Frage an Florian Pronold von Gudrun L. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrter Herr Pronold,
ich studiere an der FH Deggendorf, und leider habe ich nicht so fundierte Kenntnisse im Politikgeschehen wie meine "Vorredner" (Was wohl eher ein allgemeines Problem meiner Generation ist). Allerdings würde mich trotzdem Ihre Meinung zu meinem Statement interessieren, auch wenn es nur bedingt in Ihr Ressort fällt.
Meine Frage bezieht sich auf den Solidaritätszuschlag bzw. dessen Verwendung.
Dass dieser nicht abgeschafft wird, ist mir sehr wohl bewusst, aber wieso kann man den Begriff "Solidarität" nicht wörtlich nehmen und man verwendet diesen wieder für sozial Schwache? Denn dass der Zuschlag kaum in die Infrastruktur bzw. in die Unternehmensförderung Ost fließt (ca. 20 %), sondern hauptsächlich für das Arbeitslosengeld, die Rente und die Bürokratie, ist weithin bekannt.
Damit meine ich, warum dieses Geld nicht für die Bildung verwendet wird. Denn in den Bildungsausgaben ist Deutschland mit 4.3 % des BIP im europäischen Vergleich (z.B. Norwegen mit 6.5 % des BIP) abgeschlagen. Kinder und Jugendliche könnten gezielt gefördert (auch vermehrt durch Stipendien?) und das Schulsystem grundlegend reformiert werden, eine bessere Zusammenarbeit mit Unternehmen wäre möglich ... Könnte man damit die Abbrecherquote (v.a. auch von Migranten) deutlich verringern? Und wäre dies nicht im Sinn der Unternehmen (Fachkräftemangel) und v.a. im Hinblick auf die zunehmende Alterung der Gesellschaft? Ich denke auch, dass eine sinnvolle Verwendung auf mehr Akzeptanz in der Bevölkerung stoßen würde.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und bereits im Voraus für die Beantwortung meiner Frage!
Mit freundlichen Grüßen
Gudrun Lippl
Sehr geehrte Frau Lippl,
der Solidaritätszuschlag wurde erstmals 1991 eingeführt, um die Kosten der Deutschen Einheit zu finanzieren. Der Grundgedanke ist die Solidarität der wohlhabenderen westdeutschen mit den ärmeren ostdeutschen Ländern. Auch heute werden noch Ausgaben für den Aufbau Ost getätigt, die der Höhe der - schwankenden - Einnahmen durch den Solidaritätszuschlag in etwa entsprechen. Insofern ist die Bezeichnung durchaus noch gerechtfertigt.
Allerdings gilt bei uns generell, dass Steuern - im Gegensatz zu Abgaben - nicht zweckgebunden erhoben werden. Das ist schon rechtlich nicht möglich. Das heißt: Alle Steuereinnahmen des Bundes kommen in einen Topf, aus dem dann alle notwendigen Ausgaben bestritten werden. Man kann also eine Steuer einführen oder erhöhen und das mit der Finanzierung einer bestimmten Aufgabe begründen - man kann die entsprechenden Einnahmen aber nicht für diese Aufgaben reservieren.
Trotzdem haben Sie völlig Recht, dass in Deutschland immer noch zu wenig Geld für Bildung ausgegeben wird. Das können wir in Bayern überall an fehlenden Lehrern, übergroßen Klassen und mangelnder individueller Förderung sehen. Die Leidtragenden sind zuallererst Kinder aus sozial schwächeren Familien und natürlich auch Migrantenkinder. Durch die Einführung von Studiengebühren hat die CSU die soziale Auslese beim Zugang zu höherer Bildung noch weiter verschärft.
Diese Entwicklung ist aus zwei Gründen fatal: Zum einen werden vielen jungen Menschen schon sehr früh die Chancen genommen, ihre Talente zu entwickeln. Zum anderen - auch da haben Sie völlig recht - schafft man damit den Fachkräftemangel von morgen, weil die Qualifikationsanforderungen in der Wirtschaft auch in Zukunft weiter steigen werden.
Gehandelt werden muss deshalb auf Länderebene: Für Schule und Universitäten sind in Deutschland die Bundesländer zuständig, der Bund kann im besten Falle mit Investitionen unterstützend tätig werden - wie wir das zum Beispiel mit dem Ganztagsschulprogramm getan haben. Aber die Entscheidungen über Schulformen, Lehrerstellen, Klassengrößen, Büchergeld, Studiengebühren und andere wichtige bildungspolitische Fragen werden im Bayerischen Landtag getroffen. Doch dort sitzt eine CSU-Mehrheit, die sich fast ausschließlich um Eliteförderung kümmert und die Tatsache ignorierte, dass das bayerische Schulsystem Tausenden von jungen Menschen die Zukunft verbaut. Das muss sich ändern, aber das wird nur mit anderen Mehrheiten im Landtag gehen.
Um abschließend noch mal auf die Verknüpfung von Steuerpolitik und Bildungsaufgaben zurückzukommen. Am besten würde sich dafür die Erbschaftsteuer eignen. Ich bin der Ansicht, dass Multimillionäre mit ihrem Vermögen nicht nur ihren eigenen Kindern eine sorgenfreie Zukunft hinterlassen, sondern über eine höhere Erbschaftsteuer auch zur Finanzierung der Zukunftschancen anderer Kinder beitragen sollten. Das Aufkommen der Erbschaftsteuer steht ohnehin den Ländern zu, die auch für Bildung zuständig sind. Auch hier wäre eine direkte Koppelung der zusätzlichen Einnahmen an die Bildungsausgaben natürlich nicht möglich. Aber ich habe wenig Verständnis dafür, dass die CSU auch bei den Verhandlungen über die Erbschaftsteuer einen höheren Beitrag der Millionenerben verhindert, während das Geld in Bayern für bessere Bildung eingesetzt werden könnte.
Mit freundlichen Grüßen
Florian Pronold, MdB