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Farid Müller
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Frage von Mirco B. •

Frage an Farid Müller von Mirco B. bezüglich Umwelt

Guten Tag Herr Müller,

kennen Sie das Gutachten "Masterplan Klimaschutz", das im Oktober 2010 von der BSU öffentlich präsentiert wurde?

Wenn ja, dann wissen sie sicherlich, das in diesem Gutachten explizit herausgearbeitet und dargelegt wird, daß eine Fernwärmeversorgung aus Steinkohleverbrennung (d.h. nach Vattenfall Planungen aus dem KoKW Moorburg) die Klimaschutzziele Hamburgs torpediert. In dem Gutachten steht weiter, daß eine zentralistische Versorgung der Fernwärme den notwendigen, zukunftsorientierten und bürgernahen Ausbau des Netzes auf Jahrzehnte hinweg blockiert.

Seit der Vorstellung des Gutachtens war weder von der BSU (bis zur Koalitionsauflösung geleitet von Fr. Hajduk/GAL) noch von der GAL selbst ein öffentlicher Aufruf dazu zu hören noch hat man das Gespräch mit den Klimaschutz-Initiativen gesucht.

Jetzt hat Vattenfall am 1.2. 2011 offiziell erneut den Antrag auf Baugenehmigung für die sog. Moorburgtrasse eingereicht. Vattenfall tut also so, als gäbe es dieses Gutachten nicht. Und weder die BSU noch die GAL halten dieses Verhalten wert, es öffentlich anzuprangern.

Auch wenn es in Bezug auf das KoKW Moorburg tatsächlich Sachzwänge gibt, die eine Genehmigung nicht verhindern können/konnten, warum haben Sie genauso wenig wie die anderen (Spitzen)Politiker Ihrer Partei den Schneid, dem Vattenfall-Konzern öffentlich und eindeutig eine ganz offensichtlich feindliche und destruktive Konzernpolitik vorzuwerfen?

Bei Unternehmen wie Google oder Facebook sind die Politiker (auch der Grünen) weit weniger zurückhaltend, vermeintliche/tatsächliche Mißstände einzelner Konzerne anzukreiden.

Werden Sie, sollten Sie wieder gewählt und vor allen Dingen ihre Partei erneut in Senatsverantwortung kommen, mehr Rückgrat in der Öffentlichkeit zeigen als bisher?

Und wird die GAL das gegen die destruktiven Konzerninteressen Vattenfall und EONs gerichtete Volksbegehren "unser Hamburg, unser Netz" anders als bisher unterstützen?

Mit freundlichem Gruß

Mirco Beisheim

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Beisheim,

Danke für Ihre Fragen. Wenn ich es richtig sehe, sind Sie der Ansprechpartner der Bürgerinitiative zum Stopp der Moorburg-Trasse. Ich kann verstehen, dass Sie mit einigem nicht zufrieden sind. Lassen Sie uns vier Dinge trennen: 1. Das politisch Wünschenswerte, 2. das politisch mit einer Mehrheit durchsetzbare und 3. Genehmigungen, die rechtlich gebunden zu erteilen sind.

1. Politisch wünschenswert ist für mich und die GAL Hamburg, dass Vattenfall so wenig wie möglich mit der Freien und Hansestadt Hamburg zu tun hat. Diese Firma betreibt Atomkraftwerke, verpestet das Klima und verhindert die Energiewende.

2. Um etwas politisch zu gestalten, bedarf es einer Mehrheit. Um seine politischen Ziele zu äußern braucht man die nicht, aber sobald es darum geht, etwas durchzusetzen, muss man die entsprechenden Stimmen haben. Sie sehen dass an der Elbvertiefung. Wir Grüne wollen sie nicht. Aber ganz gleich, ob wir mit der SPD oder der CDU koalieren: In keiner Koalition werden wir die Elbvertiefung verhindern. Denn beide sind massiv dafür. Diese Ähnlichkeiten gibt es auch im Umgang mit Vattenfall. Wir haben als kleinere Partei nun die Alternative, keine Regierung mitzumachen - dann gibt es eine Große Koalition, wir haben ein ruhiges Gewissen und SPD und CDU baggern die Elbe aus. Oder wir beteiligen uns und erreichen auf diesem Wege wenigstens Umweltschutzauflagen, eine Stiftung, mehr Naturschutzgebiete. Klar, auch ich würde gerne mehr durchsetzen. Aber dafür brauche ich die entsprechende Mehrheit.

3. Genehmigungen. Auch eine politische Mehrheit muss sich an Recht und Gesetz halten. Und nicht jedes Gesetz darf die Hamburger Bürgerschaft ändern. Und deswegen gibt es immer wieder Dinge, die wir nicht mögen und die wir gerne verhindern würden, die wir aber nicht verhindern dürfen. Die Vattenfall-Trasse gehört dazu. Als Politiker muss meine Frage dann lauten: Habe ich Optionen? Würde ich zum Beispiel die Vattenfall-Trasse stoppen, wenn ich aus der Regierung ausscheide? Die Antwort lautet: Nein. Wir sind aus der Regierung ausgeschieden und dennoch wird die Trasse kommen. Auch wenn ich Sie ablehne. Übrigens hat das von Ihnen angesprochene Gutachten die Grüne Umweltsenatorin Anja Hajduk in Auftrag gegeben.

Ich weiß, dass das manchen Menschen zu mühsam ist. Das alles darf uns aber nicht davon abhalten, immer wieder alles zu versuchen, um unsere Ziele zu erreichen: Besseres Klima, mehr Wohnungen, besseres Essen, mehr Bildung, mehr soziale Gerechtigkeit.

Allerdings weiß ich nicht, worauf Sie sich beziehen, wenn Sie den Grünen Beißhemmungen gegenüber Vattenfall nachsagen. Unsere Spitzenkandidatin Anja Hajduk hat sich als Umweltsenatorin so mit diesem Konzern angelegt, wie kein Senatsmitglied zuvor. Lesen Sie doch bitte mal Ihre eigene Website http://www.attac-netzwerk.de/hamburg/ags/oekologie-und-globalisierung/oeko-themen/moorburgtrasse-stoppen/ Dort schreiben Sie doch selbst, dass Vattenfall und die Stadt vor Gericht streiten, dort schreiben Sie selbst, dass "die Politik" Vattenfall als Premiumsponosor ablehnt und vieles mehr. Und übrigens erwähnen Sie dort selber die Menschenkette gegen die AKWs von Vattenfall mit 120.000 Menschen. Wer hat denn dort gestanden? Das waren doch mit vielen anderen Menschen Anja Hajduk und die gesamte GAL.

Insofern verstehe ich Ihren Frust über die kaum zu verhindernde Trasse. Ich hoffe aber, Ihnen deutlich gemacht zu haben, warum dagegen von Seiten des Senats so wenig zu machen ist.

Um Ihre letzte Frage zu beantworten: Sie liegen falsch, wenn Sie vermuten, dass die GAL die Initiative Unser Hamburg unser Netz bisher abgelehnt hätte. Hier sehen Sie, dass dies bereits zum beginn der Initiative im Juli 2010, also deutlich vor dem Bruch der Koalition, der Fall war: http://www.gal-fraktion.de/blog/29-07-2010/unser-hamburg-%E2%80%93-unser-netz - und ja, wir werden weiter Rückrat zeigen. Auch und gerade gegenüber den Energieversorgern. Übrigens haben wir Grüne uns aus dem Widerstand gegen deren Praktiken gegründet.

Mit freundlichen Grüßen
Farid Müller

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