Frage an Gabriele Hiller-Ohm von Erich B. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrte Frau Hiller-Ohm,
Die Atompolitik, AKW, wirft bei mir immer wieder die Frage auf, was passiert bei einem Supergau eines AKW in Bezug auf Entschädigungen durch die Betreiber. Bewährt hat sich ja, die Allgemeinheit zahlen zu lassen. Hat man Glück gehabt, wenn man strahlend,verdampfend ins Nirwana entschwindet. Haben für ein solches, mögliches Unglück die Betreiber Rücklagen gebildet? Wartet man mit Entschädigungen vielleicht so lange, bis Gevatter Tod tätig war? Tschernobyl ist nicht vergessen!
Mit freundlichem Gruß
E.B.
Sehr geehrter Herr Bornemann,
herzlichen Dank für Ihre Frage. Das Thema der Entschädigungen im Falle kerntechnischer Unfälle ist in der Tat brisant und aus meiner Sicht unbefriedigend gelöst.
Kernenergie ist teuer und in Deutschland hochsubventioniert – auch bei der Haftung!
Vor dem sogenannten „Atomkonsens“, der die geordnete Beendigung der Kernenergie nach dem Erreichen festgelegter Reststrommengen vorsieht, betrug die Deckungsvorsorge für kerntechnische Unfälle 500 Millionen DM. Diese Summe wurde im Zuge des von der rot-grünen Bundesregierung beschlossenen Atomkonsenses auf 2,5 Mrd. Euro angehoben. Das entspricht allerdings noch immer nur einem Bruchteil der Schadenssumme, die im Falle eines „katastrophalen Unfalls“ (INES-Skala 7), gemeinhin als „Super-GAU“ bezeichnet, entstehen würde.
Über diese Deckungsvorsorge von 2,5 Milliarden Euro hinaus haften die Verursacher – also die Betreibergesellschaften – unbegrenzt mit ihrem gesamten Vermögen. Angesichts der zu erwartenden Schadensdimension wird dieses aber auch nur einen sehr geringen Teil ausmachen.
Der volkswirtschaftliche Schaden, den ein sogenannter Super-GAU in Deutschland mit sich brächte, wurde im Jahr 1992 vom Prognos-Institut auf umgerechnet 5.500 Milliarden Euro geschätzt. Zum Vergleich: Das deutsche Bruttoinlandsprodukt betrug im Jahr 2008 rund 2.500 Milliarden Euro.
Im internationalen Vergleich liegt Deutschland nach Angaben des Darmstädter Öko-Institutes bezüglich der Deckungsvorsorge an der Spitze. Dagegen liegt z. B. in den USA die Deckungsvorsorge bei rund 400 Millionen US-Dollar, in Kanada ist die verpflichtende Vorsorge auf umgerechnet rund 45 Millionen Euro begrenzt.
Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass in Deutschland die Deckungsvorsorge viel zu niedrig ist. Sie bildet somit auch einen der vielen Subventionsbausteine für die Kernenergie in Deutschland. Müssten die Betreiber ihre Kernkraftwerke zu realistischen Schadenssummen versichern, wäre die Kernenergie vollkommen unwirtschaftlich!
Darüber hinaus gibt es noch viele weitere Vorteile, die der Kernenergie im wahrsten Sinne des Wortes „frei Haus“ geliefert werden. Zum Beispiel Steuerprivilegien bei Kernbrennstoff und Rückstellungen für den Rückbau oder öffentliche Förderung von Reaktorbaureihen, Endlagerkosten und Altlasten. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) geht davon aus, dass von 1956 bis 2007 allein in den Bereich Forschung und Entwicklung rund 40 Milliarden Euro an Bundesmitteln zugunsten der Kernenergie geflossen sind.
Allein diese Aufwendungen stehen in keinem Verhältnis zum Nutzen. Von den Gefahren für die Gesundheit ganz abgesehen. Die Kernenergie ist keine Brückentechnologie in Deutschland, sondern ist ein industrielles gefährliches Monstrum, das endlich der Vergangenheit angehören muss! Dafür wird sich die SPD weiter einsetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Gabriele Hiller-Ohm