Frage an Gabriele Hiller-Ohm von Albert M. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrte Frau Hiller Ohm.
mit zunehmender Sorge ,sehe ich die explosionsartige Vergrösserung der Anbauflächen für Mais in Lauenburg, zuungunsten der Lebensmittelversorgung.
Hinzu kommt die Verseuchung des Bodens mit Round Up und damit die Gefährdung unserer Trinkwasserressourcen, des Bodens sowie die Gesundheitsgefährdung der EInwohner durch die Aerosolbildung bei der Gülleversprühung. (Siehe regelmäßige Noro - Viren "Ausbrüche" immer dann, wenn große Mengen Gülle gefahren werden)!
Die volkswirtschaftlichen Folgen solchen Handelns werden sich zu einem unvorstellbaren Berg anhäufen, der offensichtlich sehenden Auges durch die lobbygesteuerten Entscheidungen des Bundestages täglich höher wird.
Was unternehmen Sie, um diese Fehlentwicklung rückgängig zu machen?
Soll uns mit dem sogenannten "Klimaschutz" und den "erneuerbaren Energien" weiterhin jeder Blödsinn verkauft werden?
mfg
Albert Möschwitzer
Sehr geehrter Herr Möschwitzer,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage vom 16. Februar 2012, die Sie über abgeordnetenwatch.de an mich gerichtet haben.
Sie sprechen einen ganz wichtigen Aspekt bei der Energiegewinnung durch Biomasse an. Ich gebe Ihnen Recht, dass Monokulturen nicht den Zweck einer nachhaltigen Landwirtschaft erfüllen. Dabei gilt es auch eine Flächenkonkurrenz zu vermeiden. Aus meiner Sicht ist es wichtig, biogene Rest- und Abfallstoffe sowie Grünschnitt stärker für die Energiegewinnung zu berücksichtigen. Zu einer effizienteren Ausnutzung von Biomasse haben wir uns auf dem SPD-Bundesparteitag 2011 positioniert (vgl.: http://www.spd.de/linkableblob/21778/data/32_energiewende.pdf ).
Biomasse ist als Rohstoff sehr begehrt und hat einen bedeutenden Anteil für die erneuerbaren Energien. Das ist auch in Schleswig-Holstein so. So existieren zum Beispiel in Berkenthin oder in Labenz Biogasanlagen, die über regionale Netze die Energiewende vor Ort stattfinden lassen. Exemplarisch möchte ich Ihnen das an der Anlage in Labenz aufzeigen, die ich im November letzten Jahres besucht habe: Die Anlage in Labenz zählt dabei zu den effizientesten und modernsten, die wir in Schleswig-Holstein haben. Dabei kommen Mais, andere Silage und Gülle zum Einsatz. Die fermentierten Reststoffe werden dafür bis zu dreimal wiederverwertet, damit so viel Biogas wie möglich genutzt werden kann. Hier wird also sehr effizient gearbeitet – auch mit dem Ziel, das Problem der Flächenkonkurrenz zu entschärfen.
Bei der Gülle kommen Rohrleitungen zum Einsatz, die aus umliegenden Mastbetrieben die Gülle direkt zur Biogasanlage leiten. Auf diese Weise entsteht keine Geruchsbelästigung, aber auch kein Lärm durch Transportfahrzeuge.
Aus meiner Sicht zeigt das Beispiel Labenz, wie verantwortungsvolle Nutzung von Biomasse aussehen kann. Es gilt jetzt, die Effizienz solcher Anlagen weiter zu verbessern. Gut ist auch, dass mit Hilfe der dezentralen Energieversorgung keine riesigen Netzausbauten nötig sind, die Energie in der Nachbarschaft erzeugt wird sowie ein bedarfsgerechtes Regeln der Anlage gut machbar ist. Besonders freut mich, dass kleine Unternehmen vor Ort oder Genossenschaften einen Nutzen davon haben und nicht die vier großen Energieriesen.
Eine Verseuchung des Bodens muss klar ausgeschlossen werden. Hier gibt das Wasserhaushaltsgesetz (vgl.§48, Abs.2 sowie § 62, Abs. 1, Satz 3 WHG) vor, dass Grundwasser und Gewässer keine nachteilige Veränderung erfahren dürfen. Leider haben sich in der Vergangenheit die Berichte gehäuft, dass es durch die Lagerung von Biomasse zu Verunreinigungen gekommen ist. Das ist aus meiner Sicht ein Fall für die Strafverfolgungsbehörden. Ich habe von der Bundesregierung die Antwort erhalten, dass zudem eine neue Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (VAUwS) in Planung ist, die einheitliche Anforderungen festlegt, mit denen das Wasserhaushaltsgesetz bundeseinheitlich durchgesetzt werden kann. Zusammen mit meinen Fraktionskolleginnen und -kollegen werde ich die Vorschläge der Bundesregierung sehr genau prüfen, damit Gewässer und Grundwasser bestmöglichen geschützt werden.
Persönlich sehe ich keinen Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Noroviren und dem Aufbringen von Gülle auf die Felder. Die Infektionen mit Noroviren haben laut Robert-Koch-Institut ihre Hochphase in den Monaten Oktober bis März. Gefährdet sind insbesondere Personen in Gemeinschaftseinrichtungen (zum Beispiel Krankenhäuser oder Pflegeheime), in denen öffentliche Toiletten der Übertragungsort sind. Besonders häufig kam es zum Beispiel zu Epidemien auf Kreuzfahrtschiffen – also weit weg von Feldern, auf denen Gülle aufgetragen wird. Laut Uniklinik Köln ist bei Noroviren der infizierte oder erkrankte Mensch die einzige relevante Infektionsquelle. Auch das Robert-Koch-Institut geht davon aus, dass die humanpathogenen Noroviren von Mensch zu Mensch übertragen werden.
Klimaschutz darf auf gar keinen Fall „Blödsinn“ sein oder dazu werden. Deswegen muss man auch hier genau mögliche Fehlentwicklungen prüfen. Bei der Energiewende hin zu erneuerbaren Energien mag es sicherlich auch vereinzelte Fehlentwicklungen geben, die zu korrigieren sind. Im Gegensatz dazu schätze ich die volkswirtschaftlichen Folgen ohne Klimaschutz und den Ausbau erneuerbarer Energien als dramatisch ein. Darüber hinaus bietet die Energiewende aus meiner Sicht die Chance, alte Lobbystrukturen aufzubrechen. In den vergangenen Jahren sind viele kleine und innovative Firmen entstanden, die maßgeblich zur Energiewende beigetragen haben. Große Lobbyisten haben dagegen im Jahr 2010 Einfluss auf die schwarz-gelbe Bundesregierung genommen, als diese die Laufzeiten für Kernkraftwerke verlängert hat. Diese Entwicklung hat sich zum Glück deutlich gewandelt.
Mit freundlichen Grüßen
Gabriele Hiller-Ohm