Franziska Brychcy
Franziska Brychcy
DIE LINKE
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Frage von Michael G. •

Frage an Franziska Brychcy von Michael G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Brychcy,

zu ihrer vorhergehenden Antwort möchte ich nachhaken. Für mich ist die Zeitschrift "Der Spiegel" wesentliches Element der politischen Meinungsbildung. Es gibt für mich nur 2 Möglichkeiten: entweder sie sind über die Verhältnisse im Gaza-Streifen nicht ausreichend informiert oder der Spiegel lügt. Die Gaza-Flotte war nicht erforderlich, um lebenswichtige Güter zu transportieren: die kommen hauptsächlich über Ägypten.
Aber das ist für die Berliner Wahl nicht wichtig.
Wie schätzen sie die Möglichkeiten der Linken im schwarz-gelb dominierten Steglitz-Zehlendorf ein?
Wie schätzen sie die Piraten-Partei in Berlin ein?

Mit freundlichen Grüßen

Michael Gericke

Franziska Brychcy
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Gericke,

vielen Dank für Ihre Fragen, die ich Ihnen gerne beantworte.

Zum Thema Medien: Ja, ich stimme Ihnen zu, dass "der Spiegel" ein wichtiges Meinungsmedium ist, aber ich finde, dass die Funktion der politischen Willensbildung, die über politische Gruppen, Parteien und auch über die Medien gefördert werden sollte, teilweise nicht erfüllt wird. Im Prinzip kann man dies ja nur an einzelnen Artikeln fest machen, in denen man analysieren kann, inwieweit sie verschiedene Positionen zu Wort kommen lassen, ob im Artikel selbst Fakten dargestellt werden oder ob Werturteile abgegeben werden, welche Axiome Kommentaren oder Bewertungen zu Grunde liegen. Wenn man z. B. mal auf der Spiegel Online-Seite stöbert, findet man kein Interview von Teilnehmern der diesjährigen Gaza-Flotille. Ich frage mich: Warum nicht? Unabhängige Pressearbeit bedeutet für mich, dass die verschiedenen Sichtweisen und Positionen differenziert dargestellt werden und sich dann der Leser selbst ein Bild machen kann. Bei der Diskussion um die Teilnahme einiger Vertreter der Partei die LINKE an der Gazaflotille habe ich einen grundlegenden Anspruch an journalistische Arbeit (Wahrhaftigkeit, Objektivität, Differenziertheit, Tiefe der Berichterstattung) teilweise extrem vermisst. Wenn dies einmal in einer Debatte der Fall ist, mag das noch hinnehmbar sein, aber wenn diese Defizite an unabhängiger Berichterstattung strukturell auftreten, müssen wir uns als Gesellschaft Gedanken um unsere Medienlandschaft, eventuell auch unser eigenes Konsumverhalten ("Kaufe ich ein reißerisches Blatt eher als eine anspruchsvolle Wochenzeitung?")  machen. Das finde ich sehr wichtig!

Sie fragten mich, wie ich die Möglichkeiten der LINKEN in Steglitz-Zehlendorf einschätze. Bisher gab es in der BVV in Steglitz-Zehlendorf eine schwarz-grüne Zählgemeinschaft. Die FDP und die SPD befanden sich in der Minderheit. Grundsätzlich ist natürlich Bezirkspolitik deutlich bürgernäher als die Landes- oder Bundespolitik, d. h. es gibt je nach Politikbereich viel eher parteiübergreifende Lösungsansätze als dies auf höheren Politik-Ebenen möglich ist. Dennoch argumentieren alle vier bisher in der BVV vertretenen Parteien oft polemisch anstatt sachorientierte Lösungen für die konkreten Probleme der Menschen anzustreben, nur um sich als Partei den anderen Parteien gegenüber zu profilieren. Teilweise werden in der BVV Anträge nur durch gestimmt und nicht einmal mehr diskutiert. Es mangelt an Transparenz und engagierter Bürgerbeteiligung (z. B. durch einen Bürgerhaushalt, einen Jugendhaushalt, ein Jugendparlament, die Möglichkeit von Online-Anfragen auf der Bezirksamtsseite, Veröffentlichung von Wortprotokollen der Ausschusssitzungen/ BVV-Sitzungen, Bürgerumfragen zu großen bezirklichen Vorhaben etc.)! Der Auftrag der Kontrolle des Bezirksamts durch die BVV wird nur unzureichend wahrgenommen.

Die LINKE hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese unhaltbaren Zustände aufzubrechen! Unser Ziel ist es, in die BVV einzuziehen und eine kritische Öffentlichkeit für die Handlungsweise der etablierten Parteien zu schaffen, die Kontrollrechte der Bezirksverordneten engagiert wahrzunehmen, eigene Lösungsansätze für bezirkspolitische Themen zu entwickeln (z. B. Sanierung und Nutzung des Steglitzer Kreisels, Landschaftspark Lichterfelde Süd, Bebauung Truman Plaza, Erhalt von Sport- und Freizeit-Einrichtungen für Kinder und Jugendliche, personelle Besetzung der Jugendhilfe und des Bürgeramtes, Stadtbad Steglitz etc.). Steglitz-Zehlendorf ist verglichen mit anderen Bezirken zwar ein überdurchschnittlich wohlhabender Bezirk, aber hier geht die Schere zwischen "arm" und "reich" auch besonders weit auseinander. Die LINKE Steglitz-Zehlendorf wird sich dafür einsetzen, dass es bezahlbaren Wohnraum im Bezirk gibt, dass der Schwerpunkt der bezirklichen Ausgaben auf Bildungs- und Jugendpolitik liegt, dass der Forschungsreaktor Wannsee abgeschaltet wird, dass Berlin so weit es geht nicht von Flugzeugen überflogen wird, dass Radwege und Busverbindungen ausgebaut werden und dass die Bürger_innen, die hier leben und selbst von den Entscheidungen betroffen und involviert sind, mit entscheiden können! Wir werden das offene Gespräch mit allen demokratischen Parteien suchen, um für Zustimmung für diese Vorhaben zu werben, um eine Verbesserung für die Menschen im Bezirk zu erreichen. Wenn dies einmal nicht möglich sein sollte, werden wir politische Prozesse kritisch begleiten, eine Öffentlichkeit dafür schaffen, die Bürger_innen des Bezirks selbst ermutigen, für ihre Belange einzutreten und sich mit ihren Sorgen und Anliegen an die Bezirksverordneten aller Parteien zu wenden, denn dafür sind sie da! Wir als LINKE sind die neue Kraft in Steglitz-Zehlendorf und werden uns mit all unserem Engagement für die Menschen hier im Bezirk einsetzen!

Schließlich fragten Sie mich zur Piraten-Partei in Berlin, wie ich diese einschätze. Ich bin der Überzeugung, dass sie hier in Berlin eine progressive Partei ist, die sich für die Rechte der Menschen einsetzen will und dass sie das tradierte Fünf-Parteiensystem - zumindest auf Landesebene - aufbrechen könnte. Es ist eine sehr junge Partei, die nicht zum gesamten Spektrum der politischen Themenfelder fundierte Positionen entwickelt hat. Obwohl es Überschneidungspunkte mit der LINKEN gibt (z. B. Diskussion um ein bedingungsloses Grundeinkommen, Mindestlohn), fehlt in ihrer Programmatik meiner Meinung nach eine fundierte Analyse des Wirtschaftssystems und konkrete Antworten auf die soziale Frage. Was Themen wie z. B. Demokratie, Teilhabe, Transparenz, Bildung und Migration anbelangt, vertreten sie ähnlich progressive Positionen wie die LINKE. Auf ökologische Fragen und die Beteiligung an militärischen Einsätzen gibt das Wahlprogramm der Piraten aber keine Antwort.

Ich hoffe, dass ich auf Ihre Fragen zufriedenstellend antworten konnte.
Für weitere Fragen stehe ich Ihnen sehr gerne zur Verfügung!

Mit freundlichen Grüßen

Franziska Brychcy

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