Frage an Gabriele Hiller-Ohm von Tanja G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Hiller-Ohm,
trifft es zu, daß Minderjährige von der Bundeswehr für den Freiwilligendienst geworben werden?
Falls ja: Ist das möglich, weil Einwohnermeldeämter die Daten der Minderjährigen an die Kreiswehrersatzämter übersenden?
Sind dafür in jedem Bundesland § 18 Abs. 7 Melderechtsrahmengesetz und § 58 Wehrpflichtgesetz die anzuwendenden Rechtsgrundlagen?
Laut Melderechtsrahmengesetz können Jugendliche die Datenübermittlung mit einem Widerspruch verhindern: Die Städte und Gemeinden müssen auf dieses Recht bei der Anmeldung und im Oktober eines jeden Jahres durch eine ÖFFENTLICHE BEKANNTMACHUNG hinweisen. Dem Gesetzgeber war sicherlich bekannt, daß nur wenige Jugendliche Öffentliche Bekanntmachungen lesen. Soll mit dieser weltfremden Regelung erreicht werden, daß Widersprüche unterbleiben?
In § 58 Abs. 2 Wehrpflichtgesetz steht: Die erhobenen Daten dürfen nur zur Übersendung von INFORMATIONSmaterial über Tätigkeiten in den Streitkräften verwendet werden.
Wird dieser Satz beachtet oder handelt es sich hier vorrangig um WERBUNG (erkennbar durch Einseitigkeit bei sogen. Informationen) und somit um einen Gesetzesverstoß?
Anregung zur zweiten Frage: Bitte kontaktieren Sie vor der Beantwortung die Kinderschutzorganisation Terre des hommes (Herrn Willinger in der Bundesgeschäftstelle oder Herrn Horst Hesse in Lübeck, Angaben zur Person in GoogleWeb)
Mit freundlichen Grüßen
Tanja Großmann
Sehr geehrte Frau Großmann,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage. Gerne stelle ich Ihnen meine Sichtweise hierzu dar. Bitte wenden Sie sich in diesem Zusammenhang auch an Ihren direkt gewählten Kieler SPD-Bundestagsabgeordneten Hans-Peter Bartels. Er ist ordentliches Mitglied im Verteidigungsausschuss.
Grundsätzlich handelt es sich beim Wehrpflichtgesetz und seit der Föderalismusreform 2006 auch beim Melderechtsrahmengesetz um Gesetze, bei denen der Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz hat.
Auf der Grundlage der von Ihnen genannten Gesetze dürfen die Meldebehörden der Bundeswehr Daten von Personen übermitteln, die im nächsten Jahr volljährig werden und die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Der Zweck ist die Versendung von Informationsmaterial. Hier ergibt sich der von Ihnen angesprochene Streitpunkt, ob die Bundeswehr tatsächlich Informationsmaterial oder eben Werbung versendet.
Früher verschickten die Meldebehörden die Daten junger Männer an die Kreiswehrersatzämter. Zweck war es, die jungen Leute zur Musterung zu laden. Mit dem Aussetzen der Wehrpflicht ist die Musterung für alle jungen Männer hinfällig. Trotzdem bleibt dieser Informationsfluss bestehen und ist in §58 des Wehrpflichtgesetzes verankert.
Dazu möchte ich feststellen: Die Bundeswehr hat natürlich das Recht, über sich und ihre Aufgaben zu informieren – wie jedes Unternehmen. Trotzdem sehe ich Bedenken: Das betrifft insbesondere, dass Jugendliche und junge Erwachsene viel besser und transparenter über ihre Rechte informiert werden müssen. Jeder hat das Recht, dass seine Daten nicht weitergegeben werden – auch nicht an die Bundeswehr. So sieht es die Gesetzeslage vor. Wer keine Werbung oder Informationsmaterial haben möchte, muss klar und an präsenter Stelle informiert werden, wie er widersprechen kann. Eine Mitteilung im Amtsblatt ist dafür zu wenig.
Mit Herrn Hesse stehe ich übrigens nicht nur bei dieser Thematik in einem guten Kontakt. Gerade bei dem Thema Werbung an Schulen durch die Bundeswehr war dabei ein Schwerpunkt. Die SPD Landtagsfraktion hat sich hierzu bereits eindeutig positioniert. Auch hier wurde eine bessere Information der Schülerinnen und Schüler und deren Eltern gefordert, damit einer Teilnahme der Schülerinnen und Schüler entsprechend widersprochen werden kann (vgl. Landtagsdrucksache 17/455).
Mit freundlichen Grüßen
Gabriele Hiller-Ohm