Frage an Florian Post von Johannes H. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Post,
der anstehende Gesetzentwurf zur „Verhinderung des Missbrauchs von Werkverträgen“ - §611a BGB gefährdet akut die wirtschaftliche Existenz mehrerer hunderttausend freiberuflicher IT-/Managementberater, Ingenieure, Ärzte und anderer qualifizierter Freiberufler. Bereits seit einigen Jahren merke ich, dass die Auftragslage aufgrund der kürzlich geänderten Prüfungspraxis der Deutschen, gesetzlichen Rentenversicherung Bund (DRV) und der teilweise dadurch ausgelösten Strafverfolgung, schlechter wird, und viele Unternehmen, darunter große deutsche Aktiengesellschaften, keine Aufträge mehr an freiberufliche Berater vergeben. Dies alles aus dem durchsichtigen Motiv heraus, oft gut verdienende und wenig schutzbedürftige, selbständige Berater, in die gesetzliche Rentenversicherung zu zwingen, und in oft schlechter bezahlte, weisungsgebundene, aber sozialversicherungspflichtige, befristete, Beschäftigungsverhältnisse. - Eigentlich das Gegenteil dessen, was das Gesetz eigentlich erreichen will.
Da ein persönliches Gespräch mit Ihnen, als meinem zuständigen Wahlkreisabgeordneten, seit Wochen nicht zustande kommt, frage ich Sie nun öffentlich:
Interessiert Sie diese Thematik, dass hunderttausende Selbständige in Deutschland wegen des Gesetzentwurfs der Arbeitsministerin Ihrer Partei um Ihre Existenz bangen und mit einer, bereits durch den Gesetzentwurf verschlechterten, Auftragslage zurechtkommen müssen?
Ist es Ihre Absicht dabei behilflich zu sein, Auftraggeber ohne Not zu kriminalisieren, die Vertragsfrreiheit einzuschränken und Selbständige in die Gesetzliche Rentenversicherung zu zwingen?
Ist es Ihnen egal, dass dadurch der deutschen Industrie eine wichtige Ressource, die der mobilen, flexiblen und hochqualifizierten Wissensarbeiter, verloren geht, IT-Projekte verzögert oder verschoben, Innovationen nicht gemacht und neue Produkte nicht entwickelt werden, die Innovationskraft der Deutschen Industrie damit geschwächt wird?
MfG
J.Hohenthaner
Sehr geehrter Herr Hohenthaner,
vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Werkverträge. Ihre Einschätzung zur Wirkung des "Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze" (AÜG), das den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen regeln soll, kann ich in dieser Form nicht teilen. Es geht nicht darum, Selbstständigen das Leben schwer zu machen und sie in die gesetzliche Rente zu drängen, sondern Rechtssicherheit zu schaffen, Missbrauch zu beenden und Umgehung von Arbeitsstandards zu verhindern. Mit illegalen Werkverträgen und Scheinselbstständigkeit werden Belegschaften geschwächt, Lohndumping betrieben und Beschäftigte zweiter und dritter Klasse hervorgebracht. Das ist unhaltbar und bedarf gesetzgeberischen Handelns.
Ein Kernproblem ist, dass Verträge zwischen Unternehmen als Werkverträge bezeichnet werden, faktisch aber Leiharbeit praktiziert wird. Bislang gibt es rechtliche Lücken, die es schwarzen Schafen ermöglichen, auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer so vorzugehen. Dem schiebt der Gesetzentwurf einen Riegel vor, insbesondere durch die Pflichten zur Offenlegung der Arbeitnehmerüberlassung und die Abschaffung der sog. „Vorratsverleiherlaubnis“. Damit wird Arbeitgebern, die vermeintliche Werkverträge zur Umgehung arbeitsrechtlicher Schutzstandards einsetzen, die Möglichkeit entzogen, ihr Verhalten nachträglich als Leiharbeit „umzudeklarieren“ und damit zu legalisieren. Wer in Zukunft so handelt, trägt die Konsequenz, dass zwischen dem Beschäftigten und dem Einsatzbetrieb ein Arbeitsverhältnis begründet wird und setzt sich der Gefahr eines Bußgeldes aus. Diese Regelung wird eine abschreckende Wirkung auf diejenigen entfalten, die es erst einmal mit Werkverträgen „versuchen“, um dann zur Not auf Leiharbeit „auszuweichen“.
Für ehrliche Arbeitgeber schaffen wir gleichzeitig mehr Rechtssicherheit bei der Abgrenzung von abhängiger und selbstständiger Tätigkeit. Wir definieren gesetzlich, wer Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer ist, indem wir von der Rechtsprechung herausgearbeitete Kriterien festschreiben. Damit sollen missbräuchliche Gestaltungen des Fremdpersonaleinsatzes durch Beschäftigung in vermeintlich selbstständigen Dienst- oder Werkverträgen verhindert werden. Im Dialog mit den Sozialpartnern konnte dafür eine praktikable Lösung gefunden werden, die sich an den Vorschlägen von Arbeitsrichterinnen und Arbeitsrichtern orientiert. Die sinnvolle Arbeitsteilung wird nicht eingeschränkt, weil eine Gesamtabwägung aller Umstände maßgeblich bleibt, aber Betrug wird in Zukunft deutlich erschwert.
Weiterhin werden die Informationsrechte des Betriebsrates gesetzlich klargestellt und dadurch die Betriebsräte gestärkt. Denn der Betriebsrat muss über den Einsatz von Werkverträgen im gesamten Geschäftsprozess erst einmal Bescheid wissen, um seine Beteiligungsrechte wahrnehmen und auch einschätzen zu können, ob es sich tatsächlich um Werkverträge oder doch um verdeckte Arbeitnehmerüberlassung handelt. Daher wird klargestellt, dass Betriebsräte das Recht haben, über Art und Umfang der vergebenen Aufgaben und die vertragliche Ausgestaltung der eingesetzten Werkvertragsnehmerinnen und -nehmer im eigenen Betrieb informiert zu werden. Die Schaffung von Transparenz ist ein wichtiger erster Schritt, für bessere Kontrolle und zur Wahrnehmung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats.
Am 10. Mai 2016 hat der Koalitionsausschuss beschlossen, dass dieses Gesetz nun zügig im Kabinett beschlossen wird, damit dann das parlamentarische Verfahren eingeleitet werden kann.
Mit freundlichen Grüßen
Florian Post