Frage an Frank Kuschel von Gert P.
Hallo Frank Kuschel,
Der Bund unterstützt mit viel Geld notleidende Banken. Gleichzeitig wird über das Konjunkturprogramm des Bundes zur Investition in den Kommunen für Bildung und Infrastruktur berichtet. Das Geld kommt aber nur zögerlich in den Städten und Gemeinden an.
Halten sie die Einschränkungen des Landes bei der Ausreichung der Mittel aus dem Konjunkturprogramm für angemessen? Sollte den Kommunen nicht mehr Eigenverantwortung bei der Verwendung für dieser Mittel ihre Projekte erhalten?
Vielen Dank für ihre Antwort
Mit solidarischen Gruß
Gert Pietsch
Hallo Herr Pietsch,
das so genannte Konjunkturpaket II, aus dem die Thüringer Kommunen 255 Millionen EUR für zusätzliche Investitionen im Bereich Bildung und Infrastruktur erhalten, ist für mich eines der größten Irrführungen der Öffentlichkeit, um nicht das Wort *Betrug" oder *Täuschung" zu gebrauchen. Denn es handelt sich nicht um zusätzliche Investitionsmittel, sondern allenfalls um einen anteiligen Ausgleich von kommunalen Steuermindereinnahmen, die ebenfalls aus diesem Konjunkturprogramm resultieren. Bund und Land verschweigen immer wieder, dass im Konjunkturprogramm Steuerrechtsveränderungen enthalten sind, die unmittelbar zu Steuermindereinnahmen bei den Kommunen führen. Im Bereich der Gewerbesteuer gibt es erhebliche Reduzierungen (Fachleute sprechen von Mindereinnahmen von bis zu 40 Prozent), weil Unternehmen verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten haben. Diese reduzieren den Gewinn und damit eben auch die Gewerbesteuer. Im Bereich der Einkommensteuer, an denen die Gemeinden mit 15 Prozent beteiligt sind, kommt es ebenfalls zu Reduzierungen, weil der Steuerfreibetrag erhöht und der Eingangssteuersatz von 15 auf 14 Prozent gesenkt wurde. Zudem können ab 2010 die Sozialversicherungsbeiträge steuerlich abgesetzt werden, was ebenfalls die Einkommensteuerlast reduziert. Die Bürger müssen weniger Steuern zahlen, was ja nicht schlecht ist, doch die Kommunen haben eben auch weniger Steuereinnahmen. Die Schätzungen gehen davon aus, dass die Thüringer Kommunen in diesem Jahr rund 60 Millionen EUR und im nächsten Jahr rund 105 Millionen EUR weniger Steuern einnehmen. Diese Zahlen belegen, dass die Konjunkturmittel in den nächsten zwei Jahren die Steuerausfälle der Thüringer Kommunen weitgehend nur ausgleichen. Ab 2012 legen die Kommunen richtig drauf. Nur ab dieser Zeit gibt es keine Konjunkturmittel mehr, denn die werden nur einmal gezahlt. Die Steuermindereinnahmen wirken aber dauerhaft. Klar ist, dass auch die Kommunen einen Beitrag zur Bewältigung der Wirtschaftskrise leisten müssen. Doch dies muss auch in der Öffentlichkeit gewürdigt werden und deshalb ist der jetzige Sprachgebrauch der Politik, wonach es sich bei den Konjunkturmitteln um *zusätzliche" Mittel handelt, eben eine Täuschung.
Hinzu kommen die von Ihnen angesprochenen Probleme bei der Auszahlung der Mittel an die Kommunen. Das Auszahlungsverfahren ist viel zu kompliziert. So müssen die Kommunen die so genannte doppelte Zusätzlichkeit bei jeder einzelnen Maßnahme nachweisen. Doppelte Zusätzlichkeit bedeutet, dass die Investitionsmaßnahme bisher nicht geplant sein durfte und das Investitionsvolumen über den Investitionen der letzten Jahre liegen muss. Hier tragen die Kommunen das volle Risiko. Ab 2011 prüft der Bund, ob diese Vorgaben eingehalten wurden. Bei Verstößen müssen die Kommunen die Mittel zurückzahlen. Darüber hinaus können die Konjunkturmittel nur für ausgewählte Investitionen eingesetzt werden, an Bildungseinrichtungen beispielsweise nur für energetische Maßnahmen oder für Maßnahmen der Barrierefreiheit. So können in einer Schule zwar neue Fenster oder eine neue Heizung eingebaut werden, es dürfen aber nicht die meist notwendigen Malerarbeiten aus den Konjunkturmitteln finanziert werden. Solche Bestimmungen können sich nur Bürokraten ausdenken, die noch nie konkret vor Ort tätig waren.
DIE LINKE hat deshalb die pauschale Zuweisung der Konjunkturmittel an die Kommunen gefordert. Die Kommunen hätten dann selbst entscheiden können, für welche Investitionsmaßnahmen die Mittel eingesetzt werden. Die Effekte, die mit dem Konjunkturprogramm verfolgt werden, nämlich zusätzliche Aufträge für die Wirtschaft auf den Weg zu bringen, wären auch bei dieser pauschalierten Mittelbereitstellung erreichbar gewesen. Doch der Bund und die Landes-CDU haben die Forderung der LINKEN zurückgewiesen. Jetzt muss zumindest gesichert werden, dass das Auszahlungsverfahren entbürokratisiert wird und die Gefahr der Zurückzahlung der Mittel ab 2011 gemindert wird. DIE LINKE wird hier die Kommunen bei ihren berechtigten Forderungen unterstützen. Sollte DIE LINKE nach den Landtagswahlen die Landesregierung mitstellen, wäre dies bestimmt unkompliziert möglich. Doch diese Entscheidung trifft der Wähler.
Mit freundlichem Gruß
Frank Kuschel