Frage an Farid Müller von Manfred W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Müller,
natürlich ist es aberwitzig, wenn eine Minderheit mit unserer Verfassung Schindluder treiben kann. Hier stimme ich Herrn von Beust und Herrn Reinders ausdrücklich zu.
Diese auf Plakate geäußerte Befürchtung der CDU ist allerdings leicht auszumerzen:
Für eine Verfassungsänderung genügt die Zustimmung von 3/4 der Parlamentarier, welche damit 30,3% bzw. 367.877 der wahlberechtigten Bürger vertreten.
Möchte das Volk eine Verfassungsänderung (Rettet den Volksentscheid) herbeiführen, müssen nach Maßgabe von Exekutive und zustimmender Legislative allerdings 50% bzw 607.468 der wahlberechtigten Bürger zustimmen.
Die Befürchtung, dass Minderheiten unsere Verfassung missbrauchen ist also tatsächlich gerechtfertigt, wenn auch die Herren von Beust und Reinders dies sicherlich ganz anders gemeint haben.
Sehr geehrter Herr Woinitzky,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Auch ich bin sehr überrascht, wie die Union mit dem Begriff der Minderheit umgeht. Die CDU regiert derzeit auf der Basis einer absoluten Mehrheit, die auf den Stimmen von 389.170 Bürgerinnen und Bürger basiert - von insgesamt 1.214.935 Wahlberechtigten. Da aber nur 834.656 Wählerinnen und Wähler überhaupt gewählt haben (68,7 %) und die Stimmen der Parteien, die unter der 5-Prozent-Hürde geblieben sind (zusammen über 80.000 Stimmen), bei der absoluten Mehrheit der Stimmen in der Bürgerschaft keine Rolle spielen, reicht eben ein gutes Drittel aller Wahlberechtigten für diese absolute Mehrheit aus.
Für eine Verfassungsänderung durch die Bürgerschaft reichen zurzeit 30,35 % der Wahlberechtigten aus. Dafür sind keine zwei Drittel der Wahlberechtigten nötig, wie die CDU uns weismachen will.
Die Bürgerschaftsabgeordneten sind derzeit von 61,05 % der Wahlberechtigten gewählt (Wahlbeteiligung abzüglich der unter der 5-Prozent-Hürde verbleibenden Stimmen). Für eine Verfassungsänderung müssen mindestens 3/4 aller Abgeordneten anwesend sein - das sind 91 Abgeordnete. Für eine Verfassungsänderung müssen 2/3 dieser Abgeordneten stimmen, also 61.
61 Abgeordnete sind 49,9% aller Bürgerschaftsabgeordneten. 49,9% der Bürgerschaftsabgeordneten können also eine Verfassungsänderung beschließen.
Wenn alle 121 Abgeordneten 61,05 % der Wahlberechtigten repräsentieren, dann repräsentieren 49,9% der Abgeordneten 30,46 % der Wahlberechtigten.
An Volksentscheiden, die die Verfassung ändern sollen, sollen nach dem jetzigen Entwurf mindestens 35 % teilnehmen. Dadurch wird deutlich, dass es sich dabei eben nicht um eine radikale Minderheit handelt.
Ganz wichtig ist auch die Tatsache, dass sich bei wichtigen Entscheidungen stets viele Wahlberechtigte beteiligen. Das Schreckgespenst, zukünftig würden Extremisten den Volksentscheid missbrauchen können, ist daher irreführend.
Weitere Informationen finden Sie auch auf meiner Internetseite
unter dem Menüpunkt: "Volksentscheid stärken"
Mit freundlichen Grüßen
Farid Müller