Frage an Gabriele Hiller-Ohm von Hans-Heiner K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Hiller-Ohm,
Ihre Antwort passt nicht zu meiner letzten Frage. Ist halt Wahlkampf!
Zum übergeordneten Thema Gleichstellung habe ich mal in die Statuten der SPD geschaut. Die SPD hat 1988 eine Frauenquote von 30%, heute 40% beschlossen. Wegen verfassungsrechtlicher Bedenken wurde eine Befristung auf 25 Jahre festgelegt. 2003 wurde die Befristung ohne Würdigung dieser Bedenken aufgegeben.
Frauen erhalten danach u. a. bei der Vergabe von Parteiämtern und Aufstellung von Wahlkandidaten eine Quote von 40%. Die Quote gilt für beide Geschlechter, das ergibt faktisch eine 50%-Quote.
Halten Sie die Quotierung, die deutlich über dem Frauenanteil von 31% liegt, für vereinbar mit dem Grundgesetz, nachdem niemand wegen des Geschlechts benachteiligt werden darf? (Bitte nicht mit dem 50%igen Bevölkerungsanteil antworten. Das wäre undemokratisch. Selbst ein Frauenanteil von 1% würde eine 50%ige Frauenquote erfordern).
Die Quote bereitet mir auch Probleme wegen der grundgesetzlichen Forderung nach demokratischen Grundsätzen in Parteien und der Einschränkung des passiven Wahlrechts für Männer. Auch die Gleichwertigkeit der Mitglieder in der Partei ist beeinträchtigt, wenn das Geschlecht für die Besetzung einer Position entscheidend ist. Wie diese Regelungen die für den Wahlerfolg qualifiziertesten Kandidaten auf die Wahllisten bringt, ist eine weitere Frage.
Ich will mich noch als Verehrer von Willy Brandt bekennen, der in den 1970er Jahren erstmals eine Frauenquote vorgeschlagen hat, da deren Beteiligung an Parteipositionen weit unter deren Mitgliederanteil lag. Das entsprach wohl seinem Gerechtigkeitsgefühl. Daraus ist heute etwas geworden, das aus grundgesetzlicher Gleichberechtigung eine Gleichstellung fordert und jede Ungleichverteilung als Diskriminierung wahrnimmt.
Freundliche Grüße und Dank für eine Antwort.
Heiner Köhne
Sehr geehrter Herr Köhne,
leider sind Frauen weder in Führungspositionen innerhalb der SPD oder anderer Parteien, nicht unter den Bundestagsabgeordneten, noch in Führungspositionen in der Wirtschaft, im öffentlichen Dienst, in Verbänden oder im kulturellen Bereich angemessen ihres Anteils an der Bevölkerung repräsentiert. Damit muss ich leider doch argumentieren, denn das muss die Maßgabe sein.
Nur Frauen in Vorbildfunktionen werden auch dazu führen, das Engagement von Frauen innerhalb der Institutionen zu beflügeln - so sehen wir auch, dass unser Quotenbeschluss langsam aber sicher Früchte trägt, wenn auch noch nicht genug. Willy Brandt hat das vorhergesehen und diagnostiziert, dass die Gleichstellung der Geschlechter nur im Schneckentempo vorankomme. Leider hat er Recht behalten.
Das Grundgesetz verpflichtet uns dazu, die Gleichstellung von Frauen und Männern staatlich zu forcieren. Ihre verfassungsrechtlichen Bedenken kann ich daher nicht teilen - im Gegenteil. Es ist ja kein Zufall, dass die "Ungleichverteilung" - wie Sie es nennen - so ist wie sie ist, es ist das Ergebnis einer immer noch patriarchal geprägten Gesellschaft und kann daher - so sehe ich es - mit Recht als Diskriminierung wahrgenommen werden.
Lieber Herr Köhne, seien Sie sicher: In dem Augenblick, wo Männer und Frauen in Deutschland gleich viel verdienen, politisch und wirtschaftlich ein annähernd gleiches Gewicht haben und die Chancen im Leben vom Geschlecht unabhängig sind, werde ich von jeglichen Forderungen nach Geschlechterquoten (die, um in Ihrer Argumentation zu bleiben ja das passive Wahlrecht beider Geschlechter gleichermaßen einschränken) in der Politik und Wirtschaft Abstand nehmen.
Jetzt geht es erst mal darum, schwarz-gelben Stillstand am Sonntag abzuwählen und bessere Chancen für alle zu erreichen - Männer wie Frauen.
Herzliche Grüße
Ihre Gabriele Hiller-Ohm