Frage an Frank-Walter Steinmeier von Sylvia S. bezüglich Innere Sicherheit
vielen Dank für Ihre Antwort am 09.05.2016. Leider trifft sie nicht den Kern meiner Frage.
Ich stimme überein, dass wir eine moralische Verantwortung haben, bei Verstößen gegen das Völkerrecht und die Menschlichkeit einzugreifen, wenn es ein verlässliches Konzept gibt, die Zustände zu verbessern.
Zum Kosovo-Krieg gibt es nun unterschiedliche Informationen, wie z. B. diese Recherche ( https://www.freitag.de/autoren/berlino1010/nato-terror-legitimiert-durch-luegen ), die den Wahrheitsgehalt einiger Behauptungen über die Zustände im Kosovo anzweifelt.
Interessanterweise hat auch Gerhard Schröder diesen Krieg „ein Verstoß gegen das Völkerrecht“ genannt. ( http://gerhard-schroeder.de/2014/03/09/matinee-der-wochenzeitung-zeit/ )
Besonders möchte ich aber auf die auf Lügen basierenden Angriffe der NATO, insbesondere im Irak hinweisen. Auch der Vorwand, um Afghanistan anzugreifen, war lächerlich. ( http://www.sopos.org/aufsaetze/4eaeaf101d81e/1.phtml oder https://www.freitag.de/autoren/dklose/die-usa-ein-schurkenstaat )
Auch hier sehe ich unsere moralische Pflicht, für das Menschen- und Völkerrecht einzustehen und Verstöße anzuprangern und Konsequenzen zu ziehen. Machen wir uns als Wertegemeinschaft durch das Tolerieren solcher Aktionen ohne darauf mit eindeutigen Konsequenzen zu reagieren nicht absolut unglaubwürdig?
Wozu gibt es das Völkerrecht, wenn aus eigenen Reihen ohne Sanktionen einfach dagegen verstoßen werden darf?
Die NATO präsentiert sich dadurch nach außen als die Militärmacht, die alles darf, ohne Rücksicht auf (auch zivile) Verluste. So ist auch nicht verwunderlich, wenn sich Russland durch eine verstärkte NATO-Präsenz „vor der Haustür“ bedroht fühlt.
Erst wenn wir die moralische Legitimation unseres eigenen Bündnisses aufarbeiten und auf rechtlich haltbaren Boden stellen, können wir uns herausnehmen über die Aktionen anderer zu richten.
Nun frage ich mich, wieso die Bundesrepublik in diesen Fällen eindeutige Völkerrechtsverletzungen duldet?
Sehr geehrte Frau Schröder,
wir übersenden gern noch einmal die Einschätzung der Bundesregierung zu den von Ihnen genannten Einsätzen:
Der NATO-Einsatz im Frühjahr 1999 war notwendig, um eine im Kosovo unmittelbar bevorstehende humanitäre Katastrophe zu vermeiden. Das war damals und ist bis heute die Einschätzung der Bundesregierung, auch wenn ihr selbstverständlich bekannt ist, dass es dazu unterschiedliche Rechtspositionen gibt.
Seit September 1999 ist der NATO-Einsatz im Kosovo selbst (KFOR) auch durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen legitimiert.
Die US-Operation von 2003 im Irak war kein NATO-Einsatz. Die heute laufende Unterstützung des Irak gegen IS ist ebenfalls kein NATO-Einsatz; sie erfolgt im Übrigen mit Zustimmung der Regierung des Irak und kann schon deshalb keinen Bruch des Völkerrechtes darstellen.
In Afghanistan hat die NATO ab 2003 die Führung der International Security Assistance Force (ISAF) übernommen, die inzwischen von der Ausbildungsmission „Resolute Support“ abgelöst wurde. Beide sind vom Sicherheitsrat der VN mandatiert. Beim US-Einsatz in Afghanistan ab Oktober 2001 handelte es sich dagegen um keine NATO-Operation, ebenso nicht bei der ebenfalls in Afghanistan tätigen „Operation Enduring Freedom“, die beide durch das Selbstverteidigungsrecht völkerrechtlich legitimiert sind.
Unsere Einschätzung zur defensiven, internationale Verpflichtungen respektierenden Reaktion der NATO auf das völkerrechtswidrige Verhalten Russlands in der Ukraine (Annexion der Krim, Destabilisierung der Ostukraine) haben wir bereits dargelegt. Ebenso, dass die Bundesregierung den Gesprächsfaden mit Russland nicht abreißen lassen wird.
Mit freundlichen Grüßen
Team Steinmeier
Anikó Rumpler
Leiterin des Abgeordnetenbüros