Frage an Felix Möller von Manuela S. bezüglich Frauen
Lieber Felix Möller,
Ich engagiere ich mich seit einigen Jahren stark zum Thema Prostitution.
Meine Position ist kritisch gegenüber der Politik Ihrer Partei, die mit dem Gesetz von 2001 meines Erachtens einen falschen Weg eingeschlagen hat, und auch heute keine überzeugende Position zu dem Thema vertritt.
Meine Frage an Sie, die ich auch allen KandidatInnen stellen werde, und die für mich in der Tat stark wahlentscheidend sein wird:
Das Europaparlament hat auf Initiative der Abgeordneten Mary Honeyball eine Resolution verabschiedet, die allen Mitgliedsstaaten die Übernahme des sogenannten Nordischen Modells empfiehlt (Kriminalisierung der Freier und Profiteure, Entkriminalisierung der prostituierten Personen, individuelle Ausstiegshilfen, antisexistische Erziehung, Öffentlichkeitskampagnen, ...) Im Gesetzgebungsprozess wurde dieser Politikansatz nicht berücksichtigt, ExpertInnen nicht angehört. Das neue Gesetz sieht eine Evaluation nach drei Jahren vor.
Können die VertreterInnen des Nordischen Modells in Deutschland, sollten Sie MdB werden, mit Ihrer Unterstützung rechnen? Dies meint konkret: Anhörung von Prostitutionsüberlebenden, NGOs die sich für das Nordische Modell einsetzen, ExpertInnen aus den Ländern, die hier führend sind, wie sich das in einem demokratischen Meinungsfindungsprozess gehört.
Unabhängig davon würde mich Ihre persönliche Positionierung zur Thematik interessieren.
Im Voraus vielen Dank
M. S.
Liebe Frau S.,
danke für Ihre Anfrage. Ich verstehe Ihr Anliegen, Menschen vor jeglichen Formen der sexuellen und wirtschaftlichen Ausbeutung zu schützen. Zwangsprostitution muss aufs Schärfste bekämpft werden und auch indirekte gesellschaftliche Zwänge, die Menschen in die Prostitution drängen, müssen abgebaut werden, etwa durch bessere Bildungschancen und gerechtere Entlohnung für Frauen. Ich unterstütze Ausstiegshilfen und auch eine antisexistische Erziehung/Aufklärung. Bei gesetzlichen Regelungen sollten Experten und Betroffene gehört werden.
Der Gesetzgeber muss hier allerdings auch die Rechte und Interessen von Menschen berücksichtigen, die als Erwachsene einander in mündigem Einvernehmen begegnen. Neben der Realität von Ausbeutung und des Opferwerdens gibt es auch die Realität von Menschen, die bewusst und aus freien Stücken in diesem Bereich tätig werden, sich als Sexarbeiter/Sexarbeiterinnen auffassen, sich in Interessenvereinigungen wie dem Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen e.V. organisieren und Respekt und Anerkennung für die Wahl ihres Lebensstils und ihrer Tätigkeit einfordern.
Das heißt der Gesetzgeber muss hier Ihr berechtigtes Interesse, Menschen vor Ausbeutung, Zwang und dergleichen zu schützen, einbeziehen ebenso wie er die Freiheitsrechte von Menschen, die aus freien Stücken erotische Dienstleistungen anbieten, einbeziehen muss. Aus diesem Grund kann ich bei einem vollständigen Verbot jeglicher Form von Prostitution nicht mitziehen. In Ländern, in denen ein solches Verbot gilt, führt dies nicht zu einem Verschwinden des Phänomens, sondern lediglich zu einer Abnahme staatlicher Einflussnahme, Kontrolle und Einhaltung von Hygiene- und Sozialstandards. Mitunter können somit Formen der Ausbeutung, Freiheitsberaubung, Zwang und Gewalt noch schwerer geahndet werden.
Ich unterstütze jedes Vorhaben zur Bekämpfung von Zwangsprostitution und Hilfsprogramme für Menschen, die aussteigen wollen. Ein generelles Verbot sehe ich als einen zu starken Eingriff in die Freiheitsrechte mündiger erwachsener Menschen an.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Felix Möller