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Fabio De Masi
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Frage von Corinna W. •

Wäre Ziel von Ihnen, dass alle EU-Länder einen annähernd gleichen Wohlstand erreichen (d.h. ungefähr gleiches BIP und Schuldenstand)? Wenn ja, welche Maßnahmen hielten Sie für geeignet?

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Sehr geehrte Frau W.,

 

natürlich sollte der Wohlstand in den ärmeren Staaten in der EU gehoben werden. Eine absolute Angleichung der Lebensverhältnisse ist in einer EU von 27 Mitgliedsstaaten mit völlig unterschiedlichen Voraussetzungen kurzfristig jedoch schwer zu erreichen. 

 

Die Voraussetzung für eine deutliche Anhebung des Wohlstands sind mehr öffentliche Investitionen. Die EU hat mit ihren starren Fiskalregeln, der Kürzungspolitik in der Euro-Zone und dem Druck auf schnelle Marktöffnungen im EU-Binnenmarkt die Ungleichheit zwischen und innerhalb von EU-Mitgliedsstaaten verschärft.

 

Die Südländer in der EU sind jedoch seit dem 4. Quartal 2019 stärker gewachsen als der Rest der Euro-Zone, und zwar da die EU-Fiskalregeln in der Corona-Krise außer Kraft gesetzt wurden und diese Länder mehr investiert haben. Die EU-Fiskalregeln sind daher eine Investitionsbremse.

 

 

Der absolute Schuldenstand ist ökonomisch nicht aussagekräftig. Wenn etwa durch übertriebene Kürzungspolitik das Wachstum (BIP) einbricht, kann die sogenannte Schuldenquote (Schulden im Verhältnis zum BIP) selbst bei Verringerung der absoluten Verschuldung zunehmen. Genau dies ist während der Euro-Krise in Griechenland geschehen. Italien hat bis zur Corona-Krise in 28 von 30 Jahren als einziges Industrieland der Welt Primärüberschüsse (Haushaltsüberschüsse vor Zinsen) im Haushalt erwirtschaftet. Durch die fehlenden Investitionen stagnierte aber die Wirtschaft und die Schuldenquote sank kaum. Japan hat eine sehr hohe Schuldenquote und ein hohes Wachstumsniveau. Und Spanien oder Irland rutschten trotz niedriger öffentlicher Schuldenstände in die Euro-Krise, da die private Verschuldung bzw. Auslandsverschuldung aufgrund der Ungleichgewichte im Außenhandel hoch war. Denn aufgrund unzureichender öffentlicher Investitionen und Löhne hat Deutschland über viele Jahre mehr an die EU-Partner verkauft als von dort eingekauft (Exportüberschüsse). Das konnte in einer Währungsunion ohne Anpassung der Wechselkurse nicht auf Dauer gut gehen.

 

Entscheiden ist daher für die Entwicklung der Verschuldung daher die Struktur der Schulden. Japan ist bei den eigenen Bürgern und Unternehmen verschuldet, die es besteuern kann und die Zentralbank garantiert die Staatsschulden umfassend. All diese Voraussetzungen waren in der Euro-Zone nicht gegeben. Wenn das Wachstum höher ausfällt als die Zinsen, sinkt die Verschuldung ebenfalls. Und niedrige öffentliche Schulden bringen wenig, wenn die Auslandsverschuldung oder die privaten Schulden hoch sind. Dann muss in einer Krise im Zweifel der Staat einspringen. 

 

Ich fordere daher seit Jahren eine "Goldene Regel", die Kredite im Umfang der öffentlichen Investitionen und somit angemessenes Wachstum ermöglicht. Dies wird zwar nunmehr auch in der EU diskutiert, jedoch wollen SPD, Grüne und FDP eine Flexibilisierung der EU-Schuldenbremsen nur für militärische Investitionen. Zudem müssen chronische Leistungsbilanzüberschüsse wie in Deutschland sanktioniert werden, damit Deutschland – die größte Volkswirtschaft der EU – mehr öffentlich investiert. Dies wäre ein Beitrag zu mehr wirtschaftlicher Dynamik in Europa.

Beste Grüße

 

Fabio De Masi

 

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