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Frage von Christian D. •

Frage an Felix Staratschek von Christian D. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Herr Staratschek,

welche konkreten Eisenbahnstrecken in NRW wollen Sie neu bauen und/oder reaktivieren, wie wollen sie diese finanzieren und welche verkehrspolitischen Vorstellungen für das Land, insbesondere ihren Wahlkreis, haben Sie sonst noch?

Freundliche Grüße,
Christian Dörfler

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Sehr geehrter Herr Dörfler!

Eine detaillierte Antwort auf ihre Frage könnte Seiten füllen. Zunächst muss mal die Frage gestellt werden, wie wollen wir künftig den Gesamtverkehr finanzieren? Wenn das Öl immer knapper wird und deshalb die Transporte immer teurer werden, dann wird man sich an die energiesparende Schiene erinnern. In der Öffentlichkeit wird gerne über das Defizit der Bahn debattiert. Fakt ist aber, dass die Straße, wäre diese wie die Bahn behandelt worden, mehr Schulden verursacht hätte als der Schienenverkehr und dass die Bahn, hätte man diese genauso gefördert, wie die Straße und sinnvolle Innovationen umgesetzt, eine viel größere Bedeutung auf dem Verkehrsmarkt haben würde. Die Einwohner der kleinen Schweiz legen in ihrem kleinen Land jährlich doppelt so viele Kilometer auf der Schiene zurück, als die Deutschen in der Bundesrepublik. Dies hat seine Hauptursache darin, dass die direkte Demokratie in der Schweiz Staat und Bahn zu sinnvolleren Investitionen und Konzepten zwingt, als diese in Deutschland verfolgt werden.

Aber landesweit wurde und wird zur Zeit das Potential zerschlagen, dass die Schiene haben könnte. Während es im Personenverkehr zu einem Stopp des Rückbaus kam und einige Reaktivierungen stattfanden, ist die Güterbahn enorm geschrumpft. Und überall werden ehemalige Güterbahnflächen bebaut und gehen als Potentialfläche für eine neue Güterbahn verloren. Als erstes muss also ein Programm zum Erhalt der Bahnpotentiale aufgelegt werden, damit wir künftig den notwendigen Schienengüterverkehr wieder einführen können. Wie so eine moderne Güterbahn auf der Basis von Container- Linienzügen aussehen könnte, habe ich hier in einer Nacherzählung eines Aufsatzes beschrieben: http://oedpbergischland.blogspot.de/2012/02/was-poliker-in-wuppertal-remscheid-und.html

Die CDU im Bergischen Land hat alles getan, um die Schieneninfrastruktur weiter zu zerstören. SPD und Grüne haben zwar in NRW Trassensicherung betrieben, was nach 2005 die CDU-FDP- Koalition aufhob, sie hatten aber kein Konzept, um wichtige Bahnstrecken zu erkennen und gezielt zu reaktivieren. Einzig von der Aktivität der Kommunalpolitiker hing es ab, ob eine Strecke eine Chance hatte, reaktiviert zu werden (Euregiobahn um Aachen, Bielefeld - Osnabrück, Jülich - Linich, Brilon Stadt - Brilon Wald, Gronau - Enschede). Das ein Verein die Wiehltalbahn reaktivieren konnte stieß auf erbitterten Widerstand der CDU im Oberbergischen Kreis und des damaligen Landesverkehrsministers Oliver Wittke (CDU), die den Verein über kommunale Ratsmehrheiten Hindernisse in den Weg stellten, Wegerechte versuchten zu beschneiden oder Prozesse führten. Höhepunkt war, dass finanziell klamme Kommunen sich zusammenschlossen, und der Bahn - AG die Wiehltalbahn abzukaufen. Damit kamen diese dem Wiehltalbahnverein zuvor. Als Eigentümer wollten diese dann Zugfahrten verbieten und die Strecke zerstören. Gerichte stoppten dieses Ansinnen. Die Kommunen können zwar eine Bahntrasse kaufen, sie können aber auf einer gewidmeten Eisenbahnverkehrsfläche keine Zugfahrten verbieten und auch keine Strecke entwidmen lassen, auf der noch Züge fahren. Seitdem herrscht Waffenstillstand um die Wiehltalbahn. Was ich 2002 und 2003 mit der CDU in meinem Wahlkreis erlebt habe, habe ich hier geschrieben: http://viertuerme.blogspot.de/2011/07/warum-die-wuppertaler-nordbahn.html Einzig bei der Strecke Gummersbach - Lüdenscheid war auch die CDU Oberberg für eine Reaktivierung, würde die doch über Hagen unseren MdB Klaus Peter Flosbach (CDU) eine Stunde schneller nach Berlin bringen. Im Zuge dieser Absicht wurde das Teilstück Gummersbach - Marienheide reaktiviert.

Reaktivieren will ich zunächst die Strecken mit den größten Fahrgastpotentialen oder strukturpolitischer Bedeutung, darunter:

(Marburg - Korbach -) Brilon - Büren - Paderborn - Bielefeld - Bassum (- Bremen)
(Hagen -) Gevelsberg - Wuppertaler Norden - Wuppertal Vohwinkel - Mettmann (- Düsseldorf)
Waldbröl - Gummersbach - Brügge - Lüdenscheid
Xanten - Kleve - Nimwegen

Oberste Priorität für meinen Wahlkreis hat die Bahnstrecke Remscheid Lennep - Wermelskirchen - Burscheid - Leverkusen Opladen. Hier wird gerade ein Radweg errichtet. Aber diese Strecke hat großes Potential, da diese an beiden Endpunkten Großstädte hat und dazwischen 50.000 Anlieger wohnen. Hier von dünn besiedelten Gebiet zu sprechen, wo sich Zugverkehr nicht mehr lohne, zeugt nur davon, dass die Formulierer solcher Aussagen keine Ahnung von der Verkehrspolitik und dem Eisenbahnwesen haben. Der Stau auf der A1 und A3 ist eine direkte Folge des Fehlens eines attraktiven Schienenverkehrs. Im Raum Karlsruhe wäre diese Strecke längst zur Stadtbahn ausgebaut worden und als Straßenbahn ließe sich auch die Trassenunterbrechung in Wermelskirchen überbrücken. Außerhalb von der Stadtmitte von Wermelskirchen ist auf der reinen Bahntrasse auch Güterregionalverkehr von Leverkusen und Remscheid her möglich. Die Strecke war früher zweigleisig, so hier ein sehr leistungsfähiger Stadtbahnbetrieb geschaffen werden kann, der den Friedrich Ebert Platz in Remscheid mit der Domplatte in Köln anbinden würde. Die Strecke verläuft zwar außerhalb meines Wahlkreises, wäre aber für die Orte Wipperfürth, Hückeswagen und Radevormwald aus meinem Wahlgebiet über Buslinien erreichbar und würde auch für diese Orte die Erreichbarkeit vieler Ziele verbessern. Ein Video auf Youtube zeigt sehr schön, wie so ein moderner Zugverkehr aussehen kann:
http://www.youtube.com/watch?v=PeOUY7rwin0
In einer späteren Phase müsste auch die Bahnverbindung Remscheid - Hückeswagen - Wipperfürth - Marienheide (-Gummersbach) wieder hergestellt werden. Aber hier sind bereits größere Schäden an der Trasse angerichtet worden, so dass ich diese Strecke erst in einer späteren Phase angehen will.

Wie soll das finanziert werden?

Zum einen durch ein weitgehendes Ende des Straßenneubaus. Im Rahmen von Peakoil und der Transitiontown- Bewegung müssen wir vom energieverschendenden Verkehr zum energiesparenden Verkehr umsteuern. Ein Verbund von Fußwegen, Fahrradfahrten und ÖPNV muss immer attraktiver werden und zu einer Übernahme vermeidbarer PKW- Fahrten führen. Bei so einer Politik ist jeder Straßenbau eine Steuergeldverschwendung. Und vermiedene Ausgaben für Ölimporte können in die Eisenbahn investiert werden und hier neue Arbeitsplätze schaffen.

Wer öffentlichen Verkehr anbietet oder öffentliche Projekte durchführt, muss dies in voller Transparenz tun. So sollen Kostenstellen klar erkennbar werden und durch Vergleiche kosteneffiziente Strukturen und Konzepte weite Verbreitung finden.

Einnahmen für Trassenpreise der Bahnen müssen auf transparente Konten eingezahlt werden, die nur für die Trasse verwendet werden dürfen, auf der diese verdient wurden. Eine Pflegeplanung für jede Bahntrasse muss den Mittelbedarf nachvollziehbar darstellen. Die Mittel können jedoch für Investitionen in andere Strecken genutzt werden, wenn diese dort zu Kostensenkungen führen und eine Rückzahlung der Mittel auf das Ursprungskonto durch Betriebskostenreduzierungen möglich wird. So erhalten Netzbetreiber Anreize ein modernes, effizientes, preiswertes Netz vorzuhalten. Heute weiß man nicht, wie die Bahn AG diese Mittel verwendet und welche verdeckten Quersubventionen damit erfolgen.

Viele Projekte im Verkehrsbereich sind Prestigeprojekte, deren Ausgabenhöhe kein wesentlicher Nutzen gegenüber steht. Solche Prestigeprojekte will ich stoppen und durch eine bürgernahe Planung und Volksentscheide über die Verwendung der Steuergelder dafür sorgen, dass nur noch Maßnahmen umgesetzt werden, die sinnvoll sind und den Menschen einleuchten. Hier kann also schon mit heutigen Haushaltsmitteln mehr erreicht werden, wenn man es nur richtig macht.

Darüber hinaus bin ich für einen Nulltarif am Hauptwohnort und allen Nachbarorten. Fahrscheinverkauf ist ein Kostenfaktor und Tarife sind für viele kompliziert und bei Einzeltickets zu teuer. Was spricht also dagegen, statt über Fahrpreise über eine neue Steuer die Fahrgeldeinnahmen zu ersetzen. Unter dem Strich erhöht dass ja nicht die Gesamtbelastung der privaten Haushalte, denn auch heute zahlen die ja über Fahrkarten und Steuern den ÖPNV. Aber heute verzichten viele auf die Nutzung des ÖPNV, weil es zu unattraktiv ist. Es muss Indikatoren geben, bei welchen Fahrgastaufkommen welches Angebot zu schaffen ist.

Den Nulltarif habe ich schon zur letzten Landtagswahl 2010 gefordert. Diese Position ist also kein Plagiat der Aussagen der Piratenpartei.

Vorteile eines Nulltarifs:
-Umweltfreundliches Verhalten wird belohnt
-Autofahrer stehen seltener im Stau
-Abgase und Feinstaub und Lärm werden vermieden
-Es gibt weniger Tote durch Unfälle und Umweltbelastungen
-Innenstädte werden belebt, weil dahin die ÖPNV- Anbíndung besser ist
-Hol- und Bringfahrten nehmen ab, wenn der ÖPNV gratis ist, so dass für eine ÖPNV- Rückfahrt 2 Autorückfahrten ersetzt werden
-Teile der Parkplatzflächen können zur Stadtbegrünung oder für mehr Fußgängerflächen oder Außengastronomie oder Betriebsausweitungen genutzt werden .
-Hohen Benzinpreisen kann jeder leichter ausweichen und durch verringerte Nachfrage wird der Benzinpreisanstieg gebremst
-Geringverdiender können auch zu kleineren Jobs gelangen
-Fahrzeitverluste für den Fahrkartenverkauf und die Einstiegskontrolle entfallen. Busse können mehr Fahrten durchführen oder der Linienweg um einige Haltestellen verlängert werden
-Es können alle Türen beim Bus genutzt werden, man muss nicht vom Fahrer durch den Gelenkbus bis nach hinten laufen
-Busanhänger können eingeführt werden und erlauben die Fahrzeugmasse an die Nachfrage anzupassen http://de.wikipedia.org/wiki/Busanh%C3%A4nger
-In den Schwachlastzeiten dürften die Fahrgastzuwächse höher sein, als im Berufsverkehr, da Zeitkarten Vielfahren schon heute belohnen, während Gelegenheitsfahrgäste mit teuren Tarifen vertrieben werden. Das führt zu einer besseren Gesamtauslastung
-Jeder Arbeitsplatz für Busfahrer und Treibfahrzeugführer ersetzt die Ausgaben für einen Hartz IV- Empfänger.
-Innovationen im ÖPNV werden gefördert und können zum Exportschlager werden.

Ein Beispiel für einen erfolgreichen Nulltarif ist die belgische Stadt Hasselt: http://de.wikipedia.org/wiki/Personennahverkehr_in_Hasselt

Eine attraktive Eisenbahn ist eine unverzichtbarere Basis für eine umweltverträgliche zukunftsfähige Mobilität und Logistik. Bauen wir jetzt nicht die Schiene aus, wird das in Zukunft erhebliche negative Folgen für die Wirtschaft und den Wohlstand haben. Dabei ist die Schaffung von Kapazität wichtiger, als hohes Tempo. Der Regionalverkehr entlastet die Straßen wesentlich stärker, als der Prestigezug ICE! Leistungsfähige Knotenpunkte durch mehr kreuzunsgfreie Einfädelungen und die Wiederherstellung der in den letzten Jahren beseitigten zweiten Gleise auf vielen Strecken (u.a. Gummersbach - Osberghausen, Brilon - Warburg, Eifelbahn, Krefeld - Nimwegen) sind neben der Streckenreaktivierung wichtige Maßnahmen. Auf unnötige Tunnelprojekte, seihen es nun die Thüringer Wald- Schnellstrecke, U- Bahnen im Rhein- Ruhr- Raum oder Hauptbahnhöfe, wie Stuttgart 21 muss künftig verzichtet werden. Über den Bundesrat muss NRW hier versuchen, auch bei der Bundesregierung eine bessere Verkehrspolitik und Länderförderung anzuregen.

Da ich, wie die Ökologisch Demokratische Partei (ÖDP) ein Verbot von Konzernspenden an Parteien und Politiker fordere, setze ich mich auch für ein Ende des Einflusses der Auto-, Mineralöl- und Straßenbaukonzerne auf unsere Politik ein. Denn die angewandte Verkehrspolitik fördert noch immer zu stark vor allem Auto und LKW und lässt keine Gemeinwohlorientierung erkennen. Und letzteres ist ein Eckpfeiler der christlichen Soziallehre, deren Beachtung ich bei großen Parteien, die sich christlich nennen, sehr vermisse.

Mit bestem Gruß.
Felix Staratschek