Frage an Farid Müller von Thomas H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Müller,
vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort. Gerne würde ich aber noch drei Nachfragen stellen.
Bei Ihrer vorherigen Antwort sind Sie leider nicht auf den Moscheebau eingegangen. Ich würde dazu gerne Ihre Meinung lesen.
Ich habe mir in dem LMV-Beschluss vom 5.5.07 den Text zu den von Ihnen angedachten Magnetschulen mit Interesse durchgelesen. Bis auf die Schaffung neuer Sportanlagen an den Magnetschulen sowie den Kooperationen mit Schulen aus unbelasteten Stadtteilen, ist mir der Unterschied zur aktuellen CDU-Schulpolitik noch unklar. Im Moment sind alle Schulen dazu angehalten sich Sponsoren/Paten aus der Wirtschaft für ihre Profilbildung zu suchen. Brennpunktschulen in belasteten Stadtteilen, sollen ebenfalls weitere Einrichtungen zur medizinischen Versorgung und Sozialarbeit bekommen. Hinzu kommen kleine Klassen und mehr Lehrer/Sozialarbeiter. Bis auf die genannten Unterschiede, erscheinen mit Brennpunkt- und Magnetschule recht ähnlich. Ich würde mich freuen, wenn Sie mir den Unterschied zu Ihrem Konzept genauer erläutern.
Meine letzte Frage betrifft den Religionsunterricht. Bisher hatten wir in Hamburg - im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern - einen gemeinsamen-integrativen RU aller Konfessionen und Konfessionslosen, mit dem didaktischen Ziel des interkulturellen und interreligiösen Dialoges.
Nun hat Herr von Beust dem Drängen der Katholiken und der AKP nahen DITIB nachgegeben, so dass diese nun einen eigenen, von den anderen getrennten RU nur für Katholiken und Muslime (den auf türkisch, um eine bessere Reintegration in die Türkei zu ermöglichen) erhalten sollen. Mir erscheint der getrennte RU als problematisch für die Integration in Deutschland, zumal es immer schwieriger wird den zu organisieren, je mehr Religionen ebenfalls einen eigenen RU fordern. Außerdem wird es dann schwer einen weiteren RU für die Konfessionslosen gegenüber ihren Eltern zu rechtfertigen
Gerne würde ich dazu Ihre Position erfahren.
Liebe Grüße
Thomas Hertzsch
Sehr geehrter Herr Hertzsch,
zunächst bitte ich um Entschuldigung dafür, dass ich Sie so lange habe warten lassen. Ich bereite zurzeit eine etwas aufwändigere Veranstaltung zum Mindestlohn vor. Außerdem bin ich verantwortlich für eine Besuchstour mit des Grünen Bundesvorsitzenden Bütikofer in Firmen aus Branchen, die klassischerweise unter Tarif bezahlen, die selbst aber den von uns geforderten Mindestlohn unterstützen. Das bindet leider viel Zeit.
Zu Ihren Fragen im Einzelnen:
Moscheebau
Wir haben in Hamburg eine andere Situation als in Köln oder Berlin. Bei uns konzentrieren sich mehr als ein Dutzend Moscheen in St. Georg. Viele von Ihnen suchen seit Jahren verzweifelt nach anderen Standorten, weil der bauliche Zustand mancher Moscheen nicht nur gefährlich, sondern einem Gebetshaus auch nicht würdig ist. Die El Nur Moschee ist in einer Tiefgarage untergebracht. Von Minaretten, die den Michel bedrohen, wie Ole von Beust dies letzt äußerte, sind wir also weit entfernt.
Immer wenn die Religionsgemeinschaften glauben, einen geeigneten Ort gefunden zu haben, scheitert dies in letzter Minute am Widerstand vor Ort. Wir Grüne wollen daher in einem zukünftigen Staatsvertrag die Frage der Moscheen für ganz Hamburg lösen. Eine Konzentration auf so kleinem Raum wie in St. Georg ist für alle Beteiligten keine gute Lösung. In diesem Zusammenhang wollen wir gemeinsam mit den Religionsgemeinschaften und den Bezirken Orte finden, die möglichst in der Nähe der jeweiligen Moscheegänger liegen, um unnötigen Besuchsverkehr und damit Widerstände aus der Nachbarschaft zu vermeiden.
Magnetschulen / Brennpunktschulen
Der wichtigste Unterschied ist, dass wir Grüne mit unserem Schulmodell "9 macht klug", dem gemeinsamen Lernen bis zur 9 Klasse mit Förderung der Starken und der Schwächeren gleichermaßen ein stimmiges Gesamtkonzept haben. Der zweite wichtige Unterschied: Wir werden uns als Regierungspartei nicht in bloßen Ankündigungen erschöpfen, sondern unsere Pläne umsetzen.
Religionsunterricht
Wir Grüne wollen den gemeinsamen Religionsunterricht unbedingt erhalten und weiterentwickeln. Bisher findet der Unterricht unter der Verantwortung der evangelischen Kirche statt. Wir wollen, dass dieser Unterricht zukünftig in einem rollierenden System verantwortet wird. Das würde in der Zukunft muslimische Religionslehrerinnen und -lehrer einschließen, wenn dafür folgende Bedingungen erfüllt sind: Fundierte Ausbildung an einer deutschen (oder EU-) Hochschule und entsprechendes Examen.
Damit möchten wir ein klares Signal der Integration setzen, aber auch die muslimischen Religionsgemeinschaften dazu ermuntern, zukünftig auf getrennten konfessionellen Unterricht zu verzichten. Das der Erste Bürgermeister den Katholiken einen getrennten Religionsunterricht an Schulen mit ausreichend katholischen Schülerinnen und Schülern angeboten hat, ist ein Rückschritt für den Erhalt des gemeinsamen Religionsunterrichts.
Leider steht verfassungsrechtlich anerkannte Religionsgemeinschaften in Deutschland laut Grundgesetz das Recht auf einen getrennten konfessionellen Unterricht zu. Dieses Thema wird auch bei den nach der Wahl weiterlaufenden Verhandlungen über einen Staatsvertrag mit den muslimischen Religionsgemeinschaften eine wichtige Rolle spielen. Noch ist hier nichts Entschieden. Es ist deswegen von entscheidender Bedeutung, den anderen Religionen die Vorteile eines gemeinsamen Unterrichts zu vermitteln.
Ansonsten drohen zersplitterte Verhältnisse an den Hamburger Schulen.
Wie immer finden Sie weiterführende Informationen unter www.farid-mueller.de
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Farid Müller