Frage an Frank Heinrich von Bernd K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Heinrich!
Schon als Kind habe ich die Merkregel "Wes´ Brot ich ess, des´ Lied ich sing!" an anschaulichen Beispielen erklärt bekommen. Die prinzipiell gleiche Erkenntnis steckt in der klassischen Formulierung, dass das (materielle) Sein das (politische, soziale, moralische ...) Bewußtsein präge. Können Sie mir soweit zustimmen? Falls nicht: Haben Sie eine andere plausible Erklärung dafür, dass insbesondere die FDP innerhalb der Berliner Regierungskoalition nichts unversucht lässt, ihre eigene Anhängerschaft aus den Kreisen des Großbürgertums, der bestens verdienenden Freiberufler und aller potentiellen Steuerflüchtlinge durch immer neue Wohltaten zu bedienen? Ist Ihnen bekannt, dass die von Ihrer und der Mövenpick-Partei durchgesetzte Steuervergünstigung für das Hotelgewerbe letzten Endes von den sowieso schon bankrotten Kommunen aufzubringen ist? Ist Ihnen weiterhin bekannt, dass einzelne Gemeinden wie z.B. Köln sich bemühen, durch die Einführung einer von den Touristen aufzubringenden Übernachtungssteuer die Einnahmen zu generieren, die ihnen durch die schwarz-gelbe Gesetzgebung weggebrochen sind? Haben Sie eine Erklärung dafür, warum die FDP nach den aktuellen Umfragewerten etwa drei Viertel ihrer einstigen Wähler verloren hat und die 5%-Hürde wohl nicht schaffen würde? Haben Sie schon einmal über die Folgen nachgedacht, falls die Wähler die Regierung Merkel 2 ebenso abstrafen, wie sie es mit der SPD in der Großen Koalition bereits getan haben?
Mit den besten Wünschen für eine sehr nachdenkliche und erkenntnisreiche Weihnachtszeit!
Bernd Koch
Sehr geehrter Herr Koch,
Sie gestatten mir sicher, die Polemik gegenüber unserem Koalitionspartner unkommentiert zur Kenntnis zu nehmen.
In der Sache möchte ich gerne zu drei Punkten Stellung beziehen:
1) Korruption
Hinter "wes Brot ich es, des Lied ich sing" steckt letztlich der Vorwurf der Bestechlichkeit. Es ist tatsächlich beschämend, dass Korruption auch in Deutschland ein Thema ist. Meine eigene Partei ist ja durch die sogenannte "Schwarzgeld-Affäre" leider auch ein gebranntes Kind. Umso mehr bin ich dankbar, dass wir mit dem Bundesrechnungshof und den NGOs wie transparency international unabhängige Prüfinstanzen besitzen. Gerade auch den Parteien wird scharf auf die Finger geschaut, wie die durch den Bundestagspräsidenten verhängten Strafen eindrücklich zeigen.
2) Klientelpolitik
Es ist ein beliebtes "Todschlagargument" geworden, dem politischen Gegner vorzuwerfen, sich nur für die eigene Anhängerschaft zu engagieren. Daran mag das Wörtchen "nur" ein Problem sein, jedenfalls für Regierungsparteien, aber das ist auch das einzige. Sicher steht die FDP dem liberalen Bürgertum nahe, so wie die Grünen den Umweltverbänden und der entsprechenden Industrie, so wie die SPD traditionell den Gewerkschaften und den Medien usw. Die Positionen der Parteien sind in ihren Programmen nachzulesen. Bürger wählen und unterstützen die Parteien wegen eben dieser Positionen. Das ist das Wesen der repräsentativen Demokratie. Daran ist nichts Anrüchiges oder Zweifelhaftes. Es sei denn, es würde zur persönlichen Bereicherung führen - dann wäre es Korruption.
3) Kommunen
Ja, es ist mir bekannt, dass die Situation der Kommunen sehr angespannt ist. Die Steuervergünstigungen im Hotelgewerbe, in Bayern übrigens seit Jahren von SPD und Grünen gefordert, waren m.E. im Rückblick betrachtet ein Fehler. Im Zuge einer großen Steuerreform sollte er korrigiert werden. Die größte Last für die Kommunen sind allerdings die Ausgaben für Soziales. Zur Entlastung haben wir eine Ausweitung der Optionskommunen auf den Weg gebracht. Prioritär für die Kommunen ist aber die Einnahmeseite, d.h. vor allem die Gewerbesteuer. Es bedarf also einer soliden Wirtschaftspolitik, um die Kommunen zu stärken. Die von Angela Merkel geführte Bundesregierung hat Deutschland sicher durch die größte Wirtschaftskrise in der Geschichte der Bundesrepublik geführt. Das wird auch den Kommunen zugutekommen. Ich glaube übrigens durchaus, dass die Wähler das honorieren werden.
Auch Ihnen wünsche ich eine gesegnete Weihnachtszeit.
Ihr Frank Heinrich