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Frank Kuschel
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Frage von Stephan G. •

Frage an Frank Kuschel von Stephan G. bezüglich Finanzen

Hallo Herr Kuschel,

halten Sie die derzeitige Thüringer Finanz- bzw. Schuldenpolitik für vertretbar?

Halten Sie es für möglich, dass eine andere als die jetzige Landesregierung das Thema Schulden in den Griff bekommt?

Viele Grüße
Stephan Giese

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Giese,
der Landeshaushalt umfasst gegenwärtig rund 9,2 Milliarden EUR. Die Verschuldung liegt bei rund 15,5 Milliarden EUR. Nur etwas mehr als 50 Prozent des Landeshaushaltes sind aus Steuereinnahmen gedeckt. Darüber hinaus muss sich das Land aus Zuweisungen der EU und des Bundes sowie eigenen Einnahmen aus Verwaltung und Betrieb finanzieren. Die Zuweisungen des Bundes, insbesondere die Mittel aus dem Solidarpakt II, werden jährlich reduziert und laufen 2019 letztlich aus. Dabei geht es um einen Betrag von rund 2 Milliarden EUR. Diese Einnahmeverluste müssen durch höhere Steuereinnahmen gedeckt werden. Ob dies gelingt, bleibt abzuwarten, auch deshalb, weil durch das so genannte Rettungspaket für die Banken die Steuerrechtänderungen im Zusammenhang mit den Konjunkturpaketen und die Steuermindereinnahmen infolge der Wirtschaftskrise den öffentlichen Haushalten (Bund, Länder und Gemeinden) bis 2012 über 300 Milliarden EUR „verloren gehen“. Dies wird auch an Thüringen nicht spurlos vorüber gehen. Das Land selbst kann keine eigenen Steuern festlegen und erheben. Das Steuerrecht ist Bundesrecht. Hier wirkt das Land nur über den Bundesrat mit. Bis 2006 musste das Land zur Finanzierung seiner Aufgaben Kredite (Nettokredite) aufnehmen. 2007 und 2008 konnte auf eine weitere Nettokreditaufnahme verzichtet werden. Für 2009 wird eine erneute Nettokreditaufnahme erwartet. Seit 1990 hat das Land noch keine Kredite getilgt. Der Bund hat in Abstimmung mit den Ländern in jüngster Vergangenheit ein so genanntes Schuldenverbot beschlossen. Demnach dürfen die Länder ab 2019 keine neuen Schulden mehr aufnehmen, wobei es Ausnahmen gibt (z. B. bei Katastrophen oder in wirtschaftlichen Krisenzeiten). Die Thüringer CDU hat dieses Schuldenverbot noch verschärft und will bereits ab 2011 eine Verschuldung des Landes gesetzlich verbieten. Dabei ist es schon erstaunlich, dass gerade die CDU, die die jetzige Verschuldung des Landes zu verantworten hat, sich nunmehr als Schuldenverhinderer präsentiert.
Soweit die finanziellen Rahmenbedingungen, die das Land vorfindet und die man natürlich nicht außer Acht lassen kann, wenn man sich zur Finanz- und Schuldenpolitik äußert.
Auch eine linke Landesregierung kann nicht sofort für mehr Steuereinnahmen im Landeshaushalt sorgen. Über den Bundesrat kann sie eine Steuerreform auf Bundesebene einfordern. Hierzu hat sich DIE LINKE bekannt. Die jetzige CDU-Landesregierung ist in dieser Frage bisher im Bundesrat nicht aktiv geworden. Steuerrechtänderungen auf Bundesebene, die auch für die Länder Mehreinnahmen zur Folge hätte, sind erst mittelfristig zu erwarten. Deshalb hat DIE LINKE in ihrem Regierungsprogramm zunächst nur Vorhaben aufgenommen, die im Rahmen der jetzigen finanziellen Möglichkeiten umsetzbar sind. Wir gehen davon aus, dass innerhalb des Landeshaushaltes rund 400 Millionen EUR sofort durch eine andere Prioritätensetzung für eine andere Politikausrichtung zur Verfügung stehen. Dieses Geld wollen wir für die Bereiche „Wirtschaft und Arbeit“, „Bildung“, „Soziales und Kultur“ und „Kommunen“ einsetzen.
Eine grundsätzliche andere Finanzpolitik ist aber nur im Ergebnis einer anderen Steuer- und Finanzpolitik auf Bundesebene möglich.
Die Verschuldung öffentlicher Haushalte, auch des Landeshaushaltes, ist die unmittelbare Folge der verfehlten Steuerpolitik des Bundes im Zusammenwirken mit den Ländern (über den Bundesrat). Gemessen am Bruttosozialprodukt sinken die Staatsausgaben. Insofern gibt es gegenwärtig aus meiner Sicht kein Ausgabenproblem des Staates, sondern ein Einnahmeproblem.
Über die Verschuldung des Staates kann man nur im Zusammenhang mit der Klärung der Einnahmeprobleme diskutieren. Eine von den Einnahmen losgelöste Diskussion über ein Schuldenverbot, wie dies von der CDU praktiziert wird, kann nur als purer Populismus bezeichnet werden. Wird nicht die Einnahmeproblematik gelöst, führt ein Schuldenverbot letztlich zu einem weiteren drastischen Sozialabbau oder Verfall der Infrastruktur infolge fehlender Investitionen.
Natürlich müssen der Staat, das Land und die Kommunen immer auch ihre Ausgabenpolitik kritisch beleuchten. Das Land hat in den letzten Jahren aus meiner Sicht nicht hinreichend genug auf veränderte Rahmenbedingungen und Herausforderungen reagiert. Im Bereich der Wirtschaftsförderung hält beispielsweise die Landesregierung (in Kooperation mit dem Bund) immer noch zu stark an der pauschalierten Förderung gemessen an den Investitionssummen fest. Hier müsste zielgerichteter gefördert werden, um so die Wettbewerbesnachteile Thüringer Unternehmen (fehlendes Eigenkapital, fehlender Zugriff auf flexibles Kapital, Zinsbelastung durch Fremdkapital, zu geringe Forschungs- und Entwicklungskapazitäten) auszugleichen. Hier wäre nicht einmal mehr Geld notwendig, sondern nur ein anderer Mitteleinsatz.
Zudem wurden Kürzungen vorgenommen, die später zu finanziellen Mehrausgaben geführt haben. Ein Beispiel hierfür sind die Kürzungen im Bereich der Kindertagesstätten und Schulen. Hier entstehen Folgekosten, die unbestritten höher sind als die kurzfristigen Mitteleinsparungen. Auch muss sich die CDU Verfehlungen im Bereich der investiven Förderungen bei Infrastrukturmaßnahmen vorhalten lassen. Ich nenne hier nur die Förderung der Spaßbäder oder der Abwasserentsorgungseinrichtungen.
Die Haushaltswirtschaft der CDU ist auch kaum transparent. Eine Reihe von Finanzierungsvorgängen wurde aus dem Landeshaushalt in so genannte Sondervermögen ausgegliedert und dadurch der öffentlichen Kontrolle und Steuerung entzogen. Ich verweise hier nur auf das Sondervermögen „Wasser/Abwasser“. Diese Art von „Schattenhaushaltswirtschaft“ muss zwingend beendet werden. Die Haushaltswirtschaft des Landes muss durch ein Höchstmaß von Transparenz gekennzeichnet sein. Bei einer Regierungsbeteiligung durch DIE LINKE werden wir deshalb auch einen Kassensturz durchführen müssen, um zunächst zu klären, wie die Finanzsituation des Landes tatsächlich aussieht.
Schließlich möchte ich noch auf unser Diskussionsangebot für eine Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform hinweisen. Hier sehen wir ein Einsparungspotenzial von nahezu 200 Millionen EUR. Dieses Geld könnte für andere Maßnahmen eingesetzt werden.
Selbstverständlich wollen wir als LINKE das Verschuldungsproblem lösen. Bereits jetzt muss das Land rund 800 Millionen EUR Zinsen im Jahr bezahlen. Doch ich bin an dieser Stelle ehrlich. Aus eigner Kraft (also mit Einsparungen im Landeshaushalt) wird das Land diese Schulden nicht abbauen können. Hier brauchen wir eine andere Steuerpolitik, so dass das Land über ausreichend Steuereinnahmen verfügt, um seine Aufgaben angemessen erfüllen zu können. Das ist möglich. Würde heute noch das Steuerrecht von 1998 gelten, hätte Thüringen jährlich rund 1,5 Milliarden Mehreinnahmen. Ständen diese Gelder zur Verfügung, bräuchte über eine Neuverschuldung nicht mehr diskutiert werden und ein mittel- bzw. langfristiger Schuldenabbau wäre möglich.
Ich bin mir im Klaren, dass meine Antwort, obwohl sie schon umfangreich ist, nicht alle Sachverhalte erfasst hat. Ich möchte trotzdem an dieser Stelle Schluss machen. Ich bin gern bereit, spezielle Nachfragen Ihrerseits zu beantworten.

Mit freundlichem Gruß

Frank Kuschel