Frage an Gabriele Hiller-Ohm von Rainer K. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrte Frau Hiller-Ohm,
als stellvertretendes Mitglied des Ausschusses Ernährung und Landwirtschaft haben sie sich mit Sicherheit mit dem Thema schon beschäftigt und können mir eine kompetente Antwort geben.
Mir geht es um die zunehmende Verbreitung von genmanipulierten Lebensmitteln innerhalb der EU, insbesondere der BRD. Dazu ein paar Fragen:
a) Wie wird die Unbedenklichkeit _unabhängig_ nachgewiesen?
b) Wie wird sichergestellt, das sich genmanipuliertes Saatgut nicht in der Umwelt verbreitet?
c) Welche Gegenmaßnahmen sind im Falle einer Verbreitung geplant und wer führt diese durch?
d) Wer übernimmt dafür die Haftung? Gibt es Obergrenzen?
Die Risiken von gentechnisch veränderten Organismen sind für mich immer noch nicht zufriedenstellend geklärt, daher sehe ich das Thema äußerst kritisch.
In dem Zusammenhang würde mich interessieren, wie ihr Abstimmungsverhalten am 13.03.2014 zum Thema "Für eine Kennzeichnungspflicht von Gen-Honig" und am 30.01.2014 zum Thema "Anbau von Genmais in der EU verhindern" begründet ist. Natürlich lege ich Wert auf das freie Mandat, jedoch würde mich als Wähler ihres Wahlkreises ihre Motivation zu beiden Abstimmungen interessieren.
mit freundlichen Grüßen,
Rainer Kinischer
Sehr geehrter Herr Kinischer,
haben Sie vielen Dank für Ihre Fragen, die ich Ihnen wie folgt beantworten möchte:
a) Wie wird die Unbedenklichkeit (unabhängig) nachgewiesen?
Gentechnisch veränderte Organismen (GVO) dürfen nur zugelassen werden, wenn sie unbedenklich für Mensch, Tier und Umwelt sind. Überprüft wird dies durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA. Wir Sozialdemokraten sehen hier allerdings noch Handlungsbedarf:
Die Unabhängigkeit und Ausgewogenheit der personellen Zusammensetzung bei der EFSA sollten über jeden Zweifel erhaben sein und Interessensverquickungen zuverlässig ausgeschlossen werden. Insgesamt muss das EU-Zulassungsverfahren transparenter werden und kritischen Sachverstand und ökologische Fragen und Langzeiteffekte stärker berücksichtigen.
b) Wie wird sichergestellt, dass sich genmanipuliertes Saatgut nicht in der Umwelt verbreitet?
Bei Saatgut gilt die Nulltoleranz, d.h. wenn Saatgut GVO enthält, muss dies immer gekennzeichnet sein. Daran halten wir fest. Das Saatgut steht am Anfang der Kette, und wenn wir kein sauberes Saatgut mehr zur Verfügung haben, dann ist die gentechnikfreie Lebensmittelproduktion nicht mehr möglich.
Beim Anbau von GVO-Pflanzen sollen Mindestabstände die Verbreitung von GVO verhindern. Ob diese wirklich ausreichend sind, um die Weiterverbreitung von GVO zuverlässig zu verhindern, wird von Kritikern bezweifelt. In Deutschland werden aber derzeit keine gentechnisch veränderten Pflanzen angebaut. Wenn es nach der SPD geht, wird das auch so bleiben. Denn wo kein GVO-Anbau stattfindet, können GVO-Verunreinigungen wirklich ausgeschlossen werden.
c) Welche Gegenmaßnahmen sind im Falle einer Verbreitung geplant und wer führt diese durch?
Im Falle ungewollter Aussaat ist Unterpflügen der beste Weg um eine Weiterverbreitung zu verhindern. Die Landwirte dürfen aber weder mit der Entscheidung noch mit dem Schaden allein gelassen werden. Schnell und möglichst unbürokratisch muss ihnen geholfen, der Weg der Verunreinigung aufgeklärt und die Verursacher in die Pflicht genommen werden.
d) Wer übernimmt dafür die Haftung? Gibt es Obergrenzen?
In der unter rot-grüner Bundesregierung vorgenommenen Gentechnikgesetznovelle wurde die Haftung gesamtschuldnerisch und verschuldensunabhängig geregelt. CDU/CSU und FDP hatten das rot-grüne Gentechnikgesetz immer wieder angegriffen wegen angeblich zu hoher Hürden für den GVO-Anbau. Eine Klage des damals schwarz-gelb regierten Landes Sachsen-Anhalt scheiterte aber vor dem Bundesverfassungsgericht. Stattdessen bestätigte das BVG in seiner Entscheidung vom November 2010 die Unkontrollierbarkeit von in die Umwelt ausgebrachten GVO und verwies auf die besondere Sorgfaltspflicht des Gesetzgebers, der nach Artikel 20a des Grundgesetzes den Auftrag habe, "in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen".
Obergrenzen für die Haftung sind mir bisher nicht bekannt. Wir halten auch weiterhin an verschuldensunabhängiger und gesamtschuldnerischer Haftung fest. Darüber hinaus wollen wir nach Lösungen suchen, die die gentechnikfreie Wirtschaft von Analysekosten und Aufwand für den Schutz vor GVO-Verunreinigungen entlasten, damit ein konsequentes Verursacherprinzip realisiert werden kann.
Auch im Koalitionsvertrag steht: „Wir erkennen die Vorbehalte des Großteils der Bevölkerung gegenüber der grünen Gentechnik an. Wir treten für eine EU-Kennzeichnungspflicht für Produkte von Tieren, die mit genveränderten Pflanzen gefüttert wurden, ein. An der Nulltoleranz gegenüber nicht zugelassenen gentechnisch veränderten Bestandteilen in Lebensmitteln halten wir fest – ebenso wie an der Saatgutreinheit.“
Meine Fraktionskolleginnen und -kollegen und ich sowie der SPD-Bundesparteitag haben die Bundesregierung klar dazu aufgefordert, bei der Gen-Mais Entscheidung im Februar 2014 in Brüssel mit Nein zu stimmen. Innerhalb der Bundesregierung haben sich die relevanten Ministerien (die SPD-geführten Bereiche Wirtschaft, Umwelt und Justiz) und das CSU-geführte Landwirtschaftsministerium klar dagegen ausgesprochen, Gen-Mais zuzulassen.
Die CDU-geführten Ministerien, Forschung und Gesundheit, sind für die Zulassung der Gen-Mais Sorte - aus „grundsätzlichen Erwägungen“. Das Kanzleramt unterstützt die CDU-Ministerien dabei. Nach diesem „Veto“ erfolgte die allgemeine Praxis: Bei unterschiedlichen politischen Einschätzungen innerhalb der Bundesregierung ist es üblich, auf EU-Ebene mit „Enthaltung“ zu stimmen.
Ich bedauere sehr, dass die CDU hier nicht dazu zu bewegen war, dass Deutschland mit einer Stimme auf europäischer Ebene spricht.
Allerdings kann Deutschland immer von der Schutzklausel Gebrauch machen und ein temporäres Anbauverbot verhängen. Das kann dann geschehen, wenn aufgrund neuer oder zusätzlicher wissenschaftlicher Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, dass eine Gefahr für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt besteht.
Zu meinem Abstimmungsverhalten habe ich auch eine persönliche Erklärung abgegeben. Diese können Sie auf Seite 820 im Plenarprotokoll (als PDF) nachlesen, das Sie unter folgendem Link finden: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btp/18/18011.pdf
Mit dem Grünen-Antrag zur gentechnischen Verunreinigung im Honig sollte die Bundesregierung aufgefordert werden, sich in den Trilogverhandlungen (Beratungen zwischen Europäischem Parlament, Rat und Kommission) für die Kennzeichnungspflicht für Honig mit genveränderten Pollen einzusetzen, oder zumindest die Festlegung einer Definition von Pollen als „natürlicher Bestandteil von Honig“ zu verhindern. Anderenfalls soll der Vorschlag zur Änderung der EU-Honigrichtlinie abgelehnt werden.
Der Antrag der Grünen ist ein "Schaufenster-Antrag". Denn die Trilogverhandlungen sind bereits abgeschlossen! Im Vorfeld der Verhandlungen hat man sich – mit Zustimmung des europäischen Parlaments – darauf geeinigt, dass Pollen ein natürlicher Bestandteil von Honig sind und eben keine Zutat. Wäre Pollen grundsätzlich als Zutat angesehen worden, hätten die Imkerinnen und Imker in Deutschland ein Problem bei der Deklaration. Deshalb greift hier auch nicht die Kennzeichnungspflicht.
Aber Sie haben natürlich Recht, dass man in Sachen Schutz und Transparent - gerade bei der grünen Gentechnik - noch viel verbessern muss. Einen entsprechenden Antrag für eine „EU-weite Kennzeichnungspflicht für Erzeugnissen von Tieren, die mit gentechnisch veränderten Pflanzen gefüttert wurden“ beraten wir derzeit mit CDU und CSU.
Darin fordern wir – entsprechend unseres Koalitionsvertrags – eine EU-Kennzeichnungspflicht für tierische Erzeugnisse aus gentechnisch veränderten Futtermitteln. Ebenso beanspruchen wir klare Kriterien für die „Ohne Gentechnik“-Kennzeichnung bei Imkereiprodukten. Zudem wollen wir bundesweit einheitliche Regelungen für den Schutz der Imkereien vor gentechnischen Verunreinigungen ihres Honigs. Die Bundesländer sollen dabei die Möglichkeit haben, über die in der Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung festgelegten Vorgaben hinaus, Regelungen wie größere Mindestabstände zum Schutz vor gentechnischen Verunreinigungen festlegen zu können.
Mit freundlichen Grüßen
Gabriele Hiller-Ohm