Frage an Gabriele Hiller-Ohm von Ewald F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Guten Tag Frau Hiller-Ohm,
als Beteilgter der Arbeitgruppe ViLE-Nord Lübeck im „Virtuellen und realen Lern und Kompetenzwerk für ältere Erwachsene“ ViLE e.V. www.vile-netzwerk.de möchten wir heute Ihnen unsere Meinung an dem SPD Wahlprogramm für die bevorstehende Bundestagswahl mitteilen, in der Hoffnung auf einen lebhaften Dialog.
SPD-Programm, unsere Kritik
Die SPD hat als erste Partei ihr Programm für die vorgezogene Bundestagswahl vorgelegt. Es sieht aus wie das Schaufenster eines Gemischtwarenladens und es ist zu befürchten, dass die Programme der anderen Parteien nur in Details anders aussehen werden.
Die Allgemeinplätze auf den 43 Seiten sind nicht zu zählen, und bei vielen Aussagen fragt man sich, was die Partei denn in den sieben Jahren ihrer Regierungszeit gemacht hat, um das zu verwirklichen, was sie jetzt fordert.
Nicht gerade gelungen schon der Beginn: Man jammert über das „schwarzgelbe Erbe von Kohl“ und stellt schließlich fest, man habe seit 1998 Deutschland „wieder vorangebracht“. Nanu? Dass die Behauptung „Wir haben mit Entschlossenheit und Durchsetzungskraft gehandelt“ eine glatte Lüge ist, erkennt jeder Bürger, der sich noch an das jahrelange Gewürge und die Pannen um neue Gesetze und Regelungen erinnern kann.
Beim „schmerzlichen Problem“ der Arbeitslosigkeit ist die SPD „stolz auf das Erreichte“. Wirklich? Dazu passt dann die Behauptung: „Der Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit hat begonnen.“Jeder Wähler dürfte wissen, dass das nicht zutrifft.
Mehrfach bezeichnet das Manifest die Regierungszeit von Rotgrün als Soziale Demokratie. Immer wieder wird geredet von „Kräfte bündeln“, von „solidarischen Gemeinschaftsanstrengungen“, von „Innovation und Kreativität“, man habe mit der „Erneuerung Deutschlands“ begonnen undsoweiter. Worthülsen.
Im Gemischtwarenladen der SPD ist Platz für jeden. Deutschland sei ein attraktives Sportland, erfahren wir auch. Und für die zunehmenden Zahl älterer Menschen gibt es einen kleinen Beruhigungsbonbon: „Wenn die Wirtschaft wächst, Einkommen und Beschäftigung steigen, werden auch in Zukunft die Rentnerinnen und Rentner daran teilhaben.“ Wenn nur das Wörtchen „wenn“ nicht wäre!
Die meisten Ziele sind nur in Wunschform gekleidet. Wenige konkrete Aussagen:
- Umwandlung der Krankenversicherung zu einer Bürgerversicherung, in die jeder
einzahlen muss.
- Einheitliche Unternehmenssteuer und Beibehaltung der Gewerbesteuer.
- Weiterhin Steuerfreiheit von Sonn- Feiertags- und Nachtarbeitszuschlägen.
- Keine Erhöhung der Mehrwertsteuer.
- Erhöhung der Einkommensteuer um 3% für hohe Einkommen.
- Verbilligte Kredite für den Mittelstand.
Das Resumee: Man hätte sich ein prägnanteres Wahlprogramm gewünscht. Höchstens acht Seiten, dabei Verzicht auf alle hohlen Phrasen. Ein Programm, das anstelle des Wehklagens über die Hinterlassenschaften der Kohl-Regierung beginnt mit einem Bekenntnis der eigenen Fehler und in knappen und präzisen Sätzen beschreibt, wie man das mit einer neuen Regierungsmannschaft korrigieren will.
Ach so, die Mannschaft soll ja gar nicht geändert werden.
Mit freundlichen Grüssen im Namen von ViLE-Nord Ewald F. Ristow 8.8.05
Sehr geehrter Herr Ristow,
Sie haben sich die Mühe gemacht, unser Wahlprogramm im Detail zu studieren. Dafür meinen herzlichen Dank, denn das Lesen von Parteiprogrammen ist heute leider keine Selbstverständlichkeit mehr. Ich finde unser Manifest ist sehr gelungen. Es weist eine klare Gliederung auf, sagt was die rot/grüne Bundesregierung vor sieben Jahren vorgefunden hat, was während der Jahre erreicht wurde, zeigt auf, welche Ziele nicht umgesetzt werden konnten und warum das nicht gelungen ist. Als Programm für die kommenden Jahre sind 24 Ziele formuliert, die die wichtigsten Lebensbereiche der Menschen, die in Deutschland leben, betreffen. Ziele alleine reichen nicht aus, deshalb sagen wir in unserem Manifest sehr deutlich, wie wir unsere Ziele umsetzen wollen. Aufgabe der Politik ist es, auf alle wichtigen Lebensbereiche der Menschen politische Antworten zu geben und die lassen sich leider nicht, wie von Ihnen gewünscht, auf nur wenigen Seiten darstellen. Für Menschen, die unser Wahlprogramm nicht von vorne bis hinten durchlesen wollen, gibt es selbstverständlich Kurzfassungen und für jeden Bereich dann auch wieder zusätzlich gesonderte Informationen. So wird sichergestellt, dass sich alle Wählerinnen und Wähler umfassend über alle Bereiche informieren können.
Politik ist ein „Gemischtwarenladen“, weil von einer Volkspartei zu Recht Antworten auf sehr, sehr viele Fragen erwartet werden – und wehe, es wurde ein Bereich vergessen!
Sie sprechen die Arbeitsmarktpolitik an. Gerade hier haben SPD und Grüne mit den Reformen am Arbeitsmarkt sehr viel in Bewegung gebracht. Gerhard Schröder war es, der mit der SPD als erster ein mutiges Reformprogramm für Deutschland vorgelegt hat. Andere Parteien sind aus Angst, Wählerstimmen zu verlieren, „abgetaucht“. Sie haben den Menschen Sand in die Augen gestreut und sich vor ihrer Verantwortung für unser Land gedrückt. Das halte ich nicht für richtig. Wir haben Massenarbeitslosigkeit in Deutschland, weil notwendige Reformen aus Angst vor schlechten Wahlergebnissen nicht rechtzeitig in Angriff genommen wurden. Die über Jahre hohe Arbeitslosigkeit schwächt unseren Staat und unsere Demokratie. Der Staat erleidet Steuerausfälle und muss gleichzeitig enorme Leistungen zur Finanzierung der Arbeitslosigkeit erbringen. Arbeitslosigkeit ist das größte Armutsrisiko in Deutschland. Hinter jeder Arbeitslosenstatistik stehen Einzelschicksale. Deshalb ist es uns so wichtig, Massenarbeitslosigkeit zu überwinden. Es wurden neue Formen der Selbständigkeit gefördert, neue Vermittlungsstrategien eingeführt, eine Reform der Mammutbehörde Bundesagentur für Arbeit begonnen, es wurden Programme gegen die Jugend- und gegen die Altersarbeitslosigkeit aufgelegt und Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zu einer Leistung zusammengefasst.
Dass die derzeitigen Arbeitslosenzahlen nach wie vor zu hoch sind, heißt nicht, dass diese Maßnahmen nicht nötig und richtig sind. Zum einen wird es noch dauern, bis wichtige Teile der Reformen wirklich greifen, dabei denke ich vor allem an den Umbau der Bundesagentur und die Umsetzung von „Hartz IV“. Zum anderen ist es natürlich auch nötig, dass die Wirtschaft nun ihrer Verantwortung nachkommt und in den verbesserten Rahmenbedingungen Arbeitsplätze schafft. Die Politik kann nur den Rahmen vorgeben, Arbeitsplätze schafft die Wirtschaft.
Um diesen Rahmen weiter zu verbessern, setzen wir zum Beispiel auf einen Abbau von Unternehmens-Subventionen bei gleichzeitiger Senkung der Unternehmenssteuern. Wir wollen einen niedrigeren Satz, den alle Unternehmen dann aber auch zahlen, als einen hohen, den viele mit guten Steuerberatern umgehen können. Außerdem wollen wir weiterhin kräftig in Bildung und Forschung investieren, um insbesondere die jungen Arbeitssuchenden fit für den Arbeitsmarkt zu machen. Die rot-grüne Bundesregierung hat bei den Investitionen in Bildung und Forschung bereits eine klare Trendumkehr zu den 90er Jahren bewirkt. Während zwischen 1992 und 1998 rund 670 Mio. Euro aus diesem Zukunftsbereich herausgestrichen wurden, wurden seit 1998 die Ausgaben für Bildung und Forschung um 38 Prozent erhöht. Langfristig wollen wir 3% des Brutto-Inlandsproduktes (BIP) in Bildung und Forschung investieren (heute sind es 2,5%).
Das ist ganz wichtig, wenn wir in einer globalisierten Welt im internationalen Wettbewerb bestehen wollen.
Leider reicht das Forum nicht für eine umfassende Diskussion aus, deshalb biete ich Ihnen an, sich bei Interesse an der SPD-Programmatik in bestimmten Politikbereichen an mich bzw. meine Büros in Lübeck und Berlin zu wenden oder sich auf meiner Homepage www.hiller-ohm.de zu informieren.
Mit freundlichen Grüßen
Gabriele Hiller-Ohm