Frage an Friedrich Naehring von Hans-Jürgen K. bezüglich Wirtschaft
Die Frage, die sich mir als Ruheständler stelle ist: Wird eine radikal durchgeführte Steuerreform mit einhergehender Steuersenkung und Mehrwertsteueranhebung das von Union und FDP geforderte Wirtschaftswachstum zur Sicherung Sozialsysteme erzeugen oder gehen die alten Sozialsysteme dabei kaputt. Wäre es zunächst nicht besser die Sozialsysteme zunächst einmal zu entrümpeln um sie so wieder auf eigene Beine, d.h. auf ein lupenreines Versicherungsprinzip zu stellen?
Grundsätzlich gilt doch, Renten sind beitrags- und lohnbezogen. Das heisst, nur derjenige erwirbt Rentenansprüche, der auch Beiträge zahlt bzw.gezahlt hat. Die Rentehöhe richtet sich dabei nach der Höhe der gezahlten Beiträge.
Dieses Prinzip wurde jedoch m.E. in den Vergangenen Jahrzehnten immer mehr verwässert. Deshalb sollte nach meinem dafürhalten das Versicherungsprinzip wieder in den Vordergrund gestellt werden, d.h., Leistungen dürfen nur jene bekommen, die auch Beiträge entrichtet haben. Nicht beitragsgedeckte Leistungen wie z. B. Renten für Aussiedler oder Ruheständler aus Ostdeutschland sollten steuerfinanziert werden.
Würden die nicht gedeckten Leistungen der Rentenversicherungen nicht als Sozialabgaben, sondern durch Steuern finanziert, liessen sich die Beiträge nach Berechnungen des ´Wirtschaftsweisen´ Bofinger von der Uni Würzburg von derzeit 19,5% um fast zwei Punkte reduzieren.
Der Sozialexperte Schmähl von der Uni Bremen geht sogar noch einen Schritt weiter und meint: Würde die ´Fehlfinanzierung´ in allen Sozialversicherungszweigen beendet, könnten die Sozialbeiträge sogar um 8%- Punkte gesenkt werden.
Steuervereinfachungen sind zwar gut, nur nicht gerade in Verbindung mit einer Steuersenkung. Steuersenkungen sind für mich zum jetzigen Zeitpunkt nicht das Mittel Wachstumsimpulse zu erzeugen. Wichtiger und wachstumsdienlicher ist vielmehr, die Sozialsysteme in den Griff zu bekommen.
Die Sozialversicherungen haben zur Zeit nämlich kein demografisches sondern nur ein konjunkturelles Problem. Die lang anhaltenden hohe Arbeitslosigkeit, der Rückgang der der Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten und die Ausweitung der beitragsfreien Entgeldumwandlung sind verantwortlich für die hohen Lohnnebenkosten und setzen ausserdem die Sozialversicherungen unter Druck.
Jeder Ruheständler, ob als Pensionär oder ´nur Rentner´ sollte sich vor der Wahl die Frage stellen, ob die Ansätze der Parteien zur Sanierung der Finanzen, Sozialsysteme und gleichzeitigen Wachstumsförderung die richtigen sind.
Wie stehen Sie zu dieser Ansicht?
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Jürgen Kleinwächter
Sehr geehrter Herr Kleinwächter
Zunächst gebe ich Ihnen recht mit Ihrer Einschätzung, dass die Steuervorschläge der CDU kein Konzept für mehr Wirtschaftswachstum und damit einen Beitrag zur Sicherung der Sozialsysteme leisten.
In unserem derzeitigen System sind die Renten wie Sie richtig sagen, beitrags- und damit lohnbezogen. Jedoch spielt dabei ja gerade die demographische Entwicklung eine wichtige Rolle, denn diejenigen, die Rente beziehen, werden von denen bezahlt, die zur selben Zeit die Beiträge bezahlen. Haben wir gleichzeitig sehr viele Rentner und sehr wenige, die einzahlen, entsteht ein Problem.
Sie weisen darauf hin, dass Renten für Ostdeutsche bzw. Aussiedler, die nicht in das System eingezahlt haben aus der Steuer finanziert werden müsste. Sicher ist dieser Anteil der Rentner eine Belastung für die Rentenkassen, jedoch zahlen auch deren Kinder und Enkel als Arbeitnehmer wieder in die Kasse ein, so dass sich die Zahlungen zu einem großen Teil ausgleichen durch mehr Beitragszahler. Darüber hinaus leistet der Staat ja auch einen Zuschuss aus Steuermitteln.
Ich gebe Ihnen recht, dass die Politik die Sozialsysteme in den Griff bekommen muss. Da spielt die hohe Arbeitslosigkeit und damit die Konjunktur eine große Rolle, denn hätten wir mehr Beitragszahler, ginge es auch den Sozialkassen automatisch besser. Angesichts der demographischen Entwicklung, die ja erst in den nächsten Jahren richtig zu Buche schlägt, ist es aber dringend erforderlich neben der beitragsfinanzierten Rentenversicherung auch eine kapitalgedeckte Versicherung aufzubauen, die dann tatsächlich direkt auf den Einzahlungen eines jeden einzelnen basiert.
Hierzu hat die rot-grüne Bundesregierung die Riesterrente eingeführt. Es besteht natürlich das Problem, dass diejenigen, die nicht die wirtschaftliche Kraft aufbringen Rücklagen in welcher Form auch immer zu bilden, bei der Rente auf die Zuwendungen aus der Pflichtversicherung angewiesen sind. Dieser Teil wird langfristig gesehen wahrscheinlich aber nur noch eine soziale Grundsicherung abdecken können.
Eine nachhaltig angelegte Politik muss heute schon die demographische Entwicklung in den Focus nehmen und zu Gunsten der jungen Generation das Rentensystem umbauen, sodass es nicht zu einem zwangsläufigen Zusammenbruch kommt.
Mit freundlichen Grüßen,
Friedrich Naehring