe ich bisher keinerlei Aufschrei gegen solche Missachtung der Menschenrechte gehört. Stattdessen werden Waffenlieferungen an dieses Regime von der Bundesregierung (durch Herrn Gabriel, SPD!) erlaubt.
Das ist bisher sehr peinlich für die Bundesregierung und die Abgeordneten der Regierungsparteien.

Erklären Sie sich bitte dazu.

Freundliche Grüße
J.Georg Brandt

Gabriele Hiller-Ohm
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Brandt,

mit oben stehender Anfrage fordern Sie mich auf zu zwei außenpolitischen Themen Stellung zu beziehen. Zwar bin ich keine ausgewiesene Expertin für Außenpolitik – meine Schwerpunkte sind Arbeit und Soziales sowie Tourismus. Dennoch möchte ich Ihnen meine Sichtweise darstellen.

Ich habe das ARD-Interview mit dem ukrainischen Ministerpräsidenten Jazenjuk nicht gesehen. Dass Deutschland im Zweiten Weltkrieg nicht von der damaligen UdSSR angegriffen wurde, steht außer Frage.
Am besten wenden Sie sich mit Ihrer Kritik direkt an die ARD oder versuchen, bei Herrn Jazenjuk nachzufragen, was er genau gesagt oder gemeint hat.
Grundsätzlich wünschen wir uns friedliche und stabile Verhältnisse in der Ukraine. Die Wahlen, die im Oktober 2014 stattfanden, haben einen klaren Mehrheitswillen ergeben. Zwar ist die Wahlbeteiligung mit knapp über 50 Prozent sehr niedrig. Aber sowohl die Wahlen wie auch die vorausgegangene Wahlkampagne wurden von internationalen Wahlbeobachtern als frei und fair zertifiziert. Dennoch wurde in einigen Wahlbezirken versucht, die Auszählung zu behindern und den Wählerwillen zu manipulieren.

Zur Einschätzung der Wahl verweise ich auf Prof. Dr. Gerhard Simon. Er ist Historiker und war Leitender Wissenschaftlicher Direktor im Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien in Köln. Er kommt zu dem Schluss, dass extremistische Parteien in der Ukraine keine Machtbasis haben. Er macht das zum Beispiel daran fest, dass sowohl die rechtsextreme Swoboda-Partei als auch die Kommunisten an der 5-Prozent-Hürde für das ukrainische Parlament scheiterten. Der Partei „Rechter Sektor“ gelang lediglich ein Direktmandat, das durch Abgeordneten Jarosch, dessen Weltsicht als faschistisch und militaristisch angesehen wird, errungen wurde. Darüber hinaus sitzen sechs direkt gewählte Abgeordnete im ukrainischen Parlament, die sich Swoboda zugehörig fühlen; zuvor verfügte Swoboda über 38 Abgeordnete.

Die Regierungskoalition, die nun die Regierung in der Ukraine stellt, würde ich als konservativ bezeichnen. Sie ist geprägt, durch russlandkritische Vertreterinnen und Vertreter. Aber sie ist demokratisch legitimiert. Leider spielen die Sozialdemokraten in der Ukraine politisch keine Rolle.

Gleichzeitig halte ich den pro-europäischen Kurs der ukrainischen Regierung und den pro-europäischen Willen der Mehrheit der Ukrainerinnen und Ukrainer für nachvollziehbar. Unter dem damaligen Präsidenten Janukowitsch hat sich die Ukraine doch in eine sehr autoritäre Richtung entwickelt, die wichtige demokratische Züge vermissen ließ.
Es liegt jetzt daran, wie man Frieden und Stabilität in die Region, insbesondere in den Provinzen Luhansk und Donezk sowie hinsichtlich der Krim-Frage bekommt und gleichzeitig den Mehrheitswillen der Ukrainerinnen und Ukrainer respektieren kann.

Von europäischer Seite ist klar: Unsere Unterstützung für die Ukraine ist keine Politik, die sich gegen Russland richtet. Europa muss aber auch für diejenigen versuchen einzustehen, die sich Europa zugehörig fühlen und nach westlichen politischen und gesellschaftlichen Werten leben möchten.
Deutschland kann versuchen, die angestoßenen Reformprozesse zu unterstützen, wenn nötig auch mit Krediten.

Zu Ihren Ausführungen zu Herrn Raif Badawi, mit denen Sie sich auch an die Bundeskanzlerin, den Vizekanzler und den Bundesaußenminister gewendet haben, möchte ich Sie gerne auf eine Aussage meines Fraktionskollegen und Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Christoph Strässer, sowie des menschenrechtspolitischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion, Frank Schwabe, hinweisen, denen ich mich anschließe und die ich nachfolgend angehängt habe.
Rüstungsexporte halte ich generell für den falschen Weg, Frieden zu sichern bzw. herzustellen.

Menschenrechtsbeauftragter Strässer verurteilt Auspeitschung von saudischem Blogger
Der saudi-arabische Blogger Raif Badawi ist in der saudischen Hafenstadt Djiddah öffentlich ausgepeitscht worden. Hierzu erklärte der Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe, Christoph Strässer:
Ich verurteile die heutige öffentliche Auspeitschung von Raif Badawi aufs Schärfste. Diese grausame Art von Bestrafung, dazu noch in aller Öffentlichkeit, ist menschenunwürdig, stellt eine Menschenrechtsverletzung dar und widerspricht den internationalen menschenrechtlichen Verpflichtungen, die Saudi-Arabien eingegangen ist. Raif Badawi hat lediglich von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht, indem er eine Webseite für öffentliche Diskussion geschaffen hatte. Dafür wird er nun so entsetzlich bestraft.

Ich appelliere an die Regierung von Saudi-Arabien, die grundlegenden Menschenrechte zu wahren und die verbleibende Strafe nicht zu vollstrecken.

Frank Schwabe, Sprecher für Menschenrechte und humanitäre Hilfe:
Die öffentlichen Auspeitschungen des saudischen Bloggers Raif Badawi im saudischen Dschidda sind ein barbarischer menschenunwürdiger Akt, den die SPD-Fraktion auf das Schärfste verurteilt. Meinungsfreiheit ist ein grundlegendes Menschenrecht, das universell gilt. Dieses und andere Menschenrechte werden in Saudi-Arabien jedoch mit Füßen getreten.
„Im Mai 2014 wurde Raif Badawi zu zehn Jahren Haft, 1000 Stockhieben und einer Geldstrafe von 200.000 Euro verurteilt. Das Urteil wurde im September bestätigt. Weil er in seinem Blog die saudi-arabische Religionspolizei kritisiert hatte, wurde er wegen Verbreitung liberalen Gedankentums und Beleidigung des Islam angeklagt.
Vor einer Woche wurde Badawi zum ersten Mal ausgepeitscht. Auch wenn die Fortsetzung der Strafe, die für heute angesetzt war, zunächst ausgesetzt wurde, appellieren wir an die Verantwortlichen in Saudi-Arabien, sie auch in Zukunft nicht zu vollstrecken. 1000 Stockhiebe – selbst in Raten – kann niemand überleben.
Badawi ist kein Verbrecher. Er hat nur von seinem Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht. Das Urteil vernichtet ihn und seine Familie, die bereits nach Kanada geflohen ist. Der vage Straftatbestand macht deutlich, dass es sich um ein politisch motiviertes Urteil handelt, das abschrecken und weitere Kritik am Königshaus verhindern soll. Der Vorwurf der Beleidigung des Islam mag in dem streng islamischen Staat zwar gut vermittelbar sein, vernebelt aber die eigentliche politische Absicht.“

Mit freundlichen Grüßen
Gabriele Hiller-Ohm