Frage an Felix Staratschek von Dieter G. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Staratschek!
Seit mehr als 5 Jahren beteilige ich mich an Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV und die unsoziale Politik. Meines Erachtens reicht es nicht aus, nur ein bischen "nachzubessern" bei den von Hartz IV betroffenen Menschen. Meine Überzeugung ist, die ganzen Hartz Gesetze müssen weg, da sie Armut schaffen, die Konkurrenz unter den Beschäftigten fördern durch Niedrigstlöhne und die früheren Arbeitsämter im wesentlichen zu Kontrolleinrichtungen verändern, wo statt Arbeitsvermittlung nur unsinniger Druck gemacht wird.
Wie stehen Sie als Vertreter der ÖDP zu den Hartz Gesetzen, vor allem zu Hartz IV? Nehmen Sie auch an Montagskundgebungen gegen Hartz IV teil?
Vielen Dank für Ihre Antwort und Ihr Engagement.
D.Grünwald
Sehr geehrter Herr Grunewald!
Hartz IV ist vor allem deshalb problematisch, weil es auch Leute bestraft, die unverschuldet Arbeitslos sind, u.a. durch von Politikern und Bankiers mitverursachte Krisen und die aktiv aus der Erwerbslosigkeit herauskommen wollen. Ich vertrete die Auffassung, dass es keine Leistung ohne im Einzelfall zumutbare Gegenleistung geben sollte. Aber es kann nicht sein, dass in einer Gesellschaft, wo durch technischen Fortschritt die Zahl der Arbeitsplätze für eine Vollbeschäftigung nicht mehr ausreicht, die Leute, die bei der Arbeitssuche durchfallen, zur Armut verurteilt sind.
Das man einfach Leben kann, habe ich in meiner Studentenzeit praktiziert. Ich hatte Mietkosten von 230 DM und ca. 300 DM zum Leben. Zur Sparsamkeit gehörte, dass Kleidung nur im Schlussverkauf erworben wurde, die Zeitung am Aushang gelesen wurde und dass ich nach Obstbäumen Ausschau gehalten habe, die nicht geerntet würden. So musste ich mir bei regen Obstkonsum z.B. von September bis März keine Äpfel kaufen. Bücher habe ich oft über das Antiquariat erworben im Tausch gegen Bücher, die ich im Altpapier gefunden habe. An der Kultur habe ich teilgenommen, indem ich in einen Chor mitgesungen habe. Gleichzeitig war ich politisch aktiv und habe über zahlreiche Leserbriefe in Paderborn mich am politischen Leben beteiligt. Meine Fahrten zur ÖDP- Parteitagen oder Flugblätter für die Uni- Mensa habe ich finanziert, indem ich Restpostenbücher in Buchhandlungen erworben habe und die am Stand am Parteitag oder am Infostand der Ökologisch Demokratsichen Studierenden (ÖDS) mit einem Aufschlag verkauft habe. Es gab viele Gelegenheiten, an interessanten Dingen teilzunehmen, wie Vorträgen, u.a. vom Naturwissenschaftlichen Verein oder der Theologischen Fakultät. So eine Lebensweise ist aber nur möglich, wenn man die Ausnahme ist. Durch Hartz IV wird eine zu große Gruppe in die Armut getrieben, zumal die Preise für viele Dinge des täglichen Lebens sich seit meiner Niedrigst- Einkommenzeit auch mindestens verdoppelt haben.
1. Das mindeste was wieder eingeführt werden muss, ist die Hilfe in besonderen Lebenslagen, die mit Hart IV abgeschafft wurde. Denn ich sehe nicht, wie man mit Hartz IV Rücklagen bilden kann, um z.B. eine neue Waschmaschine zu erwerben.
2. Es muss einen erhöhten Satz "Hartz IV Plus" geben, für alle, die die Zeit der Erwerbslosigkeit nutzen, sich intensiv gesellschaftlich einzubringen. Jeder, der etwas sinnvolles tut, soll so die Chance bekommen, etwas besser zu leben. Das kann sowohl eine vermittelte Tätigkeit sein, als auch eine nachprüfbare selbstgesuchte Tätigkeit. Diese Tätigkeiten müssen im gemeinnützigen Bereich ohne Verdrängungseffekt im Arbeitsmarktes sein. Im Idealfall fördern die sogar den Arbeitsmarkt, wenn für diese Tätigkeiten Dinge erworben werden müssen oder wenn Senioren aus dem Altenheim öfters mal in die Innenstadt gelangen können.
a) Sollten Unternehmen im Sozialbereich solche Leute anstellen, muss gewährleistet sein, dass diese einen deutlich höheren Personalschlüssel haben, als dieser heute vorgesehen ist. Wenn dass erfüllt ist, könnte man jeder Pflegerin und jedem Pfleger und jedem Therapeuten eine Assistentin oder eine einen Assistenten zur Seite zu stellen, die durch Handreichungen und Unterstützung beim Heben oder Festhalten die Arbeit beschleunigt und so Zeit schafft für Belange, die über die 3 S hinausgehen (sauber, satt und sicher). Ebenso können Therapeuten Personen anleiten, Bewegungsübungen viel häufiger durchzuführen, als es heute möglich ist. Es muss nur sichergestellt sein, das bezogen auf die Bewohner der Personalschlüssel für die Standartarbeit und -therapie etwas übererfüllt ist. Durch die Krankenkasse verschriebene Therapien müssen von Therapeuten durchgeführt werden, nur zusätzliche Maßnahmen sollen von Helfern durchgeführt werden.
b) Bürgerinitiativen und Vereine leisten auch viel. Wer z.B. bei der Museumsbahn die alten Fahrzeuge instand hält, wer beim Naturschutzverband die Benjeshecken und Biotope pflegt, wer u.a. im Sportverein oder als schulische Arbeitsgemeinschaft Angebote für Jugendliche bietet, wer in Sozialstationen oder Kirchengemeinden viele Stunden für gute Dinge einsetzt, der sollte den erhöhten Hartz IV- Plus Satz bekommen.
c) Es liegt bei diesem Vorschlag bei vorhandener Fähigkeit an der Kreativität der Hilfeempfänger durch eine sinnvolle Tätigkeit das eigene Einkommen zu steigern. Vom einfachen Dienst, u.a. als Radwegpatrolie, die Scherben von Straßen und Fußwegen entfernt oder einfach indem man abends durch die Straßen geht, um durch deren Belebung die Sicherheit zu verbessern (Alarm nur per Handy, kein persönliches Eingreifen) bis zu Arbeiten, wo man Qualitäten einsetzen kann (Restauration von Museumsbahnen, soziale Kontakte und Begleitung von Heimbewohnern, Angebote für Jugendliche ....) erhält so die Gesellschaft eine Gegenleistung für den Betrag, den diese für die Erwerbslosen aufbringt.
d) Es ist unfair, wenn Hartz IV- Leute alles offen legen müssen, aber unsere Politiker und Manager sich einer größeren Transparenz ihrer Bezüge, etc. verweigern.
e) Es ist nicht hinnehmbar, dass bei den Ärmsten gespart wird, solange nicht so viele Steuerfahnder eingestellt werden, wie dies wirtschaftlich für den Staat sinnvoll ist und solange der Staat für Prestigeprojekte, falsche Steuerreformen und Kriege das Geld kübelweise zum Fenster hinaus wirft und durch falsche Rahmensetzung vor allem die Konzerne und nicht arbeitsschaffende Techniken und Bereiche fördert. Hier liegt auch die Handungskompetenz der Landesregierung, die allen ihren Handlungsspielraum nutzen muss, den ökologischen Umbau des Landes voran zu bringen, der durch neue Umwelttechniken oder die Altbausanierung viele Arbeitsplätze schafft und so Gewinne von den Konzernen zu den Stadtwerken oder mittelständischen Unternehmen und damit in die Regionen umleitet. Das dies den Konzernen, die oft Großspenden an die Politik zahlen, nicht gefällt, ist einleuchtend. Und deshalb brauchen wir ÖDP- Mandate im Landtag, damit endlich eine Partei vertreten ist, die keine Spenden von Konzernen und Verbänden annimmt.
f) Die Arbeitsvermittlung sollte komplett kommunalisiert werden. Warum müssen Arbeitslose aus Radevormwald 15 km bis zur nächsten Arbeitsagentur fahren? Die Betreuung könnte auch über jedes Rathaus stattfinden. Und in jedem Rathaus muss es Computersteelen geben, die Zugang zu Internetjobbörsen ( wie www.meinestadt.de ) bieten. Denkbar wäre auch eine Kooperation mit Sparkassen oder Geschäften, die so eine Computersteele aufstellen können, um die Wege zum Netzzugang kurz zu halten. Schließlich profitieren diese davon, wenn die Menschen schnell Arbeit finden. Ebenso soll jeder seine Bewerbungen im Rathaus abgeben können, wo die Portokosten übernommen werden und der Bewerber für jede versandte Bewerbung einen neuen Briefumschlag erhält. Wer sich intensiv bewirbt, muss auf schnellen Wege von diesen Kosten entlastet werden und darf keine Nachteile gegenüber dem haben, der dies nicht tut.
g) Ich setze mich für einen Nulltarif beim öffentlichen Verkehr ein. Am Hauptwohnsitz und in allen Nachbarstädten soll der Nahverkehr kostenlos sein. Dann können auch Bewerbungsgespräche oder Jobs, die nur wenige Stunden ausmachen problemlos aufgesucht werden. Nebenbei ist dass eine Maßnahme der Umweltpolitik, da die meisten Autofahrten im Nahbereich stattfinden sollen so die Straßen optimal entlastet werden. Da Busse die Innenstädte gut erschließen, stärkt das den Einzelhandel in den Stadtkernen und kann auch hier zur Schaffung von Arbeitsplätzen führen. Im belgischen Hasselt gibt es dafür ein gutes Beispiel:
http://de.wikipedia.org/wiki/Personennahverkehr_in_Hasselt . .
h) Die Außenpolitik muss dafür sorgen, das soziale und ökologische Standards erfüllt sein müssen, um den Handel zu liberalisieren. Ansonsten sorgt die Globalisierung für Sozial- und Ökodumping. Wettbewerb ist eigentlich etwas sinnvolles, sofern dieser zwischen sozialen Marktwirtschaften stattfindet und durch technische Innovation und gutes Management zu Effizienz führt. Keine zentrale Staatsplanung ist in der Lage, einen sozialen Markt zu ersetzen. Aber für soziale und ökologische Belange muss es Protektionismus geben dürfen gegenüber den Staaten, die sich solchen Standards verweigern. Die Außenpolitik sollte nach Verbündeten suchen, die sich ebenfalls der sozialen Marktwirtschaft verpflichtet wissen. Sobald genügend Partner gefunden sind, sollte man die aktuellen WTO- Verträge verlassen und eine ökologisch- soziale Welthandelsgemeinschaft gründen. Was wir akut haben ist ein Alle gegen Alle, jeder versucht, um zu überleben, den Kopf seines Nachbarn unter Wasser zu drücken. Am Ende werden alle an Erschöpfung untergehen. Das ist ein antichristliches Lebensmodell. Als Christ setze ich auf Kooperation und Leistungsanreize. Wir müssen unsere Kräfte bündeln, um nach oben zu kommen und nicht auf der Stelle verharren und jeden aus Angst um unsere Stellung wieder nach unten zu stoßen, der uns zu nahe kommt. Letzteres kann auf die Dauer nur in einer Krise enden, in der alles verloren geht, auch für die die, die akut vom Neoliberalismus profitieren. Die Vermögen der Reichen werden wie Seifenblasen zerplatzen, wenn man immer mehr Menschen an den ökonomischen Rand drückt und zur ökonomischen Bedeutungslosigkeit degradiert.
i) Konsum und Wirtschaftswachstum sind nicht alles und können auf keinen Fall ins Unendliche gesteigert werden. Es geht darum, die Bedürfnisse für das Leben herzustellen und allen die Chance zu geben, ein ausreichendes Einkommen zu erhalten. Durch den richtigen Rahmen soll das Wirtschaften umwelt- und sozialverträglich sein. Wenn so nicht genug Arbeitsplätze durch auf dem Markt agierende Unternehmen entstehen, ist kein sinnloser Konsum zu erzeugen, sondern nach Wegen zu suchen, wie auch diese Leute durch Leistung sich in die Gesellschaft einbringen können und dadurch ein auskömmliches Leben führen können. Hartz IV leistet das nicht und führt zusammen mit der Globalisierung zu einem enormen Druck dahin, Löhne zu senken oder Arbeitskräfte in Niedriglohnfirmen auszulagern. Je mehr Firmen sich so verhalten, umso nachteiliger ist so ein Verhalten für die globale Gesamtökonomie. Politik hat die Aufgabe, diesen Teufelskreis zu durchbrechen.
j) Die ÖDP befürwortet die direkte Demokratie. Diese können auch soziale Initiativen nutzen, wenn die ÖDP hier ihre Ziele umsetzen kann.
k) Auch die Familienpolitik der ÖDP entlastet oder belebt den Arbeitsmarkt. Durch das rentenwirksame Erziehungsgehalt der ÖDP werden fast alle Familien aus Hartz IV herausgenommen. Wenn sich dann Elternteile selber der Erziehungsarbeit widmen, entlasten die den Arbeitsmarkt, wenn diese das Geld nutzen, eine Tagesmutter oder Betreuungseinrichtung zu bezahlen, schaffen die Eltern Arbeitsplätze. Für Eltern muss es einen Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit geben, damit diese sowohl in ihrem Job bleiben können und sich gleichzeitig stärker der Familienarbeit widmen können.
Mit bestem Gruß,
Felix Staratschek