Frage an Florian Bokor von Jens N. bezüglich Finanzen
Guten Tag Herr Bokor,
wollen Sie in Ihrer Regierungsarbeit dafür Sorge tragen, dass Sie die Abschaffung des Zinseszins-Schuldgeldsystem abschaffen?
Sie wissen ja hoffentlich, dass dies die Umverteilung von Arm zu Reich weiterhin zementiert!?
Eine einmalige Steuer verbessert nicht diesen grundsätzlichen Fehler wir brauchen einen grundlegenden Systemwechsel nicht das herumdoktern an den Krebsgeschwüren dieses kranken sterbenden den Kapitalismus.
Vielen Dank mit solidarisch revolutionären Grüßen
Jens Nagel
MG AR betacoop
P.S. Charles Eisenstein Ökonomie der Verbundenheit und Silvio Gesell sind in dieser Hinsicht auch sehr zu empfehlen.
Guten Tag Herr Nagel,
> Guten Tag Herr Bokor,
>
> wollen Sie in Ihrer Regierungsarbeit dafür Sorge tragen, dass Sie die
> Abschaffung des Zinseszins-Schuldgeldsystem abschaffen?
Nein.
Als Erstes muss ich sie dahingehend enttäuschen, dass meine Regierungszeit, sollte es eine solche geben, so weit in der Zukunft liegt, dass ich noch keinerlei Pläne dafür gemacht habe. Ich bin nur Listen- und Direktkandidat einer Partei bei der es im Augenblick noch nicht einmal sicher ist, dass sie überhaupt in den Bundestag einzieht. Und, sollten wir in den Bundestag einziehen ist es mehr als unwahrscheinlich, dass sich die PIRATEN an der Regierungsbildung beteiligen werden.
Hiervon abgesehen: Ich werde mich, sollte ich ein Bundestagsmandat bekommen, nicht für "die Abschaffung des Zinseszins-Schuldgeldsystem" einsetzen. Das mit dem Zins und dem Zinseszins ist ein Problem das seit über 2000 Jahren immer wieder aufgegriffen und kritisiert wird. Bisher sind noch keine realisierbaren Alternativen zur Verzinsung von verliehenem Geld entstanden - nicht, dass es nicht ausreichend Versuche gegeben hätte (von Jesus über Marx bis zu den von ihnen genannten Eisenstein und Gesell).
Das zentrale Problem ist, dass alle Formen der Zinskritik übersehen, dass Geld eigentlich nur ein universelles Austauschmittel für Waren darstellt. Und, dass jede Form eines Verzinsungsverbots (oder Zinsesverzinsungsverbots) mindestens den Aspekt der Universalität dieses Austauschmittels aufheben muss - und damit den Charakter dessen was Geld ist verändern müsste.
Als Beispiel sei hier nur angeführt, dass, sollte es ein Zinseszinsverbot geben, Zinsen in unverzinsbarem Geld ausgezahlt werden müssten. Und wer würde seine Waren gegen unverzinsbares Geld abgeben? Sehen sie? Schon haben wir da ein Problem. Nämlich, dass Zinsen nur noch in Geld ausgezahlt werden können das kein sinnvolles Tauschmittel mehr darstellt. Deshalb wird auch kaum jemand Geld verleihen, wenn sie davon keinen Vorteil für sich - im Normalfall Geld, also Zinsen - hat. Und, bäm! Unsere Wirtschaft steht still, da die meisten Unternehmen darauf basieren, dass Dinge auf Kredit gekauft, weiterverarbeitet und verkauft werden um den Kredit zurückzuzahlen. Oder so.
Ich bin kein Wirtschaftswissenschaftler - die von ihnen angeführten "Autoritäten" aber genau so wenig. Dennoch äußere ich den dringenden Verdacht, dass sie hier einem nebensächlichen Teilaspekt die Hauptschuld an allem Übel geben. Oder auch: Ihre vermutete Antwort auf die Frage nach den Quellen sozialer Ungerechtigkeit ist unterkomplex.
> Sie wissen ja
> hoffentlich, dass dies die Umverteilung von Arm zu Reich
> weiterhin zementiert!?
Nein. Das weiß ich nicht. Ich weiß, dass Zinseszinsen immer wieder die Schuld an allem Bösen in der Welt gegeben wird. Eine Auffassung die ich nicht teile. Besonders die von ihnen kritisierte "Umverteilung von Arm zu Reich" - womit sie wahrscheinlich die immer weiter aufgehende Scheere zwischen armen und reichen Menschen meinen - ist sicherlich ein Problem unserer Gesellschaft, das sich nicht nur über Zinsen erklären lässt. Diese Erklärung übersieht so nebensächliche Probleme wie die ausbeuterische Unterbezahlung von Lohnarbeit, den mangelnden Verfolgungsdruck bei Steuerhinterziehung oder einfach nur mangelnde Steuergerechtigkeit.
> Eine einmalige Steuer verbessert nicht diesen grundsätzlichen Fehler wir
> brauchen einen grundlegenden Systemwechsel nicht das herumdoktern an den
> Krebsgeschwüren dieses kranken sterbenden den Kapitalismus.
Ihnen ist klar, dass die von ihnen gewählten Begriffe wenig aussagekräftige Kampfbegriffe sind? Ich für mich mache lieber eine überlegte, möglichst auf Fakten basierende, Politik die eine solche Sprache nicht nötig hat.
Und, wäre der Kapitalismus - wie sie schreiben - am sterben könnten sie sich zurücklehnen und ihm dabei zuschauen und müssten mir keine Suggestivfragen stellen.
> Vielen Dank
> mit solidarisch revolutionären Grüßen
>
> Jens Nagel
>
> MG AR betacoop
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> P.S. Charles Eisenstein Ökonomie der Verbundenheit und Silvio Gesell sind
> in dieser Hinsicht auch sehr zu empfehlen.
Meine - eingestanden nur oberflächlichen - Recherchen haben ergeben, dass Charles Eisenstein Naturphilosoph ist und eine eher utopische Vision für einen "neuen Menschen" entwickelt hat. Das haben vor ihm bereits andere getan - und sind damit gescheitert. Nicht, dass ich politische Visionen nicht gut heiße, nur, sind sie für mich eher Leitbilder im theoretischen Diskurs. Politik in Parlamenten muss sich an ihrer Umwelt und den dort gegebenen Menschen orientieren, nicht darauf aus sein "den Menschen als Solches" zu verändern. Und Silvio Gesell wird, wenn ich das richtig sehe, nur noch von Naziesoterikern ernst genommen.
Mit freundlichen Grüßen
Florian Bokor