Frage an Gabriele Hiller-Ohm von Hans-Heiner K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Hiller-Ohm,
die nächste Bundestagswahl naht und ich mache mir Gedanken ob meiner Wahlentscheidung. Ich bin Wahlberechtigter Ihres Wahlkreises und auch mit meiner Stimme üben Sie Ihr derzeitiges Mandat im Bundestag aus.
So stieß ich in der Frankfurter Rundschau vom 07.03.2013 auf einen gemeinsamen Artikel des SPD-Parteivorsitzenden Gabriel und der Grünen-Co-Parteivorsitzenden Roth. In der Überschrift wird der 22%ige Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen beklagt, um dann im Artikel ein Entgeldgleichheitsgesetz anzukündigen.
Ich gehe davon aus, dass beiden Verfassern bekannt ist, dass es sich bei dem 22%igen Gehaltunterschied um einen absoluten Vergleich der Bruttolöhne handelt, der u. a. geleistete Arbeitszeit, Branchen oder berufliche Qualifikation außer acht lässt. Das Statistische Bundesamt hat mehrfach mitgeteilt, dass diese Angaben keinen Vergleich der Stundenlöhne für geleistete Arbeit darstellen.
Im Artikel wird gleicher Lohn für gleiche Arbeit gefordert und suggeriert, dass Frauen für die gleiche Arbeit rund ein Viertel weniger Lohn erhalten. Mir sind keine unterschiedlichen Tarifverträge für Frauen und Männer bekannt. Auch bin ich sicher, dass die Frau, die mir am Postschalter Briefmarken verkauft, das gleiche Gehalt erhält, wie der männliche Kollege an Schalter nebenan. Der öffentliche Dienst kennt keine geschlechtlichen Unterschiede in der Besoldung.
Ich frage mich nach dem Grund für eine derart verzerrende Auslegung statistischer Werte. Werden derart verstärkte Argumente für weitere Forderungen nach Frauenförderung zur Gleichstellung benötigt?
Wie soll bei solcher Ausgangslage ein Entgeldgleichstellungsgesetz mit Meldepflichten und Prüfinstanzen eine Veränderung bewirken und wie sollte diese aussehen?
Vielen Dank für Ihre Antwort.
Sehr geehrter Herr Köhne,
herzlichen Dank für Ihre Nachfrage - gerne kläre ich den Sachverhalt auf: Der Gehaltsunterschied von Frauen und Männern, den das statistische Bundesamt aktuell mit 22 Prozent angibt, bezieht sich doch, da waren sie nicht richtig informiert, auf den Bruttostundenlohn. Es handelt sich nicht wie von Ihnen vermutet um einen absoluten Vergleich der Bruttolöhne - hier läge die Lücke bei der hohen Teilzeitbeschäftigung von Frauen wohl wesentlich höher.
Das statistische Bundesamt schreibt ( https://www.destatis.de ): "Der Gender Pay Gap, das heißt der prozentuale Unterschied im durchschnittlichen Bruttostundenverdienst von Männern und Frauen, lag in Deutschland mit 22 % auch im Jahr 2012 deutlich über dem Durchschnitt der Europäischen Union (16 %). Im Jahr 2012 war der durchschnittliche Bruttostundenverdienst von Frauen mit 15,21 Euro um 22 % niedriger als der von Männern (19,60 Euro). Der Verdienstabstand zwischen den Geschlechtern im Vergleich zu den Vorjahren hat sich bundesweit nicht verändert."
Die Gehaltslücke für den öffentlichen Dienst gibt das statistische Bundesamt mit 6 Prozent an, in Westdeutschland mit 8 Prozent. ( https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesamtwirtschaftUmwelt/VerdiensteArbeitskosten/VerdienstunterschiedeMaennerFrauen/Tabellen/Abstand_OEDPrivat.html;jsessionid=E5383C684577C66CFE23FF9890E0D5FC.cae4 )
Weder Sigmar Gabriel, noch Frau Roth haben also statistische Werte verzerrt. Natürlich lässt sich aber darüber streiten, welcher Anteil des Gehaltsunterschiedes noch bereinigt werden kann, in dem Arbeitsplatzbeschreibungen einbezogen würden. Klar ist aber, dass in Deutschland häufig Männer für eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit mehr verdienen als Frauen. Deutschland liegt dabei von allen OEDC-Staaten an drittletzter Stelle - in Westdeutschland stellt sich die Problematik wesentlich krasser dar als im Osten.
Als SPD fühlen wir uns der Gerechtigkeit verpflichtet. Wir wollen daher durch mehr Transparenz für mehr Entgeltgleichheit sorgen, denn dort, wo es größere Transparenz gibt, z.B. in dem von Ihnen genannten Beispiel Öffentlicher Dienst - oder in den skandinavischen Ländern, in denen Gehaltslisten veröffentlicht werden, ist die Entgeltlücke deutlich kleiner. Wir wollen, dass die Unternehmen ein Lohnmessverfahren anwenden, das auf ggf. bestehende Entgeltdiskriminierung hinweist. Gibt es keine Hinweise, hat sich die Sache erledigt. Gibt es Hinweise, folgt eine detaillierte Prüfung. Nur bei Verstößen gegen das Gleichheitsgebot muss das Unternehmen in seiner Lohngestaltung reagieren. Unternehmen mit einem Betriebsrat sollen die Entgeltstrukturberichte in einem Abstand von etwa drei Jahren vorlegen, Unternehmen ohne Betriebsrat in kürzeren Abständen. Die Aufsicht über das Verfahren soll die Antidiskriminierungsstelle des Bundes haben.
Da es auch Verstöße in den Tarifverträgen gibt (insbesondere bei der Eingruppierung, mehr Informationen dazu auf der Themenseite des DGB: http://frauen.dgb.de/themen?k:list=Entgeltgleichheit ) sollen auch die Tarifverträge überprüft werden.
Auch unsere Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn wird positive Auswirkungen auf die gleiche Bezahlung von Männern und Frauen haben. Ich hoffe, Ihnen einen verständlichen Einblick in unsere Forderung nach gerechten Löhnen gegeben zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Gabriele Hiller-Ohm