Frage an Frank Henkel von Johanna S. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Henkel,
die jüngsten Untersuchungen des Bundes der Steuerzahler in NRW haben ans Tageslicht gebracht, dass bei der Frage, wie die Trink- und Abwassertarife berechnet werden, ein absolutes Chaos herrscht. Jeder kommunale Wasserversorger rechnet anders. Die einen schreiben nach Anschaffungszeitwert ab, die anderen nach Wiederbeschaffungszeitwert. Auch bei der kalkulatorischen Verzinsung herrscht offensichtlich kein Interesse an einer einheitlichen, verbraucherorientierten Lösung. Die Folgen sind enorme Unterschiede in den Wassertarifen. Allein in Berlin hat die Änderung der Abschreibungsmethode auf Wiederbeschaffungszeitwerte durch die jetzt offengelegte 5. Änderungsvereinbarung aus dem Jahr 2003 nach Berechungen eines Wirtschaftsprüfers dazu geführt, dass das betriebsnotwendige Kapital als Grundlage für dessen Verzinsung um 40 bis 50 Millionen Euro höher anzusetzen ist! Die kalkulatorischen Kosten machen am Wasserpreis 44% aus, das Grundwasserentnahmeentgelt lediglich 5%. Profitieren tun die Konzerne RWE und Veolia als private Anteilseigner und das Land Berlin.
Meine Fragen an Sie lauten:
1. Würden Sie sich dafür einsetzen, dass für die Wasserpreise in Berlin ein Kalkulationsverfahren zur Anwendung kommt, das von der Verbraucherzentrale unterstützt wird?
2. Würden Sie sich auch auf Bundesebene dafür einsetzen, dass bundesweit ein einheitliches Verfahren zur Kalkulation der Wassertarife durchgesetzt wird, das vom Bundesverband der Verbraucherzentralen getragen wird?
3. Harald Wolf hat das Bundeskartellamt eingeschaltet, um die Trinkwasserpreise in Berlin kontrollieren zu lassen. Besonders hoch sind jedoch in Berlin die Abwasserpreise. Was würden Sie unternehmen, um auch die Abwasserpreise einer Kontrolle unterziehen zu lassen?
Vielen Dank für Ihre Mühe im Voraus.
Mit freundlichen Grüßen
Johanna Söhnigen
Sehr geehrte Frau Söhnigen,
Herzlichen Dank für Ihre Anfragen. Ich antworte Ihnen wie folgt:
1. Würden Sie sich dafür einsetzen, dass für die Wasserpreise in Berlin ein Kalkulationsverfahren zur Anwendung kommt, das von der Verbraucherzentrale unterstützt wird?
Ja.
2. Würden Sie sich auch auf Bundesebene dafür einsetzen, dass bundesweit ein einheitliches Verfahren zur Kalkulation der Wassertarife durchgesetzt wird, das vom Bundesverband der Verbraucherzentralen getragen wird?
Das Prinzip unterstütze ich. Das entscheiden aber nicht die Bundesländer, sondern tausende von Kommunen, die in Wasserverbänden zusammengeschlossen sind oder die Eigentümer eines Wasserbetriebs sind. Diese kommunale Autonomie muss respektiert werden.
3. Harald Wolf hat das Bundeskartellamt eingeschaltet, um die Trinkwasserpreise in Berlin kontrollieren zu lassen. Besonders hoch sind jedoch in Berlin die Abwasserpreise. Was würden Sie unternehmen, um auch die Abwasserpreise einer Kontrolle unterziehen zu lassen?
Zunächst ist Senator Wolf als zuständiger Fachsenator verantwortlich dafür, dass die Tarife auf dem derzeit hohen Niveau in Berlin liegen. Immerhin nimmt das Land Berlin jährlich mehr als 200 Mio. Euro direkt aus dem Wassergeschäft ein. Übrigens rund 40 Prozent mehr, als die privaten Unternehmen und deren Anteilseigner am Wassergeschäft als Rendite erzielen.
Anstatt jedoch durch einen Einnahmeverzicht des Landes Berlin die Tarife sofort signifikant zu senken, klagt der Berliner Wirtschaftssenator lieber gegen sich selbst - das dürfte einmalig in Deutschland sein. Er schaltet als Senator das Kartellamt ein und lässt die Tarife prüfen, um anschließend als Aufsichtrats-Chef der Wasserbetriebe gegen das Votum des Kartellamtes eine Feststellungsklage zu erwirken. Absurder und scheinheiliger geht es nicht.
Die Abwasserpreise werden, da auch die Wasserpreise kommunalen Gebühren entsprechen, schon heute durch die Kommunalaufsicht (heute die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Senator Wolf, Linke) geprüft. Das gilt z.B. auch für die Gebühren der BSR.
Wir sprechen uns überdies - auch im Zuge der Einigung von Bundesregierung und Bundestag - gegen eine Regulierung und für eine Prüfung durch die Kartellbehörden aus.
Mit freundlichem Gruß
Ihr Frank Henkel