Frage an Frank Diefenbach von Sabine S. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen
Sehr geehrter Herr Diefenbach,
wir wissen, dass Ihre Partei die Straßenbaubeiträge auf die jeweiligen Anlieger umlegen will, falls die Gemeinden es sich nicht leisten können, die Beiträge zu erlassen.
In Hessen gibt es viele Gemeinden, die sich das nicht leisten können, da sie aufgrund ihrer geographischen Lage keine Betriebe ansiedeln können, die sie ausreichend mit Gewerbesteuer versorgen können.
Sie bieten an, dass das Land für die Einrichtung eines Beitragskatasters zur Abrechnung von wiederkehrenden Beiträgen 5 Millionen zur Verfügung stellt. Das wird nicht reichen. Obendrein werden die Gemeinden weiterhin Kosten haben, dieses Kataster zu pflegen und die Beiträge einzutreiben. Die wahren Nutznießer dieses Prozedere, das mit einem beträchtlichen Konfliktpotential gesegnet ist, sind die Beratungsbüros, die diese Abrechnungsmodalitäten für die Gemeinden erstellen.
Die Stundung der Beiträge ist für die Gemeinden auch keine Alternative, sie müssen in Vorleistung gehen und das schmälert dann wieder ihren finanziellen Spielraum.
Die energetische Sanierung von öffentlichen und privaten Gebäude rückt so in weite Ferne.
Außerdem verstehen wir nicht, warum wir Anleger öffentlichen Raum subventionieren sollen, der allen zu Gute kommt. Dieser Raum gehört uns nicht, er gehört den Gemeinden.
Obendrein steht dieses Prozedere, die Gemeinden mit der Erhebung der Straßenbeiträge alleine zu lassen (die Unterstützung für die Einrichtung der wiederkehrenden Beiträge ist ja eher eine Subvention der Beratungsbüros) im Gegensatz zu dem Artikel 26d der hessischen Verfassung der die Förderung der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Stadt und Land zum Staatsziel erklärt.
Wir bitten Sie, darauf hinzuwirken, dass Ihre Partei hinsichtlich ihrer Position zu dem Thema eine bürgernahe und ökologische Haltung einnimmt - und die kann nur bedeuten, dass das Land das Geld aus dem auslaufenden Solidarpakt den hessischen Gemeinden zur Verfügung stellt.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrte Frau S.
jede staatliche Ebene (Bund, Länder und Kommunen) hat dafür Sorge zu tragen, ihren Aufgaben nachzukommen und trägt dafür auch die Finanzverantwortung. Bezogen auf den Straßenbau: Der Bund muss sich um die Finanzierung der Bundesstraßen kümmern, das Land um die Finanzierung der Landesstraßen und die Kommunen um die Finanzierung der kommunalen Straßen. Das ist Ausdruck der vertikalen Gewaltenteilung in unserem föderalen Bundesstaat. Das ändern wollen wir nicht und würde auch nach Art 79 (3) GG, der die Bundesstaatlichkeit als Verfassungsgrundsatz festschreibt, zusammen mit den Grundsätzen der kommunalen Selbstverwaltung gar nicht funktionieren.
Dabei muss jede staatliche Ebene für sich entscheiden, wie sie – im Rahmen der eben angesprochenen Finanz- und Aufgabenteilung - die von ihr zu erbringenden Leistungen finanziert. Je nach Aufgabe stehen dafür verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung: Gebühren, Abgaben/Beiträge oder Steuern. Bei der Sanierung von kommunalen Straßen kommt nach geltender Rechtslage eine Finanzierung über von allen Bürgerinnen und Bürgern zu zahlenden Steuern oder über eine von den Anliegern zu tragende Beiträge in Betracht.
Für die Frage, wie die einzelnen staatlichen Ebenen ihren Aufgaben nachkommen, ist die Finanzausstattung der einzelnen Ebenen entscheidend. Die Finanzsituation aller staatlichen Ebenen – auch die der Kommunen - hat sich in den letzten Jahren aufgrund der guten wirtschaftlichen Entwicklung deutlich verbessert. Allein die den Kommunen vom Land zur Verfügung gestellten Mittel (Kommunaler Finanzausgleich) sind von 2013 bis 2019 um rund 1,5 Milliarden Euro auf das Volumen von rund 5,2 Milliarden Euro gestiegen.
Nach der jüngsten Gesetzesänderung muss keine Kommune Straßenbeiträge erheben. Ob sie es tut, liegt in der Entscheidungskompetenz der Kommune. Die Debatte und Entscheidung, ob der Erhalt von Straßen eine von allen zu finanzierende Aufgabe ist oder die Finanzierung über einen von den Anwohnerinnen und Anwohnern zu entrichtenden Beitrag erfolgt, sollte aus unserer Sicht vor Ort erfolgen.
In diesem Zusammenhang will ich auch auf die von Ihnen erhobene Forderung eingehen, „das Land“ solle doch bei Abschaffung der Anliegerbeiträge die Kosten für die Sanierung der kommunalen Straßen übernehmen. Mit dieser Forderung ist oft der Eindruck verbunden, das Geld des Landes sei etwas Abstraktes, das einfach so da ist. Das ist aber natürlich nicht richtig. Auch die Steuereinnahmen des Landes werden von den Bürgerinnen und Bürgern erbracht. Wer also sagt, „das Land“ solle für die kommunalen Straßen zahlen, sagt eigentlich: alle Bürgerinnen und Bürger Hessens sollen für die Straße in einer Kommune bezahlen. Wir haben Zweifel, ob dies eine sinnvolle und gerechte Aufgabenteilung wäre. Denn das würde auch die Menschen zusätzlich belasten, die über gar kein Grundeigentum verfügen.
Zu Ihrer Bemerkung, „dieser Raum gehört uns nicht, er gehört den Gemeinden“ möchte ich sagen, dass Gemeinden ja nicht im luftleeren Raum existieren, als abstraktes Gebilde, sondern sich aus den Bürgern bzw. in diesem Falle auch aus den Grundbesitzern dieser Gemeinden zusammensetzen.
Die von Ihnen zitierte Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Stadt und Land sind ein wichtiger Grundsatz, der für alle politischen Ebenen gilt und für unsere Politik eine wichtige Leitlinie darstellt. Aber Gleichwertigkeit, so wichtig sie ist (!), bedeutet aber nicht „Gleichheit der Lebensverhältnisse“. Auch die Bundesländer selbst, von denen sie die Finanzierung der kommunalen Straßen fordern, sind ja nicht völlig „gleich“ aufgestellt. Dennoch gibt es politische Instrumente, die neben wirtschafts-, sozial- und infrastrukturpolitischen Maßnahmen ausgleichend auf eine „Gleichwertigkeit“ hinwirken sollen, etwa, der KFA auf kommunaler oder auf Länderebene der Länderfinanzausgleich.
Für weitere Gespräche stehe ich selbstverständlich zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Frank Diefenbach