Frage an Gabriele Hiller-Ohm von Jürgen B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Hiller-Ohm,
mit Bestürzung erfahre ich, dass die Bundesregierung mit den Stimmen der Regierungsparteien eine Novelle des Meldegesetzes verabschiedet hat, die es in Zukunft erlaubt, dass persönliche Daten, die den Meldebehörden bekannt sind, an Unternehmen verkauft werden dürfen.
Ich bin - wie viele meiner Mitbürgerinnen und Bürger und wohl auch Teile der Opposition - entschieden dagegen. Erstens halte ich das vom Verfassungsgericht für zentral gehaltene Recht auf informationelle Selbstbestimmung für unhintergehbar. Und zweitens mutet es geradezu grotesk an, dass der Staat sinnvollerweise Datenschützer beschäftigt, sich in diesem Fall aber aus ökonomischen Gründen gegen diesen Datenschutz seiner Bürgerinnen und Bürger entscheidet.
Abgesehen davon scheint es mir mehr als merkwürdig, wenn ich als Steuerzahler für das einwandfreie Funktionieren von Behörden im Glauben an ihre vertrauliche Dienstleistung dem Souverän gegenüber (das ist nach wie vor das Volk, so erzählt man sich) Geld zur Verfügung stelle, um dann zu erfahren, dass der Staat mit den anvertrauten Daten nochmals einen "Deal" macht.
Werden Sie gegen den Ausverkauf der Bürgerinnen und Bürger etwas unternehmen?
Mit freundlichen Grüßen
J.Georg Brandt
Sehr geehrter Herr Brandt,
ich teile Ihre Kritik am Meldegesetz, dass die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und FDP Ende Juni im Bundestag beschlossen haben. Die SPD hat den Gesetzentwurf im Bundestag abgelehnt und frühzeitig presseöffentlich kritisiert.
Nachdem die Reform des Meldegesetzes ursprünglich eine datenschutzrechtliche Verbesserung gegenüber den bisherigen länderspezifischen Regelungen bringen sollte, haben CDU, CSU und FDP dies mit einem Änderungsantrag ins Gegenteil verkehrt. So sollen die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr – wie ursprünglich vorgesehen – gefragt werden, ob sie einer Datenweitergabe zustimmen. Stattdessen hat die Koalition kurz vor der abschließenden Beratung daraus eine Widerspruchslösung gemacht und will die Datenweitergabe zum Regelfall machen. Hinzu kommt: Der Widerspruch gegen die Weitergabe von Daten für Werbung und Adresshandel wird sogar unwirksam, wenn die Daten ausschließlich zur Bestätigung oder Berichtigung bereits vorhandener Daten verwendet werden. Das macht sogar die Widerspruchsregelung weitgehend wirkungslos. Da man für die Melderegisterauskunft immer bereits vorhandene Daten benötigt, wird es sich stets um eine Bestätigung oder Berichtigung vorhandener Daten handeln.
Es ist gut, dass die Kritik am Melderecht immer heftiger wird. Die Empörung der Verbraucherschutzministerin Aigner zwei Wochen später ist dagegen eine sehr erstaunliche Kehrtwende. Es ist peinlich, wenn Frau Aigner sowie die Sprecher des Innenministeriums und der Kanzlerin jetzt so tun, als hätten sie mit der Änderung nichts zu tun. Welchen Stellenwert die Verbraucherpolitik für die regierende Koalition hat, zeigt sich schon darin, dass der Verbraucherausschuss des Bundestages von der schwarz-gelben Parlamentsmehrheit erst gar nicht in die Beratung des Meldegesetzes einbezogen wurde.
Die SPD wird alle Hebel in Bewegung setzen, das zustimmungspflichtige Gesetz im Bundesrat zu stoppen. Über die Länder, in denen die SPD die Regierung führt oder an ihr beteiligt ist, wollen wir verhindern, dass der Bundesrat dem Gesetz in der jetzigen Fassung zustimmt. Die SPD wird sich weiter dafür einsetzen, dass die Rechte der Bürgerinnen und Bürger auf den sorgsamen Umgang mit ihren Daten gewahrt bleiben und nicht von Schwarz-Gelb leichtfertig Lobbyinteressen geopfert werden.
Mit freundlichen Grüßen
Gabriele Hiller-Ohm