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Frage von Johann Lambert B. •

Frage an Frank-Walter Steinmeier von Johann Lambert B. bezüglich Jugend

Gegenfrage: Ich danke für Ihre Antwort vom 18.05.2015, der ich jedoch entschieden Widersprechen muss. Wenn das OEG den Normen des Artikel 39 der Kinderrechtskonvention genüge tragen soll, dann kann es nicht sein, dass minderjährige Opfer von Menschenrechtsverbrechen das OEG nur dann nutzen können, wenn sie gesundheitliche Folgeschäden nachweisen können. In Artikel 39 der KRK sind keine Beschränkungen bezüglich gesundheitlicher Folgeschäden vorgesehen. Folglich erfüllt ihr OEG nicht die Norm des Artikel 39 der Kinderrechtskonvention. Denn Menschenrechtsverbrechen wie Bildungsvorenthaltung, aber auch sexuelle Gewalt, lässt nicht automatisch Folgekrankheiten entstehen. Welches Gesetz sollen also diese minderjährigen Menschenrechtsopfer benutzen, die keine gesundheitlichen Schäden davontrugen, um in staatliche Widergutmachung zu gelangen?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Beckers,

vielen Dank für Ihre erneute Anfrage an Herrn Steinmeier. Gern möchte ich Ihnen nach Rücksprache mit dem zuständigen Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend folgende Antwort zukommen lassen.

In Artikel 39 der VN-Kinderrechtskonvention, die in Deutschland am 5. April 1992 in Kraft getreten ist, ist geregelt, dass alle Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen treffen, um die physische und psychische Genesung und die soziale Wiedereingliederung eines Kindes zu fördern, das Opfer irgendeiner Form von Vernachlässigung, Ausbeutung oder Misshandlung, der Folter oder einer anderen Form grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe oder aber bewaffneter Konflikte geworden ist. Ziel dieser Vorschrift ist die Genesung und die Wiedereingliederung eines Kindes in die Gesellschaft. Diese Pflicht gilt für Kinder im Sinne der VN-Kinderrechtskonvention, d.h. für junge Menschen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres (vgl. auch die Denkschrift zu Artikel 1 VN-Kinderrechtskonvention, Bundestags-Drucksache 12/42 vom 24. Januar 1991, S. 29 bis 53).

Dieses Ziel wird in Deutschland unter anderem durch die Regelungen der Kinder- und Jugendhilfe im Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) sichergestellt. Die Kinder- und Jugendhilfe hat gemäß § 1 Absatz 3 SGB VIII den Auftrag, junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung zu fördern und dazu beizutragen, Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen sowie Eltern bei der Erziehung zu beraten und zu unterstützen. Sie hat weiterhin den Auftrag, Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen, und zu helfen, positive Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre Familien sowie eine kinder- und familienfreundliche Umwelt zu erhalten oder zu schaffen. Im Rahmen ihrer Leistungen unterstützt die Kinder- und Jugendhilfe daher Kinder und Jugendliche, die Opfer einer in Artikel 39 genannten Handlung geworden sind, in ein selbstbestimmtes Leben in der Gesellschaft zurückzufinden.

Die Prävention und Intervention im Kinderschutz ist gestärkt worden durch das am 1. Januar 2012 in Kraft getretene Bundeskinderschutzgesetz. Es schafft die Grundlage für umfassende Verbesserungen im Kinderschutz in Deutschland und stärkt alle wichtigen Akteure, insbesondere die Kinder selbst. Das Gesetz bringt Prävention und Intervention gleichermaßen voran und steht für bessere Unterstützungsangebote für Familien, Eltern und Kinder, mehr Zusammenarbeit der relevanten Akteure und starke Netzwerke im Kinderschutz. Kinderärzte, Familienhebammen, Jugendämter, Familiengerichte wirken zusammen, um Risiken und Gefahren für Kinder und Jugendliche aktiv vorzubeugen oder diese wirksam abzuwenden. Das Gesetz basiert auf einem intensiven Austausch mit den Fachleuten der Länder, Kommunen, Verbände und der Wissenschaft. Es greift Erkenntnisse des Aktionsprogramms „Frühe Hilfen“ und Erfahrungen aus der Arbeit der Runden Tische „Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren“ und „Sexueller Kindesmissbrauch“ auf.
Auf der Grundlage des Abschlussberichtes des Runden Tisches Sexueller Kindesmissbrauch hat der Bund ein Ergänzendes Hilfesystem für Betroffene sexuellen Missbrauchs eingerichtet (fonds-missbrauch.de). Weiterführende Informationen finden sich auch auf den Seiten der ebenfalls aufgrund der Empfehlungen des Runden Tisches eingerichteten Stelle des „Unabhängigen Beauftragten für Fragen des Sexuellen Kindesmissbrauchs“ (beauftragter-missbrauch.de).

Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig hat darüber hinaus am 22. September 2014 ein Gesamtkonzept für den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt vorgestellt, das über die Zuständigkeitsgrenzen hinweg umfassende Verbesserungen zum Ziel hat. Es baut auf den Empfehlungen des Runden Tisches Sexueller Kindesmissbrauch und dem Aktionsplan 2011 zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung auf.

Mit freundlichem Gruß
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Mitglied des Deutschen Bundestages
Bundesminister des Auswärtigen