Frage an Frank Tempel von Torsten R. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Tempel,
herzlichen Dank für Ihre ehrlichen Antworten. Ergänzend zu Frage 3 würde ich von Ihnen (Wahl selbstverständlich vorausgesetzt) gern wissen:
1.
Welche Maßnahmen könnte man von Ihnen als MdB erwarten, wenn der künftige Bundesinnenminister das "law and order"- Prinzip (unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung) ausweitet? Abgestellt wird bei meiner Frage auf die immer weiter gehende Aushöhlung des (ohnehin nur auf dem Papier bestehenden) Datenschutzes sowie auf Maßnahmen wie des Bundeswehreinsatzes (Tornados) in Heiligendamm?
2.
Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass aus "Angst vor sozialen Unruhen" die LfV bzw. der Staatsschutz die Bevölkerung (z.B. bestimmte Stadtteile -soziale Brennpunkte- in Jena) unter Generalverdacht stellen (vgl. u.a. http://www.welt.de/politik/article4020387/Bundesregierung-rechnet-mit-sozialen-Unruhen.html )?
3.
Ihre Einschätzung als Innenpolitiker der LINKE: wird es im Fall "sozialer Unruhen" (also eigentlich: dem Protest gegen wachsende Armut und auseinanderklaffender Lebensverhältnisse) ebenfalls eine "friedliche Lösung" (in der DDR fiel 1989 kein Schuss) geben? Oder wird die Polizei als Teil der Exekutive mit allen Mitteln (als ultima ratio auch der Schusswaffengebrauch im Rahmen der Polizeiaufgabengesetze) die "Gewähr der freiheitlich-demokratische Grundordnung" durchsetzen (da ja der Bundeswehreinsatz nach innen offen diskutiert wird)?
Herzlichen Dank im Voraus für Ihre Antworten auf diese sicher nicht unbrisanten Fragen.
Mit freundlichen Grüßen
Torsten Röder
Zu 1)
Für den Bürger ist es schwierig nachzuvollziehen, wenn solche Maßnahmen pauschal als Verletzung der Bürgerrechte abgelehnt werden. Ich würde das Potential eines Abgeordneten nutzen, argumentativ in- und außerhalb des Parlamentes zu antworten. Abgesehen davon, dass ein Tornadoeinsatz (Bundeswehr) sowieso GG - widrig war, ist er zum angegebenen Zweck der Aufklärung auch völlig ungeeignet. Das hätten Hubschrauber besser erledigen können und die stehen auch der Polizei zur Verfügung. Es ging also um Einschüchterung und Provokation. Es muss öffentlich diskutiert werden, dass solche Maßnahmen nicht wie versprochen die Sicherheit erhöhen, sondern sogar gefährden. Leider würden viele Bürger für eine gefühlte Sicherheit eine Einschränkung der Bürgerrechte in Kauf nehmen. Das gilt eben auch für den Datenschutz. Es kommt also darauf an die wahren Ziele zum einen zu entlarven, als auch die Verfehlung des offizielen Zweckes zu beweisen. dabei sollten mir meine Erfahrungen aus der Praxis helfen. Ein MdB hat dann auch die Verpflichtung für die Wahrung des GG vor dem Verfassungsgericht zu streiten.
Zu 2)
Das ist durchaus mit den oben angesprochenen Maßnahmen zur Einschränkung der Bürgerrechte zu sehen. Es ist ja nicht so, dass der regierenden Politik nicht klar ist, dass sie eine ungerechte Politik betreiben, und sie wissen auch, dass dies zu Unzufriedenheit führen wird. Da sozial Schwache von dieser Politik am schwersten betroffen sind, weiß man auch, wo dieser Widerstand am stärksten auftreten wird. Also versucht man seit Jahrzehnten den Boden für eine Überwachungsmentalität zu bereiten, in dem man entsprechende Gesetze als plausibel und unbedingt für die Sicherheit notwendig beschreibt. Gleichzeitig versucht man jeglichen Widerstand sofort in den Bereich einer Terrorgefahr zu schieben. Siehe die Durchsuchungen bei den Organisatoren des Protestes in Heiligendam. Hier hat ja später zum Glück das Verfassungsgericht noch einmal bestätigt, dass die Anwendung der sog. Antiterrorgesetze unrechtmäßig waren. Das wird aber weiter versucht werden. Man schürt die Angst vor den "sozialen Brennpunkten", den darauf folgenden Ausschreitungen und kriminellen Erscheinungen - und weckt beim sicherheitsbedürftigen Bürger die "Einsicht" dass hier natürlich besondere Maßnahmen erforderlich sind. Rein rechtlich kann man sagen, dass für Gefahren abwehrende Maßnahmen noch keine Straftaten vorliegen müssen. Es müssen Fakten vorliegen, die eine Gefahr begründen. Dieser Fakt ist, dass durch Verarmung immer größerer Bevölkerungsschichten ein Anstieg von Gewalt- und Eigentumskriminalität zu erwarten ist. Die Politik kann nun die Ursachen dieser "Brennpunkte" bekämpfen oder die entstandene Wirkung bearbeiten. Die heute regierenden entscheiden sich für das Zweite. Das man mit diesen kriminellen Auswüchsen auch gleichzeitig politischen Widerstand kontrollieren und krim inalisieren kann, wird nicht kommuniziert aber praktiziert werden. Etwas anderes anzunehmen währe naiv.
Zu 3)
Ich denke genau hier liegt der Grund für die langwirigen Versuche (Schäuble - Schily - Schäuble) das GG für einen Bundeswehreinsatz im Innern zu ändern. Die Polizei ist sehr nahe an der Bevölkerung und schwerer als kasernierte Truppen zu beeinflussen. Ich wahr erlich erschrocken, als im Rahmen der Proteste am Heiligendam Gummigeschosse ins Gespräch gebracht wurden. Es besteht jedenfalls die Gefahr, dass Proteste von Gewalt begleitet werden (aus Wut, aus Gewaltlust von Trittbrettfahrern - oder vieleicht initiert und provoziert), und diese Gewalt als Anlass genommen wird ,den gesamten Protest zu kriminalisieren. Zu Heiligendamm war viel über die Ausschreitungen in Rostock in den Medien zu lesen, aber wenig über die politischen Aussagen des Protestes. Das hat Methode. Ich kann leider nicht sagen, wie sich eine Polizei in Deutschland gegenüber einen medial "kriminalisie rten" Protest verhalten wird. Auf jeden Fall warne ich immer wieder davor, dass jeder Stein, der gegen Polizisten, Autos oder Schaufenster geworfen wird, denen hilft, die Protest difamieren und kriminalisieren wollen. Fakt ist, Ausschreitungen wie in Rostock, wo immer auch die Ursachen lagen, nutzen Schäuble und Co. in ihrer Argmentation - nicht dem Anliegen der Protestierenden.