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Frank Henkel
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Frage von Michael D. •

Frage an Frank Henkel von Michael D. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Henkel,

der Regierende Bürgermeister ruft auf, bei Facebook Loblieder auf Berlin zu singen.

1) Hat Politik zwischen Oligarchen, Konzernen und Lobbyisten, überhaupt noch Potential, die drängenden Probleme der Stadt (nur bspw. Haushalt, Straßenverfall, Massenarbeitslosigkeit, Mittelstandserosion, Verarmung, Slumbildung) anzugehen, statt sie nur witzelnd auf Galas zu moderieren?

2) Sie führten
hier aus "Ihr Beispiel zeigt eindrucksvoll, dass der rot-rote Senat (...) vernachlässigt, die Polizei um 4.000 Stellen kürzte, (...) der Pol.A. 36 ist sowohl personell als auch materiell überhaupt nicht in der Lage, die Straßenverkehrsordnung (...) durchzusetzen - (...) Wir wollen (...) wieder mehr Polizeibeamte einstellen und die Polizei auch materiell in die Lage versetzen, ihre Aufgaben erfüllen zu können".

Darf Politik selbst ihr obliegende Zentralaufgaben wie Sie ausführen vereiteln, ohne sich selbst strafrechtlich haftbar zu machen: Notrufe von Bürgern verebben in Warteschleifen, Polizei unterläßt bestimmte gesetzlich vorgeschriebene Einsätze, Eintreffzeiten von Polizei, Feuerwehr und Krankenwagen am Einsatzort verschieben sich immer weiter nach hinten, es werden deshalb zwangsläufig auch Menschenleben verspielt, ist es nicht an der Zeit, die Verantwortlichen dafür auch zur Verantwortung zu ziehen?

3) Wird Demokratie nicht per se unmöglich, solange der "Souverän" Politikseits ungestraft belogen werden darf:

Zeugen dürfen vor Gericht (strafbewehrt) und Politiker vor Untersuchungsausschüssen (strafbewehrt) nicht lügen - das Volk jedoch dürfen sie ungestraft belügen. Ich bitte sehr höflich, die Beantwortung meiner ernst Frage nicht mit Floskeln von der "Abstrafung durch den Wähler bei der nächsten Wahl" umgehen zu wollen (Sie wissen selbst, der Wähler hat keine Wahl, allenfalls die des kleineren Übels oder eine Richtungswahl), sondern sich ihr zu stellen: Warum besteht kein Straftatbestand für das Belügen des Souveräns?

Hochachtungsvoll

Michael Deike

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Deike,

vielen Dank für die von Ihnen gestellten Fragen!

Ihre Auffassung, dass Politik nicht mehr gestalten könnte, teile ich ausdrücklich nicht. Politik soll aber auch nicht alles regeln, sondern immer wieder deutlich machen, dass natürlich der Einzelne Verantwortung für sich und seine Mitmenschen zu tragen hat. Insofern ist vielleicht der Anspruch, „die Politik“, also für Berlin 149 Teilzeit-Abgeordnete, die Senatoren und Staatssekretäre, könne jede persönlich empfundene Ungerechtigkeit vorhersehen, lösen oder ungeschehen machen, ein kaum zu realisierender Anspruch. Was die von Ihnen angesprochene aktuelle Darstellung politischen Handelns in Berlin angeht, so empfinde ich die „witzelnde Moderation auf Galas“ auch als unangemessen; die Berliner Medien mögen sie dagegen offenbar so sehr, dass sie ständig darüber berichten - das nennt sich dann Mentalitätswechsel.

Auch wenn also Politik nicht alles bestimmt und jedes Ungemach verhindern kann, setzen Regierung und Parlament doch die Rahmenbedingungen für bestimmte Entwicklungen. Das hat z.B. dazu beigetragen, dass die Bundesrepublik Deutschland auch in schweren Wirtschaftskrisen immer ein Sozialstaat geblieben ist, in dem z.B. niemand hungern oder obdachlos sein muss. Unser Wohlstand und unsere Lebensqualität liegen im Vergleich der mehr als 190 Länder der Welt immer unter den ersten 10.

Weil die Politik die Rahmenbedingungen setzt, sind die Bürgerinnen und Bürger aufgefordert, an Wahlen und Abstimmungen teilzunehmen und damit die Richtung für diese politischen Weichenstellungen vorzugeben. Je stärker die demokratische Legitimation einer Regierung oder einer Partei ist, umso mehr hat sie die Möglichkeit, drängende Probleme erfolgreich anzugehen. Denn dazu sind in der Regel auch unpopuläre Maßnahmen notwendig, die ohne eine gesellschaftliche Mehrheit nicht durchgesetzt werden können.

Regierungen müssen kontrolliert werden. Hierzu ist das Parlament und in erster Linie die Opposition berufen. Deshalb legen wir als größte Oppositionsfraktion immer den Finger in die Wunde und zeigen z.B. auf, dass der Sparwahn bei der Sicherheit zu den derzeitigen Auswüchsen mit fast jede Nacht brennenden Autos und Gewalt in den Bahnen geführt hat.

So sehr Sie sich wünschen, dass der Senat für seine Verfehlungen zur Verantwortung gezogen wird, anders als durch Abwahl (mit einer parlamentarischen Mehrheit oder durch das Volk selbst) ist dies nicht möglich. Denn dass der Senat die in der Innenpolitik bestehenden Gestaltungsräume nicht genutzt und damit die Unsicherheit seiner Bürger erst ermöglicht hat, ist zwar sträflich, aber nicht strafbar. Solange eine Mehrheit diese Missstände hinnimmt, ist der Verursacher eben legitimiert, so zu handeln.

Die Politiker werden bei den Wahlen zur Verantwortung gezogen. Denn anders, als Sie es darstellen, reicht die Einflussmöglichkeit des Wählers dazu aus, eine bestimmte Politik zu bestrafen. Die Wählerinnen und Wähler in Berlin haben eine Wahl zwischen Parteien mit unterschiedlichsten Vorstellungen. Die Gelegenheit zu einem - vielleicht auch nur als kleine Verbesserung empfundenen - Politikwechsel nicht zu nutzen, wäre daher töricht. Wenn Sie z.B. genug haben von Warteschleifen bei Notrufnummern, zunehmender Kriminalität und der Verwahrlosung ganzer Stadtviertel, haben Sie mit der CDU die Wahlalternative zur jetzigen Politik, weil wir andere Prioritäten setzen und auch schon in der Vergangenheit gesetzt haben.

Sie kritisieren, viele Politiker würden lügen, indem sie z.B. ihren Wählern das Blaue vom Himmel versprechen. Aus Ihrer Sicht spricht aber vielleicht auch schon Ihre persönliche Bewertung gegen so manchen politischen Vorschlag, den Sie eben schlicht als unrealistisch einschätzen. So sind Vorschläge zur Verdoppelung staatlicher Transferleistungen wahrscheinlich ernst gemeint, weil es der vorschlagenden Partei völlig egal ist, ob sie mit Steuererhöhungen oder Kreditaufnahmen die Volkswirtschaft erdrosselt. Daraus spricht vielleicht Dummheit, aber nicht Unwahrheit.

Ferner bitte ich Sie auch zu beachten, dass Politiker immer die Ziele und Maßnahmen beschreiben und vorstellen, die ihre Partei vertritt. Da aber seit vielen Jahren in der Regel nur noch Koalitionsregierungen gebildet werden, müssen Kompromisse eingegangen werden - also kann eine Partei vielleicht die Hälfte dessen umsetzen, was sie versprochen hat, von anderen Vorschlägen muss sie vielleicht sogar das Gegenteil mittragen, um wenigstens einen Teil ihrer eigenen Vorstellungen durchsetzen zu können.

Sie fordern einen Straftatbestand für Lügen gegenüber dem Souverän. Das klingt auf den ersten Blick verlockend. Ohne jetzt aber irgend eine konkrete Vorstellung, die Sie zu diesem Vorschlag gebracht hat, relativieren zu wollen: Auch Politiker können nicht in die Zukunft sehen. Zwar werden wissenschaftliche Prognoseinstrumente genutzt, um Entwicklungen besser einschätzen und Vorsorge treffen zu können, aber die großen Ereignisse sind oft nicht vorhersehbar: Der Atomunfall in Japan hat die Welt dramatisch verändert und 2008 glaubten alle an einen weiteren Aufschwung, nicht an eine schlimme Wirtschaftskrise. Insofern verändern sich auch zwangläufig während einer Wahlperiode die Antworten auf drängende Probleme.

Die Gesellschaft hat andere Wege, Lügner abzustrafen: Wer dabei erwischt wird, dass er über die Inhaltsstoffe seines Produktes täuscht, muss damit rechnen, dass es bald keiner mehr kauft. Wer ertappt wird, dass er im privaten Bereich mit der Wahrheit nachhaltig auf Kriegsfuß steht, muss um seine Beziehung oder seinen Freundeskreis bangen. Politiker, die der Lüge überführt werden, werden abgewählt. Wer soll denn besser feststellen, ob gelogen wurde, als die betroffene Mehrheit? Stellen Sie sich nur den Fall vor, nach einer in ihrem Sinne bewiesenen (von wem?) Lüge wird die Person von einer Mehrheit wieder gewählt! Auch wenn Sie sich etwas anderes wünschen oder meinen: Politik ist die Kunst, das Gemeinwesen bestmöglich so zu organisieren, dass möglichst viele Bürgerinnen und Bürger sich dafür engagieren und mitmachen (Mehrheit!). Dabei ist klar, dass es nicht zwei Bürgerinnen oder Bürger gibt, die die gleiche Vorstellung davon haben, was richtig dafür ist. Und daher halten auch zwei Menschen den gleichen Sachverhalt für falsch und richtig, die Aussagen dazu für gelogen oder wahr.

Und hier kann ich mich nur wiederholen: Alle Wählerinnen und Wähler, auch Sie, die von der jetzigen Regierung in Berlin enttäuscht sind, haben eine Alternative dazu und sollten sie auch durch die Abwahl des derzeitigen Senates ergreifen!

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Frank Henkel