Frage an Gabriele Dobusch von Anja T. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Dobusch,
auf der Tourismus-Homepage der Stadt Hamburg wird so die Herbertstraße beschrieben:
„Vor neugierigen Blicken geschützt, gibt es hier käufliche Liebe. Der Zutritt ist nur für Männer über 18 Jahren erlaubt: Die berühmt-berüchtigte Herbertstraße in Hamburg.
Die etwa 60 Meter lange Gasse, die vor den Blicken Neugieriger durch Tore geschützt wird, gehört zum alten Mythos St. Pauli. Hier gibt es die käufliche Liebe seit dem 19. Jahrhundert. Und nur Männern über 18 Jahren wird Zutritt gewährt. Frauen sollten es erst gar nicht wagen, dort hinein zu wollen - sie erwarten Beschimpfungen, faule Eier, kalte Duschen oder mit Urin gefüllte Eimer.“
https://www.hamburg-tourism.de/sehen-erleben/sehenswuerdigkeiten/herbertstrasse/
Halten Sie diese Werbung für angebracht und zeitgemäß?
Können sie mir sagen, wodurch es legitimiert ist, dass eine Straße der Stadt Hamburg ein jugendgefährdender Ort ist von dem auch Frauen ausgeschlossen sind?
Wurden die Tore und Beschilderungen, die „vor neugierigen Blicken schützten“, von der Stadt angebracht? Zum Schutz der Sexarbeiterinnen? Wenn ja, warum nur dort?
Im SPD Regierungsprogramm 2020 heißt es:
„…Hamburg ist attraktiv und wird immer attraktiver. Hamburg ist eine Hoffnungs- und Ankunftsstadt, in der viele Menschen mit ihren Kindern und Familien leben wollen…“
Im Wahlprogramm steht:
„…Zukunft – Gut und sicher leben
Eine sichere Stadt für alle
Im öffentlichen Raum, auf den Straßen und Plätzen unserer Stadt soll sich jeder wohl und sicher fühlen. Deshalb erhöhen wir hier die sichtbare Polizeipräsenz und setzen an besonders kriminalitätsbelasteten Orten ergänzend auch Videoüberwachung ein….“
Gibt es außer der Herbertstraße weitere Straßen, die nicht an einer Stadtentwicklung, im Sinne ihres Wahlprogramms, teilhaben?
Wie stehen Sie zu den bisherigen Protesten von Anwohner*innen und Feminist*innen?
Vielen Dank im Voraus für Ihre Antworten
Anja Twest
Sehr geehrte Frau Twest,
Hamburg ist vielfältig. Der St-Pauli-Mythos lebt noch und gehört für viele dazu, auch wenn sich gerade St. Pauli in den letzten Jahren enorm verändert hat und natürlich die Situation gerade rund um das Thema käuflicher Sex weder gestern noch heute diesem Mythos entsprach.
Dass Prostituierte, zum größten Teil Frauen, auf dem Kiez häufig objektisiert werden ist nicht zu bezweifeln. Die Darstellung von Frauenkörpern als Objekte, die leider immer noch ein gesamtgesellschaftliches Phänomen und z.B. auch im Fernsehen und in der Werbung zu finden ist, wird dort in besonders krasser Weise vorgeführt. Dies ist durchaus problematisch.
Das Prostitutionsschutzgesetz enthält einige gute Ansätze in diesem Kontext, wie z.B. die Möglichkeit des Staates einzugreifen, wenn der Verdacht besteht, dass bei der/dem Prostituierten eine Zwangslage ausgenutzt wird und sie/er deswegen zu dieser Tätigkeit gezwungen wird. Zudem will das Gesetz sicherstellen, dass die Prostituierten zu Gesundheitsthemen und rechtlich beraten werden und ein Arbeitsumfeld geschaffen wird, dass die Übertragung von Krankheiten vorbeugt und Gewaltübergriffe verhindert. Betriebe, die dem nicht entsprechen, wird die Betriebserlaubnis entzogen. Allerdings gibt es immer noch keine verlässlichen Zahlen zur Größe und den Zuständen in diesem Bereich und vieles spielt sich in undurchsichtigen Strukturen ab. Menschen- bzw. Frauenhandel, insbesondere zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung ist ein enormes Problem. Es ist daher wichtig, die Prostituierten niedrigschwellig anzusprechen.
Hamburg ist seit langem Vorreiter in Hinblick auf die Bekämpfung des Frauenhandels. Die Einrichtung koofra arbeitet sehr erfolgreich in diesem Bereich, zB mit ehrenamtlichen Frauen aus verschiedenen Ländern. Nur wenn es gelingt, Vertrauen in der „Szene“ zu erwerben, gelingt es auch, Kontakt zu Betroffenen zu bekommen – die Voraussetzung dafür, Hilfe leisten zu können.
In Hamburg wurde zudem der Runde Tisch Prostitution eingerichtet, auch dies halte ich für einen guten Schritt in die richtige Richtung. Der Runde Tisch hat die Aufgabe, die Umsetzung des Prostitutionsschutzgesetzes zu begleiten, aktuelle Themen aufzugreifen, sowie Erfahrungen und Wissen auszutauschen. Ziel ist es dabei sicherzustellen, dass Personen, die als sexuelle Dienstleister*innen tätig sein wollen, dies „unter rechtstaatlichen und menschenwürdigen Bedingungen“ tun können. Die Zusammenarbeit von Sexarbeiter(innen), Hilfsorganisationen, der Stadt und der Wissenschaft halte ich für sehr begrüßenswert
Mit freundlichem Gruß
Gabi Dobusch