Frage an Franz-Josef Holzenkamp von Dieter D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Holzenkamp,
obwohl einem Mitglied der Partei, die für die Goutierung obskurer finanzieller Aktivitäten ihres Spitzenpersonals bekannt und berüchtigt ist - Kohl (Ehrenwortträger), Schäuble (eben mal 100.000 € verbaselt), Koch (ebenmal brutal die Herkunft jüdischer Erblassungen aus Liechtenstein unter den Teppich gekehrt) - glaube ich mit Recht zutrauen muss, dass er der Zahlung einer Bonifikation für 1400 Angehöriger der HRE in Einvernehmen mit den Granden Ihrer Partei als durchaus gerechtfertigt ansieht, bitte ich Sie, zu diesem Kasus Ihren Standpunkt darzulegen.
Ich weiss nicht was Ihre Partei reitet, die Politikverdrossenheit mit jeder sich bietenden Möglichkeit zu fördern, damit der Demokratie Schaden zuzufügen und dem Wahlbürger konsequent jedes Recht abzusprechen direkt auf konkrete Missbrauchsfälle Einfluss zu nehmen. Dabei ist das Verschenken des Eigentums der Bürger in diesem Fall gegenüber der Privatisierung der Bundesbahn und der Post, die ein immenses Volksvermögen darstellten, ohne die Bürger einzubeziehen, marginal. Die Handlungsweise der Bundesregierung in der Atompolitik, ihre Kungelei mit den Energiekonzernen (wurden den Kungeler wenigstens Posten angeboten, wie Schröder und Fischer sie erhalten haben, nachdem sie ihre Auftraggeber bedient hatten, oder müssen sie nach ihrem Ausscheiden aus der Politik mit ihren Pensionen ein erbärmliches Dasein fristen?). Bitte stellen Sie Ihren Standpunkt zur direkten Bürgerbeteiligung dar. Sie sollten dabei bedenken, dass Sie gerechnet auf die Anzahl der Wahlbürger eigentlich kein Mandat erhalten haben.
Mit freundlichen Grüssen
Dieter Drajewski
Sehr geehrter Herr Drajewski,
Es ist bemerkenswert und nicht nachvollziehbar, wenn eine hochverschuldete, staatlich gestützte Bank ihren Mitarbeitern Boni in Höhe von 25 Mio. Euro auszahlen will.
Laut Bundesregierung, die über diese Entscheidung informiert gewesen ist, handelt es sich bei den Boni um Ausgleichszahlungen. Hiermit sollen höhere Ansprüche von HRE-Mitarbeitern abgegolten werden. Würden Mitarbeiter diese Ansprüche in Arbeitsgerichtsprozessen durchsetzen, hätte man mit einem vierfachen Betrag rechnen müssen.
Trotzdem: So etwas hätte nicht passieren dürfen. Deshalb prüft die Bundesregierung alle rechtlichen Möglichkeiten, um vergleichbare Sonderzahlungen zu begrenzen.
Ich denke, dass weder von Politikverdrossenheit in Deutschland die Rede sein kann, noch dass Volksentscheide auf Bundesebene die Demokratie beleben würden.
Direkte Demokratie sieht bereits Beteiligungen durch Volksentscheide vor. In den einzelnen Bundesländern gibt es hierfür unterschiedliche Verfahren und Regelungen über die Verbindlichkeit von Volksentscheiden für die jeweiligen Landesregierungen. Dieses Instrument wird auf Landesebene auch entsprechend genutzt.
Grundsätzlich bin ich der Auffassung, dass man nicht bei schwierigen Entscheidungen einen Volksentscheid fordern kann und einfache Fragen durch den Deutschen Bundestag regeln lassen sollten.
Komplexe und schwierige Themen, die die Grundfragen unseres Staates betreffen, sollten nicht nach aktuellen Stimmungen oder aufgrund von Zufallsmehrheiten entschieden werden. Ein Beispiel, wie man eine populistische Kampagne unter dem Deckmantel eines Volksentscheides führen kann, hat der Berliner Senat vorgeführt, in dem er eine Zukunft des Flughafens Tempelhof mit der Argumentation „Kein Flughafen für Reiche“ begrub. Darüber hinaus ist die Beteiligung der Bürger bei Volksentscheiden deutlich geringer als bei Wahlen.
In Bayern sorgte der Volksentscheid „Ja zum Nichtraucherschutz“ Anfang Juli für Aufsehen. Der Nichtrauscherschutz wurde 2008 in bayerischen Gaststätten und Kneipen erst eingeführt und dann wieder gelockert. Am Volksentscheid beteiligten sich knapp 38 Prozent der Wahlberechtigten Bayern und gewannen mit einfacher Mehrheit. Letztendlich belaufen sich die Befürworter auf knapp 23 Prozent.
Die parlamentarische Gesetzgebung setzt intensive Beratungen in verschiedenen Gremien wie den Fachausschüssen des Deutschen Bundestages, Anhörungen von Sachverständigen sowie Technikfolgenabschätzungen voraus, bei denen Kompromisse ausgehandelt werden. Grundlegende Entscheidungen, wie die Aufstellung der Bundeswehr, Beitritt zur NATO, die Einführung des Euro, eventuell auch die Wiedervereinigung, wären so bei einem bundesweiten Volksentscheid möglicherweise nicht getroffen worden.
Diese Systematik hat sich in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland bewährt. Davon grundsätzlich abzukehren, halte ich nicht für den richtigen Weg.
Darüber hinaus möchte ich zu bedenken geben, dass die Bundesregierung von der Mehrheit der Wählerinnen und Wähler demokratisch gewählt wird und somit demokratisch legitimiert ist. Diese Tatsache darf und kann man nicht bei jeder zu treffenden Entscheidung in Frage stellen.
Mit freundlichen Grüßen
Franz-Josef Holzenkamp