Frage an Florian Post von Erik S. bezüglich Verkehr
Guten Tag Herr Post,
die Bundesregierung möchte die mit öffentlichen Mitteln finanzierten Autobahnen (also das Eigentum der Bürger!) privatisieren. Für mich als denkender Mensch und Bürger ist es nicht nachvollziehbar, welche sachlichen Gründe dafür sprechen in einer Niedrig-Zins-Phase solche Maßnahmen zu ergreifen. Verschärfend zu dieser Ansicht kommt hinzu, dass der Bundesrechnungshof diese Maßnahme als kontraproduktiv und preissteigernd dargestellt hat. Ebenfalls sprechen bereits abgeschlossene Maßnahmen (Privatisierung Bahn, Stromversorgung u.a.) dafür, dass die Preise steigen und die Qualität des Angebotes sinken werden. Bitte teilen sie mir ihren Standpunkt zur Privatisierung der Autobahnen mit und begründen sie diesen mit nachvollziehbaren Fakten.
Sehr geehrter Herr Schaber,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 1. März 2017 zum Thema Einrichtung einer „Infrastrukturgesellschaft Verkehr“. Ich lehne eine Privatisierung der Bundesautobahnen und Bundesfernstraßen in aller Entschiedenheit ab.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat eine Privatisierung der deutschen Autobahnen und Bundesfernstraßen von Anfang an ausgeschlossen. Bereits Ende letzten Jahres haben wir daher in den Verhandlungen mit den Ländern, eine doppelte Privatisierungsschranke durchgesetzt. Im Grundgesetz werden wir festschreiben, dass nicht nur die Bundesautobahnen und Bundesfernstraßen selbst im unveräußerlichen, 100-prozentigen Eigentum des Bundes bleiben, sondern auch die zu gründende Infrastrukturgesellschaft 100-prozentiges und unveräußerliches Eigentum des Bundes sein wird. In den anstehenden Verhandlungen mit unserem Koalitionspartner fordern wir zudem, dass die Infrastrukturgesellschaft die Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts haben muss. Die Gründung der Infrastrukturgesellschaft in der Form einer Kapitalgesellschaft lehne ich grundsätzlich ab und werde im Bundestag einer solchen Regelung auch nicht zustimmen!
Deutschland braucht eine leistungsfähige und flächendeckende Verkehrsinfrastruktur. Eine moderne Verkehrsinfrastruktur sichert wirtschaftliches Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand. Um das zu erreichen müssen wir aber nicht nur Geld in die Hand nehmen, sondern dieses auch effizient einsetzen. Weil das bei Planung, Bau und Erhalt der Bundesautobahnen und Bundesfernstraßen im aktuellen System der Auftragsverwaltung der Länder in der Vergangenheit nicht optimal funktionierte, hatten sich SPD, CDU und CSU im Koalitionsvertrag darauf verständigt, gemeinsam mit den Ländern Vorschläge für eine Reform der Auftragsverwaltung zu erarbeiten.
Das Ergebnis dieser Gespräche ist nun Teil eines umfangreichen Pakets zur Änderung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, auf das sich alle 16 Landesregierungen und die Bundesregierung im Oktober und Dezember 2016 verständigt haben. Dieses Paket besteht aus zwei Gesetzentwürfen: einem Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes sowie einem Gesetzentwurf mit allen weiteren Regelungen, dem Begleitgesetz. Regelungen zur Infrastrukturgesellschaft Verkehr, die zukünftig für den Bund die Planung, den Bau und den Erhalt vor allem der Autobahnen übernehmen soll, finden sich in beiden Gesetzentwürfen.
Der Bundestag hat am 16. Februar 2017 zum ersten Mal über dieses Gesetzespaket beraten und es zur weiteren Beratung federführend an den Haushaltsausschuss überwiesen. Am 27. März 2017 fand im Haushaltsausschuss eine öffentliche Anhörung zur Infrastrukturgesellschaft Verkehr. Eine Videoaufzeichnung der Anhörung ist unter folgendem Link abrufbar: https://dbtg.tv/cvid/7087950 .
In den anstehenden parlamentarischen Beratungen wird die SPD-Bundestagsfraktion folgende Hauptforderungen vertreten:
1. Die Kontroll- und Einflussmöglichkeiten des Deutschen Bundestages bezüglich der Verkehrsinvestitionen des Bundes müssen gestärkt werden und umfassende Steuerungsrechte des Parlaments gegenüber der Infrastrukturgesellschaft müssen sichergestellt sein.
2. Der Personalübergang von den Straßenbauverwaltungen der Länder zum Bund muss im Sinne der Beschäftigten ausgestaltet werden. Wir fordern daher eine gesetzliche Regelung, die der Gesellschaft vorschreibt, einen Tarifvertrag abzuschließen. Darüber hinaus wollen wir rechtlich sicherstellen, dass die Konditionen für den Personalübergang im Rahmen eines Überleitungstarifvertrags geregelt werden.
3. Neben der bereits in den Gesetzentwürfen verankerten doppelten Privatisierungsbremse, werden wir sicherstellen, dass eine „Privatisierung durch die Hintertür“ zweifelsfrei ausgeschlossen wird. Das unveräußerliche Eigentum des Bundes an möglichen Tochtergesellschaften werden wir gesetzlich verankern. Außerdem werden wir sog. Teil-Netz-ÖPPs gesetzlich ausschließen, eine enge Beschränkung der Kreditaufnahmefähigkeit der Gesellschaft sicherstellen und eine Staatshaftung für die Verbindlichkeiten dieser Gesellschaft vorschreiben.
Die Verhandlungen mit der CDU/CSU werden bei diesen Punkten nicht einfach werden, soviel steht jetzt schon fest. Denn die Gesetzentwürfe tragen unverkennbar die Handschrift von CDU-Finanzminister Schäuble und CSU-Verkehrsminister Dobrindt.
Wir als SPD-Fraktion werden uns die nötige Zeit nehmen, um alles sorgfältig zu prüfen und mit unserem Koalitionspartner hart verhandeln, um Verbesserungen durchzusetzen, wo dies erforderlich ist.
Mit freundlichen Grüßen
Florian Post