Frage an Fabio De Masi von Hans-Joachim H. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr De Masi!
Ich habe gelesen, daß sie ein Absolvent der HWP sind und deshalb interessiert mich Ihre Meinung zum BGE. Wenn ich mich richtig erinnere waren sie Mitarbeiter von Sahra Wagenknecht. Die spricht sich ja vehement dagegen aus.
Im letzten "Klartext" -Ausgabe aus Rostock ist sie auch mit einem Zitat über das BGE vertreten. Die Macher dieser Parteizeitung sehen sie doch lieber gehen als kommen ... . Kennen Sie das Buch "Postkapitalismus"?
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Joachim Hagen
Sehr geehrter Herr H.,
Vielen Dank für Ihre Zuschrift. Mir ist bewusst, dass viele Anhänger des bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) damit gute Absichten verfolgen. Ich lehne das BGE dennoch ab und halte es in der Praxis sogar für eine gefährliche Idee.
Der Sozialstaat wird immer aus Arbeit finanziert. Das BGE würde (wie eine Versicherung) nur funktionieren, wenn es nicht von zu vielen Menschen in Anspruch genommen wird. Da die Höhe des Grundeinkommens aber nicht sehr hoch ausfallen kann, um für alle finanzierbar zu bleiben, wären am ehesten Menschen mit Vermögen (etwa Wohneigentum etc. ) in der Lage, das BGE in Anspruch zu nehmen. Für Menschen mit speziellen Bedürfnissen, wie chronisch Kranken, würde das BGE nicht reichen. Es würde auch kein Unterschied gemacht, ob jemand in München oder Bochum zur Miete wohnt. Dies wäre eine Verschwendung und höchst ungerecht. Der Sozialstaat funktioniert am besten, wenn er auf die Bedürftigen konzentriert bleibt.
Darüber hinaus würden die Löhne auf breiter Front sinken, weil über das BGE das Existenzminimum durch den Staat garantiert würde. So würden die Unternehmen, die ihre Gewinne aus der Arbeit der Bevölkerung erwirtschaften, aus der Verantwortung entlassen.
Letztlich müsste der Staat so heftige Summen bewegen, dass dies realistisch nur funktionieren würde, wenn auch die kleinen Leute über höhere Verbrauchssteuern zur Kasse gebeten würden. Das BGE wäre also keinesfalls gerechter.
Darüber hinaus bedeutet Arbeit auch soziale Kontakte. Das BGE wäre für viele Menschen - etwa Arbeitslose - eine Art Herd- oder Stillhalteprämie. Einer der geistigen Väter des BGE, Milton Friedmann, hatte genau dies im Sinn. Die Arbeitslosen sollten "die Klappe halten" und die Beschäftigten deren Existenzminimum finanzieren. Im Gegenzug wäre Arbeitslosigkeit als Schicksal zu akzeptieren und die Unternehmen von allen lästigen Sozial- und Arbeitsrechten wie Sozialabgaben und Kündigungsschutz befreit.
Eine gute Darstellung der Gegenargumente des Armutsforschers Prof. Butterwege finden Sie hier http://www.christophbutterwegge.de/texte/Grundeinkommen.pdf
Ich kämpfe hingegen für eine Bürgerversicherung, eine soziale Mindestsicherung auf hohem Niveau für die Bedürftigen sowie die Abschaffung der Zumutbarkeitskriterien bei Hartz IV, die Lohndrückerei per Gesetz sind. Darüber hinaus müssen wir den technologischen Fortschritt nutzen, um die Arbeitszeiten zu reduzieren und sinnvolle und gute Arbeit in Bereichen wie Kultur, Pflege, Umwelt etc. zu finanzieren. Dies wäre im Interesse sowohl der Beschäftigten als auch der Arbeitslosen.
Mit freundlichen Grüßen,
Fabio De Masi