Portrait von Frank Kuschel
Frank Kuschel
DIE LINKE
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Frank Kuschel zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Michael W. •

Frage an Frank Kuschel von Michael W. bezüglich Innere Sicherheit

Wie die Erfahrung zeigt, werden Gesetze durch die Landesregierung und die Thüringer Gerichte oftmals anders ausgelegt, als es aus dem Wortlaut der Paragraphen hervorgeht. Paradebeispiel dafür ist das Thüringer Kommunalabgabengesetz. Können Sie diese Aussage nachvollziehen? Haben Sie Verständnis dafür, dass viele Thüringer deshalb an dem vielgepriesenen Rechtsstaatscharakter der Bundesrepublik zweifeln? Welche Möglichkeiten sehen Sie als Landtagsabgeordneter, diesem Zustand abzuhelfen?

Portrait von Frank Kuschel
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Wilhelm,

in meiner bisherigen Arbeit als Landtagsabgeordnete habe ich ähnliche Erfahrungen wie Sie gemacht. Tatsächlich bestehen Widersprüche zwischen dem Willen des Gesetzgebers, der sich in den Gesetzestexten wiederspiegelt, und der Gesetzesumsetzung durch die Vollzugsbehörden sowie der Gesetzesinterpretation durch Gerichte. Zwei aktuelle Beispiele möchte ich Ihnen an dieser Stelle hierfür nennen und mich dabei auf den Bereich „Kommunalabgaben“ beschränken, weil Ihre Frage auf diesen Bereich abstellt.

1.

Im Zusammenhang mit der Erhebung von Abwasserbeiträgen war es Wille des Gesetzgebers, dass Grundstücke, auf denen kein Abwasser anfällt, beitragsfrei bleiben. In der Praxis werden jedoch Grundstücke beitragspflichtig gestellt, von denen zwar tatsächlich kein Abwasser einer Entsorgungseinrichtung zugeführt wird, die jedoch eine so genannte untergeordnete Bebauung aufweisen (z. B. eine Garage, eine Scheune oder ein Carport). Die Landesregierung und einige kommunale Zweckverbände missachten damit den Willen des Gesetzgebers und belasten die Betroffenen finanziell zusätzlich.

2.

Als 1991 der Landtag die Einführung der Straßenausbaubeiträge beschloss, sollte erreicht werden, dass die Gemeinden und Städte selbst entscheiden können, ob sie diese Form der Kostenbeteiligung der Bürger an kommunalen Straßenausbaumaßnahmen zur Anwendung bringen. Die Kommunen sollten also ein Ermessen haben. Dies war bis 2005 auch mehr oder weniger kommunale Praxis. Im Mai 2005 hat jedoch das Thüringer Oberverwaltungsgericht entschieden, dass der Gesetzestext entgegen diesem gesetzgeberischen Willen auszulegen ist. Das Gericht vertritt die Auffassung, dass in Thüringen die Kommunen bei der Erhebung kein Ermessen haben. Vielmehr seien sie verpflichtet, für alle Straßenausbaumaßnahmen Straßenausbaubeiträge (und das sogar rückwirkend bis 1991) zu erheben und dies auch noch in einer bestimmten Höhe. Infolge dieses Urteils hätte eigentlich der Gesetzgeber handeln und das Gesetz entsprechend dem ursprünglichen Willen neu fassen müssen. Doch die CDU im Landtag blockierte eine solche gesetzliche „Nachbesserung“. DIE LINKE im Landtag hatte hierzu mehrere Gesetzentwürfe und Anträge gestellt, die jedoch abgelehnt wurden.

Die Gründ hierfür sind unbestritten vielfältig. Zum einen will wohl die CDU an diesem überholten Finanzierungssystem für Straßenausbaumaßnahmen festhalten. Zum anderen hat die CDU offenbar jeden Bezug zur Praxis verloren und überlässt den Gerichten und Vollzugsbehörden die Politikgestaltung. Deshalb wird es höchste Zeit, die CDU in Thüringen aus der Regierungsverantwortung abzuwählen.

Die von Ihnen beschriebenen Widersprüche entstehen auch deshalb, weil die Gesetzesformulierungen in manchen Fällen einfach zu ungenau, zu unbestimmt und zu stark auslegungsfähig erfolgten. Umgangssprachlich kann man da durchaus von „handwerklichen Mängeln“ sprechen. Die CDU nimmt diese billigend in Kauf, denn in den Gesetzgebungsverfahren gab es oft dementsprechende Hinweise von Sachverständigen und den Oppositionsfraktionen. Doch diese Hinweise wurden und werden oft wegen ideologischer Verblendung seitens der CDU negiert. Die Folgen haben die Bürger zu tragen. Diese Form der Politik muss ein Ende haben. Dass eine Vielzahl von CDU-Gesetzen durch das Verfassungsgericht in Thüringen für rechtswidrig oder nichtig erklärt wurden (z.B. Kommunalwahlgesetz, Kommunalabgabengesetz, Kommunales Finanzausgleichsgesetz), bekräftigt meine Aussagen.

Selbst die CDU müsste erkennen, dass das Vertrauen in den Rechtsstaat sinkt, wenn der Gesetzeswille in der Praxis nicht mehr oder nur teilweise zur Wirkung kommt. Dieser Vertrauensverlust schlägt sich in Politikverdrossenheit nieder und ist deshalb für die Demokratie schädlich.

Als Landtagsabgeordneter kämpfe ich schon seit Jahren gegen diese Art von Politikverständnis der CDU. Klar, es können in einem Gesetzgebungsverfahren immer Fehler auftreten. Doch diese könnten (und müssten) behoben werden, wenn es einen entsprechenden politischen Willen gäbe. Doch diesen Willen lässt die CDU vermissen. Ich selbst habe da auch keine Hoffnung mehr, dass diesbezüglich die CDU ihr Handeln ändert. Deshalb kämpfe ich darum, dass die CDU aus der Regierungsverantwortung gewählt wird. Dies entscheidet jedoch der Wähler am 30. August zur Landtagswahl. DIE LINKE hat eine Vielzahl von Alternativen aufgezeigt. Dadurch kann der Wähler am 30. August tatsächlich zwischen den verschiedenen Politikmodellen entscheiden und wählen.

Für mich ist es selbstverständlich, dass Hinweise von Sachverständigen und den Bürgern in Gesetzgebungsverfahren Beachtung finden. Hierzu müssen jedoch Gesetzentwürfe öffentlich diskutiert werden. Die CDU scheut diese öffentliche Diskussion, was bei der jüngsten Novelle des Kommunalabgabengesetzes vor wenigen Tagen wieder deutlich wurde. Die CDU verhinderte dabei eine öffentliche Anhörung zu diesem Gesetzentwurf, für mich ein Skandal, auch weil die Bürger gerade von diesem Gesetz im starken Maße betroffen sein werden. Gesetze müssen im Interesse der Menschen gemacht werden und deshalb ist der Dialog mit den Betroffenen so wichtig.

Die praktische Wirkung von Gesetzen muss zudem laufend überprüft werden und zwar vom Gesetzgeber selbst. Hierzu müssen entsprechende Verfahren und Methoden entwickelt werden. Im Kommunalabgabenrecht, von dem nahezu alle Bürger betroffen sind, wäre dies über einen Kommunalabgabenbeirat auf Landesebene möglich. Diesen Vorschlag hat die Thüringer Bürgerallianz, die Dachorganisation der Bürgerinitiativen für sozial gerechte Kommunalabgaben, unterbreitet und ich unterstütze diesen Vorschlag ausdrücklich. In einem solchen Beirat könnten Sachverständige und Vertreter der Bürger mitarbeiten.

Notwendig ist aus meiner Sicht auch ein ständiger Dialog zwischen dem Gesetzgeber und den Vollzugsbehörden auf Landes- und kommunaler Ebene. Dadurch könnte verhindert werden, dass letztlich immer wieder die Gerichte entscheiden müssen.

Allgemein formuliert, ist ein Mehr an direkter Demokratie für mich der Schlüssel zur Lösung der Konflikte infolge von Gesetzesinterpretationen und -anwendungen. Dies setzt jedoch ein anderes Politikverständnis voraus. Und hier ist die CDU leider stur.

In meiner praktischen Arbeit als Landtagsabgeordneten habe ich stets auf den Dialog mit den Bürgern gesetzt und dabei gute Erfahrungen gemacht. An diese Erfahrungen will ich auch künftig anknüpfen.

Mit freundlichem Gruß

Frank Kuschel