Frage an Frank Steffel von Bernhard M. bezüglich Innere Sicherheit
Zu den größten Bedrohungen, denen wir derzeit ausgesetzt sind, gehören die Atomkraftwerke in Belgien. Trotzdem werden diese aus Deutschland mit Brennelementen beliefert. Wird Ihre Partei im Fall eines Wahlsieges das Atomgesetz so ändern, dass diese Lieferungen gestoppt werden können und warum haben Sie das in den letzten 4 Jahren nicht gemacht?
Sehr geehrter Herr M.,
vielen Dank für Ihre Frage über das Portal "abgeordnetenwatch", die ich wie folgt beantworten möchte:
Ich verstehe Ihre Bedenken und habe bei unseren Experten folgende Informationen über das Thema eingeholt.
Seit längerem werden von verschiedenen Seiten in der Öffentlichkeit die belgischen Reaktoren Doel 3 und Tihange 2 wegen sogenannter „Wasserstoffflocken“ (Kohlenstoffseigerungen) in den Wandungen der Druckbehälter als Risiko bezeichnet.
Die deutsche Reaktorsicherheitskommission (RSK), eine unabhängige Expertenkommission des Bundesumweltministeriums, hat im April 2016 bereits festgestellt, dass ein Integritätsverlust der Wandungen der Druckbehälter aufgrund der Wasserstoffflocken nicht zu erwarten ist.
Die belgische Atomaufsichtsbehörde FANC teilt die „massiven“ Sicherheitsbedenken nicht. Sie hat Ergebnisse neuester Ultraschalluntersuchungen am Druckbehälter des Reaktors Tihange 2 veröffentlicht. Ergebnis ist, dass sich weder die Zahl noch die Größe der „Wasserstoffflocken“ in den Wandungen des Druckbehälters während des Betriebes des Reaktors verändert haben. Deshalb steht für die belgische Aufsichtsbehörde einem Anfahren des Reaktors aus Sicherheitsgründen nichts mehr im Wege. Bei Doel 3 wurden diese Ultraschalluntersuchungen bereits im Dezember 2016 mit gleichem Ergebnis abgeschlossen, weshalb der Reaktor schon länger wieder am Netz ist.
Eine Versagung von Ausfuhrgenehmigungen für deutsche Brennelemente an die belgischen Reaktoren Doel 3 oder Tihange 2 ist rechtlich nicht möglich.
Jeder Staat ist für seinen Energiemix alleinig zuständig. Dies gilt auch für die Nutzung der Kernenergie zur kommerziellen Stromerzeugung. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung keinen direkten Einfluss auf eine mögliche Abschaltung der belgischen Reaktoren. Jedoch wurde unter der Federführung der Bundesumweltministerin Ende letzten Jahres ein Nuklearabkommen zwischen Deutschland und Belgien abgeschlossen. Zentraler Kern ist die Einrichtung einer gemeinsamen deutsch-belgischen Expertenkommission, die sicherheitstechnische Fragen behandeln soll. Das erste Treffen fand im Juni dieses Jahres statt. Auch Experten aus Nordrein-Westfalen werden diesem Gremium angehören. Hier ergibt sich die Möglichkeit, dass deutsche Experten die neuen Befunde selbst prüfen und bewerten können. Die Bundesumweltministerin ist nun am Zug, dafür Sorge zu tragen, dass den deutschen Experten alle notwendigen Unterlagen zeitnah zur Verfügung gestellt werden, um eine gründliche Bewertung vornehmen, und ggf. Vorschläge für eine Verbesserung der Sicherheit machen zu können.
Der größte Einfluss Deutschlands, auf kerntechnische Sicherheitsfragen einwirken zu können, ist auf der Ebene europäischer und weltweit operierender Gremien.
In Deutschland werden weltweit immer noch die sichersten Kernkraftwerke mit den höchsten Sicherheitsstandards betrieben. Deshalb muss aus unserer Sicht alles dafür getan werden, dass diese Standards auch international verankert werden. Hierfür sind der Erhalt und die Entwicklung deutscher Kompetenz in der Kerntechnik notwendig, nicht zuletzt wegen des noch laufenden Restbetriebes der letzten Kernkraftwerke bis Ende 2022 und des noch viele Jahre dauernden Rückbaus der Reaktoren.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Frank Steffel