Frage an Florian Post von Sabrina P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Post,
Ich bin 25 Jahre alt und Arbeitnehmerin in Bayern. Wie jeder andere Mensch bin ich vor dem Gesetz gleich. Dennoch soll ich aufgrund meiner Berufswahl (Empfangsdame im Wach- und Sicherheitsdienst) anders behandelt werden als Arbeitnehmer einer anderen Branche. Nach meiner Auffassung werde ich durch den geltenden Mantelrahmentarifvertrag für Sicherheitsleistungen in der Bundesrepublik Deutschland gegenüber anderen Berufsgruppen benachteiligt insbesondere betreffend des §2,4. Scheinbar sind Arbeitgeber des Wach- und Sicherheitsgewerbes somit freier in der Gestaltung ihrer Arbeitsverträge als Arbeitgeber anderer Branchen. Auch hier also eine Ungleichheit vor dem Gesetz. Jetzt frage ich Sie Herr Post was rechtfertigt diese ungleiche Behandlung und wird es hier in der Zukunft Anpassungen geben?
Sehr geehrte Frau Peters,
vielen Dank für Ihre Frage vom 21. Januar 2015 zum Tarifvertrag im Wach- und Sicherheitsgewerbe. Ich halte die Tariffreiheit in Deutschland für ein hohes Gut, dass es deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erlaubt sich selbst zu vertreten. Die Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern (in Ihrem Fall sind das ver.di und der Bundesverband der Sicherheitswirtschaft) gibt den jeweils Betroffenen die Möglichkeit je nach Arbeitssituation und speziellen Problemen ihre Lösungen an die besonderen Gegebenheiten der Branche anzupassen. In Ihrem speziellen Fall hat die Gewerkschaft, die Sie vertritt, einen Kompromiss bei der Gesamtbefristung geschlossen um andere Vorteile für die Beschäftigten zu gewinnen. Ich habe bei ver.di angefragt, wie genau dieser Kompromiss aussah.
Der Bundesfachgruppenleiter für das Sicherheitsgewerbe von ver.di hat mir daraufhin diese Antwort gegeben:
"Im damaligen Mantelrahmentarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die Bundesrepublik Deutschland vom 01.01.2007 wurde der §2 Abs. 6 verankert, der die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zu einer Dauer von 42 Monaten zuließ, bis zu dieser Gesamtdauer war die höchstens viermalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig.
Die Bundestarifkommission für das Wach- und Sicherheitsgewerbe der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaf – ver.di hatte natürlich das Ziel, in den nächsten anstehenden Verhandlungen im Jahr 2011 nur noch die gesetzlichen Befristungsmöglichkeiten zu zulassen. Zwar ist uns dieses in Gänze nicht gelungen, es gibt aber nunmehr eine kalendarische Befristungsmöglichkeit nur noch bis zu 30 Monaten (6 Monate über die gesetzliche Regelung), aber die erste Befristung muss mindestens 12 Monate betragen und innerhalb des Zeitraums von 30 Monaten ist die höchstens zweimalige Verlängerung möglich.
Gem. §14 Abs. 2 Teilzeitbefristungsgesetz ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von 2 Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig.
Somit konnte die kalendarischen Befristungsmöglichkeiten der Arbeitgeber gegenüber dem Mantelrahmentarifvertrag von 2007 deutlich besser gestaltet werden, es bleibt aber auch in den nächsten Tarifverhandlungen wiederum ein Thema.
Tarifverträge sind immer Kompromisse und abhängig von der Durchsetzungskraft der Gewerkschaften und ihrer Mitglieder."
Ich hoffe, diese Antwort erklärt, warum sich ver.di dafür entschieden hat eine längere als die gesetzlich vorgeschriebene Befristungsmöglichkeit hinzunehmen. Wenn Sie der Meinung sind, dass eine 6 Monate länger Befristungsmöglichkeit nicht die Vorteile aufwiegt, dass ein befristeter Arbeitsvertrag nur 2 mal und nicht 3 mal verlängert werden kann, teilen Sie dies ver.di gerne mit. In Deutschland geben wir den Gewerkschaften (und Arbeitgebern) die Freiheit selbst zu verhandeln.
Aus meiner Sicht als Abgeordneter glaube ich, dass Kompromisse zwischen direkt Betroffenen sehr oft (wenn auch nicht immer) besser sind als Regeln, die Politiker von außen beschließen.
Mit freundlichen Grüßen
Florian Post