Frage an Franziska Stier von Volker M. R. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Liebe Franziska;
seit Jahren schon findet in Darfur, im Westen des Sudan, ein Völkermord statt, wo die Regierung des Sudan eine halbe Million Menschen umgebracht und den Rest der Bevölkerung, anderthalb Millionen Menschen, in die Nachbarländer Tschad und in die Zentralafrikanische Republik vertrieben hat.
Ihre Reitermilizen greifen selbst in den Nachbarländern die Flüchtlingslager an, morden, verstümmeln, vergewaltigen und plündern und verschleppen einen Teil der Bevölkerung nach Norden in die Sklaverei in den Plantagen des Niltales.
Bisher ist nur die Uno und die "Afrikanische Union" mit einer kleinen, leicht bewaffneten Truppe von Blauhelmen vor Ort, die nur beobachten und sich im Notfall selbst verteidigen dürfen.
Meine Frage ist:
Hat die Welt nicht eine ethisch-moralische Verpflichtung, den Genozid/Völkermord durch die sudanische Regierung dort mit allen Mitteln, die nötig sind, zu beenden?
(Die Konzentrationslager sind auch nicht durch die Friedensbewegung befreit worden, sondern durch alliierte Soldaten.)
Lieber Volker,
ich denke, „die Welt“ nimmt ihre ethisch-moralische Verpflichtung gegenüber den Völkern über die UNO wahr.
Deinem letzten Satz entnehme ich, dass du im Sinne des Friedens Truppen in den Sudan schicken würdest, um den Menschen vor Ort zu helfen.
Das ist ein hehres Ziel. Würde aber wahrscheinlich an der eigentlichen Problemsituation nichts zum Positiven verändern. Zumal jeder Militäreinsatz ohne UNO-Mandat völkerrechtswidrig ist.
Die Kolonialmächte zerstörten weite Teile der gesellschaftlichen Regelungen ehemaliger Hochkulturen. Mit dem Abzug blieben Trümmer und Grenzen die meist völkerrechtlicher Blödsinn sind. Das führt zwangsweise zu massiven Konflikten. Diese Folgen mit Gewalt von Außen lösen zu können ist ein Trugschluss.
Die derzeitige Mission wird von der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich dominiert, die logischerweise innerhalb der Bevölkerung verhasst ist. Im Weiteren meint auch die AG Frieden der Uni Kassel, dass: „Jede europäische Streitmacht […] aus historischer Erfahrung auf dem afrikanischen Kontinent zwangsläufig als Kolonialarmee wahrgenommen[wird].[…] Jeglicher militärischer Einsatz Europas - und auch der USA - ist vom imperialistischen Charakter seiner Träger geleitet. Die Bombardierung Khartums 1998 durch die Pentagon-Airforce wird in Sudans Hauptstadt ebenso wenig vergessen werden, wie das mehrfache Eingreifen der Pariser Fremdenlegionäre in Tschad und RCA.“ ²
Ein Eingreifen westlicher Truppen auf das Geschehen würde den Konflikt nur weiter schüren und zu noch mehr Toten führen. Im Irak sterben noch heute unzählige Menschen an den Folgen der im Krieg eingesetzten radioaktiven Munition und unzählige werden folgen. Ähnliches würde wahrscheinlich auch im Sudan Resultat westlicher Kriegsführung sein.
Außerdem zeigen Recherchen immer wieder, dass eine besondere Aufmerksamkeit der Westmächte auf die Bodenschätze des Sudans gelegt wird. „Ein deutsches Firmenkonsortium – beteiligt ist u.a. Thyssen-Krupp – hat […] den Zuschlag für ein Infrastrukturprojekt erhalten. Geschätztes Gesamtvolumen: ca. acht Milliarden US-Dollar, für die der Südsudan über seine dann sprudelnden Einnahmen aus dem Ölsektor selbst aufkommen soll. Anders gesagt: Es wurde sichergestellt, dass die Ölerlöse des Landes direkt in die Taschen deutscher Konzerne wandern.“³
Es geht also auch um die Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen. Dafür hat die UNO einen ungeschriebenen Grundsatz: keine Truppen von Ländern zu entsenden, die ökonomische Interessen in der Region haben, insbesondere nicht von Groß- und Mittelmächten.
Schlussendlich bleibt die Frage nach den Ursachen der Konflikte.
Zum einen sind diese natürlich völkerrechtlicher Natur. Hier will ich mich nicht über ein Votum der UNO hinwegsetzen, da sie die einzige Instanz ist, die hier einschreiten darf. Das Verhalten der westlichen Welt gegenüber den Konflikten in Afrika ist arrogant. Schließlich resultieren die meisten Konflikte aus der Kolonialzeit.
Die zweite wesentliche Ursache ist die unglaubliche Armut. Auch der Sudan zeichnet sich nicht gerade durch Reichtum aus. Wer den Menschen vor Ort also wirklich helfen will, sollte anstatt Soldaten zu schicken, lieber humanitäre Hilfe leisten. Zivile Hilfsprogramme und Projekte, die landlosen Bauern eine dauerhafte, eigenständige Perspektive bieten, sind notwendig. Man könnte beispielsweise auch multinationalen Konzernen den Zugang zu den Ölfeldern verweigern und stattdessen dafür sorgen, dass einheimische Unternehmen gefördert werden und deren Einnahmen der lokalen Bevölkerung zugute kommen. Nur nebenbei sei bemerkt, dass das unverantwortliche Verhalten der westlichen Industrieländer in der Klimapolitik dazu beiträgt, die Armut in Nordafrika zu verschärfen.
² http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/regionen/Tschad/frankreich4.html
³ http://tobiaspflueger.twoday.net/stories/2797661/