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Frank Kuschel
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Frage von Silke N. •

Frage an Frank Kuschel von Silke N.

Hallo, Herr Kuschel!

Welche Perspektiven und Möglichkeiten sehen Sie für eine veränderte Verwaltungs- und Strukturreform?

Herzliche Grüße!

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DIE LINKE

Die Rahmenbedingungen und Herausforderungen an staatliches Handeln und damit an die öffentliche Verwaltung haben sich in den letzten Jahren grundlegend verändert. So wirkt die enorme Entwicklung der Produktivkräfte unmittelbar auf alle gesellschaftliche Bereiche, auch die Verwaltung durch. Zudem gibt es eine andere Erwartungshaltung der Menschen an Verwaltungshandeln. Die bisherige sehr dominierende ordnungspolitische Ausrichtung des Verwaltungshandelns stößt bei den Menschen zunehmend auf Skepsis. Die Menschen wollen Partner und nicht mehr nur Adressat von Verwaltungshandeln sein. In diesem Zusammenhang fordern die Bürger zurecht ein Mehr an demokratischer Mitbestimmung ein. Aber auch solche Dinge, wie die demografische Entwicklung, die neuen Kommunikationsmöglichkeiten und die Dauerkrise der öffentlichen Finanzen bestimmen den Rahmen für Verwaltungshandeln.

Auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts kann man aber nicht mehr mit Verfahren und Strukturen, die im 19. Jahrhundert entwickelt wurden, reagieren. Die gegenwärtigen Strukturen und Abläufe in öffentlichen Verwaltungen sind aber im Wesentlichen immer noch durch Grundsätze aus längst vergangenen Zeiten geprägt. Deshalb hält DIE LINKE und auch ich persönlich eine grundlegende Verwaltungs-, Funktional- und Gebietsreform für zwingend notwendig.

DIE LINKE Thüringen hat 2005 ein Diskussionspapier für eine Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform auf einem Landesparteitag beschlossen. Es geht also nicht nur um Fragen der Gebietsreform. DIE LINKE will die gesamte Landes- und Kommunalverwaltung für die neuen Herausforderungen fit machen und insbesondere transparenter und bürgernah gestalten. Hierzu hält es DIE LINKE für notwendig, den bisherigen dreistufigen Verwaltungsaufbau in Thüringen (Ministerien, Landesmittelbehörden, kommunale Ebene) schrittweise in die Zweistufigkeit zu überführen, so wie dies schon in einigen Bundesländern (Brandenburg, Schleswig-Holstein) der Fall ist. Die über 70 Landesmittelbehörden, die bekannteste ist das Landesverwaltungsamt, würden damit aufgelöst und deren Aufgaben wegen der Bürgernähe auf die kommunale Ebene übertragen. Selbstverständlich erhalten die Kommunen die hierfür entstehenden Kosten voll ersetzt, so wie dies auch der Thüringer Verfassungsgerichtshof gefordert hat.

Mit dem Übergang zum zweistufigen Verwaltungsaufbau würde auch der Effekt entstehen, dass die Aufgabenwahrnehmung durch die bisherigen Mittelbehörden einer demokratischen Steuerung und Kontrolle unterzogen würde. Bisher gibt es da erhebliche Defizite, weil beim dreistufigen Verwaltungsaufbau die Mittelbehörden der Einflussnahme des Landtags und der Kommunen entzogen sind.

Eine Kommunalisierung der Aufgaben der Landesmittelbehörden ist jedoch in die jetzigen kommunalen Strukturen aus 17 Landkreisen und sechs kreisfreien Städten kaum sachgerecht möglich. Dies zeigen die Erfahrungen und Ergebnisse bisheriger Kommunalisierungen, insbesondere bei den Versorgungs- und Staatlichen Umweltämtern.

Gleichzeitig halten wir die jetzigen Landkreise hinsichtlich ihrer Aufgabenstruktur und Finanzierung für nicht mehr zeitgemäß. Rund 80 Prozent der Landkreisaufgaben sind so genannte übertragene Aufgaben, die durch die gewählten Kreistage nicht beeinflussbar sind. Damit obliegt die demokratische Steuerung und Kontrolle dieser Aufgaben ausschließlich den Bürgermeistern, Oberbürgermeistern und Landräten. Zutreffend wird dies als Demokratiemangel bezeichnet. Die Kosten für diese übertragenen Aufgaben der Landkreise müssen die kreisangehörigen Gemeinden und Städte zahlen, ohne jedoch auf die Aufgabenerledigung einen Einfluss zu haben. Schließlich haben die Bürger in einem Landkreis immer mehrere Behörden als Ansprechpartner, nämlich ihre Gemeinde, oft auch die Verwaltungsgemeinschaft und den Landkreis. Dies ist nicht bürgerfreundlich. In den kreisfreien Städten haben hingegen die Bürger nur eine kommunale Behörde und können dort alle Angelegenheiten erledigen lassen. Dieses Verwaltungschaos in den Landkreisen wollen wir im Interesse der Bürger überwinden und schlagen deshalb vor, dass die Städte und Gemeinden künftig im Wesentlichen alle Aufgaben erledigen. Auch hier ist aber die Struktur mit rund 950 Gemeinden, davon nur rund 130 Gemeinden mit mehr als 3.000 Einwohnern, zu kleingliedrig.

Deshalb hält es DIE LINKE für notwendig, vorrangig die Städte und Gemeinden zu stärken und insbesondere die Verwaltungsgemeinschaften im Grundsatz zu Einheitsgemeinden zu entwickeln. Die Entscheidung hierüber sollen die Bürger im Rahmen von Bürgerentscheiden treffen können. Die bisherigen Landkreise sollen in Regionalkreise umgewandelt werden, die künftig im Wesentlichen nur noch Aufgaben mit überregionaler Bedeutung wahrnehmen. In der Folge kann die Anzahl der Landkreise deutlich reduziert werden. Wie viele Regionalkreise notwendig sind, muss weiter diskutiert werden. Die seit 1993 bestehenden vier Planungsregionen in Thüringen bieten sich jedoch auch als Regionalkreisstruktur an. Es sind aber auch andere Modelle denkbar. DIE LINKE will über diese Struktur offen mit den Bürgern diskutieren und auch hier soll letztlich der Bürger entscheiden können. Eine bloße Vergrößerung von Landkreisen hält DIE LINKE für nicht dienlich.

Also keinesfalls will DIE LINKE zurück zur Bezirksstruktur der DDR, so wie dies von der CDU immer wieder behauptet wird. Vielmehr wollen wir eine moderne und bürgernahe Verwaltung in Thüringen schaffen.

Verständlich sind mir aber auch Bedenken gegen eine solche Reform. Wenn Bürger befürchten, dass in der Folge einer solchen Reform die kulturelle Identität von Gemeinden verloren gehen könnte oder durch größere Entfernungen zu den Verwaltungen die Bürgernähe leidet, sind dies berechtigte Bedenken. Deshalb spreche ich mich auch ausdrücklich für eine ausführliche Diskussion mit den Bürgern aus. Nach meiner Wahrnehmung identifizieren sich die Bürger im Regelfall mit ihrer Gemeinde, weniger mit ihrem Landkreis. Die gemeindliche Identität ist nicht in erster Linie von der Verwaltungsstruktur abhängig. Sie wird vielmehr durch das Vereinsleben in den Orten, das Vorhandensein von kommunalen Einrichtungen und die überregionale Anbindung geprägt. Durch die Einrichtung von Bürgerbüros in allen eigenständigen Gemeinden am Sitz der Gemeindeverwaltung wird die Bürgernähe auch beim Regionalkreismodell gesichert. Der Bürger muss also künftig nicht mehr in die Verwaltung des Regionalkreises, sondern kann in den Bürgerbüros alle Dinge erledigen.

Ich finde diese Diskussionen spannend. Thüringen hat die Chance, dass Bundesland mit der modernsten und bürgernahesten Verwaltung zu werden. DIE LINKE hat hierzu ein Diskussionsangebot unterbreitet. Ich bin überzeugt, in den nächsten Jahren wird sich hier manches entwickeln.

Frank Kuschel